Den Weg bahnen für Open-Source-Prozessoren
Das Projekt Scale4Edge bringt Wissenschaft und Industrie zusammen
Im Auto, im Laptop, im Smartphone: Prozessoren umgeben uns den ganzen Tag. In den Geräten verarbeiten sie alle eingehenden Informationen und bilden so das Herzstück der Elektronik. Doch je ausdifferenzierter und leistungsfähiger Prozessoren werden, desto aufwendiger ist auch ihre Entwicklung. Im Projekt Scale4Edge arbeiten Forschende der Universität Bremen mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie daran, die Entwicklung von Prozessoren leichter und zugänglicher zu machen. Gelingen soll das mit einer Open-Source-Architektur.
Durchschnittlich mehrere hundert Prozessoren finden sich in einem modernen Auto. Sie sorgen beispielsweise dafür, dass es die Spur hält, Verkehrsschilder erkennt oder selbstständig einparkt. Solche Prozessoren müssen vielen Anforderungen gerecht werden: Sie sollen nicht nur energieeffizient arbeiten, sondern auch leistungsfähig, robust und sicher sein. Wie man diese Prozessoren leichter entwickeln kann, darum geht es im Projekt Scale4Edge.
19 Partner aus Wissenschaft und Industrie haben sich in dem Projekt zusammengetan, darunter Firmen wie Bosch und der Halbleiterhersteller Infineon sowie neun Wissenschaftsinstitutionen. An der Universität Bremen ist Rolf Drechsler mit seiner Arbeitsgruppe Rechnerarchitektur (AGRA) an Scale4Edge beteiligt. Seit 2020 arbeiten die Partner zusammen, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit etwa 24 Millionen Euro. Kürzlich ist die Laufzeit bis Ende 2025 verlängert worden.
RISC-V: die Open-Source-Architektur für Prozessoren
Die Prozessoren, an denen die Partner arbeiten, sollen mit der Befehlssatzarchitektur RISC-V funktionieren, wobei RISC für Reduced Instruction Set Computer steht. Doch was verbirgt sich dahinter genau? „Eine Befehlssatzarchitektur bestimmt, auf welche Art und Weise Prozessoren Informationen verarbeiten und mit welchen Informationen sie umgehen können“, erläutert Rolf Drechsler. Ähnlich wie bei Betriebssystemen für Computer gibt es auch bei Befehlssatzarchitekturen für Prozessoren unterschiedliche Systeme, die selten miteinander kompatibel sind. Für die meisten von ihnen müssen Firmen Lizenzgebühren zahlen, wenn sie sie in ihren Prozessoren nutzen wollen. RISC-V hingegen ist kostenlos nutzbar. Doch das ist nur ein Grund dafür, warum es sich immer weiter durchsetzt. Denn während die erste Version von RISC als einfaches Anschauungsobjekt für die Lehre entwickelt worden ist, ermöglicht die aktuelle fünfte Generation den Bau von komplexen und leistungsfähigen Prozessoren. Das macht sie auch für die Industrie interessant.
Je ausdifferenzierter Prozessoren mit der Zeit geworden sind, desto aufwendiger wurde auch ihre Konstruktion. „Früher hat man noch Standardprozessoren gebaut, die man dann je nach Anwendung mit unterschiedlicher Software nutzen konnte“, sagt Rolf Drechsler. Heute werden Prozessor von vornherein oftmals auf bestimmte Anwendungsszenarien zugeschnitten und anschließend ein virtueller Prototyp des Prozessors erstellt und getestet. Die Entwicklung eines Prozessors kann so je nach Anwendung und Komplexität mehrere Arbeitsjahre dauern. Doch die Projektpartner von Scale4Edge möchten diesen Prozess vereinfachen – mit einer Plattform, die es auch Nichtspezialisten ermöglichen soll, einen Prozessor zu entwerfen. „Man kann dann beispielsweise auswählen, welche Verarbeitungsbreite und Leistungsaufnahme der Prozessor haben und welche Befehle er ausführen soll, und so automatisch einen Entwurf erstellen“, sagt Rolf Drechsler.
Das Fachgebiet der Bremer Forschenden: die Verifikation
Gerade bei Prozessoren, die in Autos eingebaut sind, ist es von lebenswichtiger Bedeutung, dass sie korrekt funktionieren. Für diese Fragestellung, die Verifikation von Prozessoren, ist Rolf Drechsler mit seiner Arbeitsgruppe zuständig. Dabei kommen verschiedene Methoden infrage. „Eine Möglichkeit ist, anhand konkreter Werte die Funktion der Prozessoren zu überprüfen. Das wäre so ähnlich, als würde man einen Taschenrechner mit konkreten Rechenaufgaben testen“, erklärt er.
Doch diese Methode ist zeitaufwendig: Bei einem 32 bit-Prozessor, der sich beispielsweise in Handys oder Laptops findet, würde sie etwa 500 Jahre dauern. Eine Alternative ist daher die Verifikation mit Variablen. Sie ermöglicht, die Funktionsfähigkeit für viele Werte gleichzeitig zu testen, braucht aber sehr viel Speicherplatz. Rolf Drechsler und sein Team arbeiten daher mit einer Kombination aus beiden Methoden: der partiellen symbolischen Simulation. Als physische Gegenstände bekommen die Bremer Forschenden die Prozessoren aber nicht zu Gesicht. Sie arbeiten ausschließlich mit digitalen Zwillingen. Erst wenn die einwandfrei funktionieren, werden die Prozessoren gebaut.
Forschung im Dialog zwischen Wissenschaft und Industrie
Die Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie findet Rolf Drechsler im Projekt Scale4Edge besonders anregend. Denn er hat selbst bei Siemens gearbeitet, bevor er eine Professur an der Universität Bremen bekommen hat. „Für meine wissenschaftliche Arbeit ist es wichtig, dass man nicht im luftleeren Raum forscht, sondern mit der Praxis verbunden ist“, sagt er. Seinen Schritt von der Praxis zurück in die Wissenschaft hat er aber nie bereut. „Ich habe gemerkt, dass die Freiheit des Lehrens und Forschens an einer Hochschule für mich einen sehr hohen Wert hat – und das ist bis heute so geblieben“, resümiert er.