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Kennt ihr schon… die Geowissenschaftliche Sammlung?

Etwa 220.000 Exponate erzählen hier von der Geschichte der Erde

Forschung

Vom Mammutunterkiefer bis zum Riesenhirschskelett – die Geowissenschaftliche Sammlung der Universität Bremen beherbergt viele faszinierende Objekte. Hier finden sich Fossilien, Skelette von ausgestorbenen Tieren, Kristalle und Gesteine. Die Sammlung ist Archiv, Werkstatt, Forschungslabor und Lernort zugleich. Über ihre Arbeit erzählen Jens Lehmann, Professor für Paläontologie und Leiter der Sammlung, und Martin Krogmann, geowissenschaftlicher Präparator.

Herr Lehmann, Herr Krogmann, was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit in der Geowissenschaftlichen Sammlung?

Jens Lehmann: Die Arbeit ist unglaublich vielseitig und hinter vielen Objekten verbergen sich ganze Geschichten. Ich arbeite jetzt schon seit knapp 25 Jahren als Kurator der Sammlung und habe in der Zeit natürlich schon viel gesehen und gelesen. Da ist dann die Aufgabe, beispielsweise einen Haifischzahn wissenschaftlich zu beschreiben und einzuordnen, auf den ersten Blick banal. Aber je länger man sich damit beschäftigt, desto faszinierender wird der Gegenstand. So viele Fragen kommen auf: Was war das für ein Tier, welche Arten gab es davon, wo haben sie gelebt? Aber auch: Wie wurde der Zahn gefunden, warum wurde er überhaupt gesammelt und wie kam er in die Sammlung? All diese unterschiedlichen Facetten eines Gegenstands machen die Arbeit immer wieder spannend.

Martin Krogmann: Manchmal sammeln wir auf wissenschaftlichen Grabungen selbst Objekte. Vor Ort ist in der Kürze der Zeit dann oft keine Gelegenheit, um herauszufinden, welches Fossil sich genau im Gestein befindet. Wenn es vielversprechend aussieht, nehmen wir es mit. In der Werkstatt wird es anpräpariert und man merkt dann erst, was sich wirklich darin verbirgt. Das ist immer wieder überraschend.

Jens Lehmann und Martin Krogmann stehen in einem Raum, in dem die Objekte gelagert werden.
Jens Lehmann (links) ist Professor für Paläontologie und Leiter der Geowissenschaftlichen Sammlung. Martin Krogmann (rechts) ist geowissenschaftlicher Präparator.
© Matej Meza / Universität Bremen

Wie ist die Sammlung überhaupt entstanden und wozu gibt es sie an der Universität?

Jens Lehmann: Im Jahr 1994 hat die Universität die geologisch-paläontologische Sammlung des Überseemuseums übernommen. Das war der Grundstock für die heutige Geowissenschaftliche Sammlung. Die Objekte der Museumssammlung sind von Wissenschaftlern, aber auch von Kaufleuten und Seefahrenden in aller Welt gesammelt worden. Wir haben dann hier daran gearbeitet, die Sammlung zu erfassen und zu erweitern – mit Funden von unseren eigenen Forschungsgrabungen, aber auch mit Schenkungen, die wir beispielsweise von Personen bekommen, die in ihrer Freizeit Fossilien sammeln.

Martin Krogmann: Die Sammlung dient also unter anderem als Archiv. Daneben machen wir aber noch viele andere Sachen: Zum Beispiel forschen wir zu den Objekten der Sammlung und schreiben dazu wissenschaftliche Artikel, bieten Lehrveranstaltungen für Studierende aus den Geowissenschaften an und veranstalten einen geowissenschaftlichen Arbeitskreis für interessierte Bürger:innen. Außerdem gibt es hier eine von nur wenigen wissenschaftlichen Präparationswerkstätten in Deutschland. Unsere Aufgaben sind genauso vielfältig wie unsere Objekte!

Stichwort Präparationswerkstatt – was machen Sie dort genau?

Martin Krogmann: Fast alle Fundstücke, die Forschende selbst von Grabungen mitbringen oder die andere Personen uns zukommen lassen, laufen über meinen Tisch in der Werkstatt. Oft geht es darum, Fossilien aus dem Gestein, das sie umgibt, herauszulösen. Bei größeren Objekten arbeite ich mit Hammer und Meißel. Bei kleineren Funden benutze ich kleine Presslufthämmer und arbeite unter dem Mikroskop, um keine Details zu zerstören. Wenn die Objekte noch kleiner sind, kommen manchmal auch chemische Methoden zum Einsatz – zum Beispiel bei fossilen Einzellern. Die kann ich mit Chemikalien aus dem Gestein lösen und dann unter dem Mikroskop anschauen. Besonders interessant war es, die Funde aus unserem Forschungsprojekt in der Gebirgswüste von Nevada zu bearbeiten. Da habe ich gemeinsam mit einem Kollegen ungefähr 8.000 Objekte präpariert.

Nahaufnahme einer Gesteinsplatte mit einem plattgedrückten Fisch, an welcher Martin Krogmann arbeitet.
Eine Gesteinsplatte mit einem plattgedrückten Fisch aus dem Libanon. Martin Krogmann arbeitet daran, ihn aus dem Gestein zu lösen.
© Matej Meza / Universität Bremen

Was haben Sie bei dem Forschungsprojekt in Nevada genau untersucht?

Jens Lehmann: Das Projekt haben wir von 2017 bis 2020 mit einer Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) durchgeführt. Wir haben Ammoniten erforscht, das sind heute ausgestorbene Tiere, die mit Tintenfischen verwandt sind. Wir wollten herausfinden, wie sich ihre Gestalt im Laufe der Evolution verändert hat und welche Umwelteinflüsse dabei eine Rolle gespielt haben. Während unserer Forschungsarbeiten hat sich das Projekt in eine etwas andere Richtung entwickelt als geplant. Das ist bei paläontologischer Forschung häufig so, denn wir wissen ja nicht im Voraus, was für Objekte wir finden werden und was man aus den Daten ablesen kann.

Gibt es in der Sammlung Objekte, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Jens Lehmann: Ein Highlight unserer Sammlung ist ein komplett erhaltenes Skelett eines Riesenhirschs. Das ist eine heute ausgestorbene Tierart, die vor 20.000 bis 30.000 Jahren unter anderem in Irland heimisch war. Es ist sehr selten, dass man von einem Tier nicht nur einzelne Knochen, sondern ein komplettes Skelett hat. Und das war auch schon vor etwa 130 Jahren so, als das Überseemuseum den Hirsch aus Irland für eine große Summe gekauft hat. Heute ist es fast unmöglich, so ein Exemplar noch zu erstehen.

Das Skelett eines Riesenhirschs steht vor einem blauen Schrank. Eine Person schaut zu dem Kopf des Hirschs hoch.
Ein Highlight der Sammlung: das komplett erhaltene Skelett eines Riesenhirschs.
© Matej Meza / Universität Bremen

Martin Krogmann: Ein Objekt, das hier in Bremen viel Aufmerksamkeit erregt hat, ist der Unterkiefer eines Mammuts, der 2006 in der Weser gefunden wurde. Er wurde dann zu uns gebracht, damit wir ihn konservieren und bewahren. Wir haben ihn in eine Wanne mit einem Industrietauchsieder gelegt und dort eine Mischung aus Wasser und Wachs hineingegeben. Dann haben wir alles über Monate hinweg erhitzt, sodass das Wachs in die Knochen eingedrungen ist und das Wasser ersetzt hat. So wurde der Knochen gefestigt und vor dem Zerfall bewahrt. Dass es hier in Bremen zu so einem Fund gekommen ist, hat uns erst einmal nicht überrascht. Interessant ist aber, dass es sich um einen Zufallsfund handelt: Der Kiefer hatte sich in der Reuse eines Fischer verfangen.

Der Unterkiefer eines Mammuts
Ein seltener Fund: der Unterkiefer eines Mammuts, der 2006 in der Weser auftauchte.
© Matej Meza / Universität Bremen

Kommt es häufig vor, dass Nichtwissenschaftler:innen Ihnen Fundstücke übergeben oder mit Ihnen zusammenarbeiten?

Jens Lehmann: Uns ist der Austausch mit diesen Personen sehr wichtig und wir freuen uns natürlich, damit auch bei ihnen auf Interesse zu stoßen. Vor kurzem hat uns beispielsweise ein Hobbysammler 600 Fossilien von Schwämmen aus einer Grube bei Hannover übergeben. Die hat er am Feierabend und an Wochenenden alle eigenhändig aus dem Gestein herauspräpariert, über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren. Dass wir so eine umfangreiche Sammlung bekommen, ist eher selten. Aber daneben gibt es noch einige andere Möglichkeiten, mit uns zusammenzuarbeiten und Einblicke in die Sammlung zu bekommen. An die Sammlung angegliedert ist ein geologischer Arbeitskreis, in dem wir über unsere Arbeit berichten und es Menschen ermöglichen, eigene Projekte zu Objekten unserer Sammlung durchzuführen. Und auch bei Veranstaltungen wie dem Open Campus sind wir mit unseren Objekten präsent. Da merken wir immer wieder: diese Jahrmillionen alten Überreste faszinieren nicht nur uns.

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