Prokrastination: Gut lernen trotz Lockdown
Rund 1.000 Studierende suchen jedes Jahr die Psychologische Beratungsstelle des Studierendenwerks Bremen auf. Diesmal geht es um ein Phänomen, das Corona noch verstärkt hat: Prokrastination, umgangssprachlich „Aufschieberitis“.
Die Prüfungszeit naht. Für viele Studierende ist das die Stunde der Wahrheit. Wie gut sind sie in diesem Semester vorangekommen? In diesem Jahr ist die Verunsicherung besonders groß, denn das Studieren zu Hause verleitet noch einmal mehr zum Aufschieben unliebsamer Aufgaben. Aber keine Panik: Die Psychologische Beratungsstelle des Studierendenwerks Bremen hat Tipps für gutes Lernen im Homeoffice.
Lukas ist ein entspannter Typ. Warum soll er sich schon im Oktober stressen, wenn die Klausur erst Mitte Februar ansteht? Er versteht nicht, warum seine Kommilitonen schon Wochen vor dem Termin Panik schieben. Ist doch eh alles anders dieses Jahr, wegen Corona. Also erstmal ganz entspannt bleiben. Swantje Wrobel ist nicht überrascht, dass Lukas sich einige Zeit später in der Telefonsprechstunde der Psychologischen Beratungsstelle (PBS) des Studierendenwerks meldet. Denn wer ständig aufschiebt, hat irgendwann ein ernstes Problem. „An uns wenden sich immer wieder Studierende, die viel aufgeschoben haben und denen die Aufgaben mittlerweile über den Kopf gewachsen sind. Im Fachjargon nennen wir das Prokrastination“, sagt die Psychologin.
Wie schlimm ist es?
Um herauszufinden, wie ernst die Lage ist, fragen Wrobel und ihr Team die Ratsuchenden nach ihrem Alltag: Wie viele Aufgaben hast du aufgeschoben? Geht es nur um zwei kleinere Referate oder musst du sogar noch die Hausarbeiten vom vergangenen Semester nachreichen? Wie sehr stört dich deine aktuelle Lage?
Dann geht es an die Ursachenforschung. „Das ständige Aufschieben kann unterschiedliche Gründe haben“, erklärt Wrobel. Manche Studierende setzen sich völlig unrealistische Ziele, wieder anderen fehlt das Handwerkszeug. Viele lassen sich zudem zu leicht ablenken. Das sei gerade in Pandemiezeiten zu beobachten, wenn die Lernorte an der Universität und die Bibliothek geschlossen haben. Zu Hause sind die Verlockungen, etwas anderes zu tun, einfach zu groß. „Was auch immer der Grund sein mag: Prokrastination ist eine ernstzunehmende Arbeitsstörung. Das hat nichts mit Faulheit zu tun“, stellt die Psychologin klar.
Am besten gemeinsam lernen
Und wie kann man diese Arbeitsstörung überwinden? „Am besten zusammen mit anderen“, sagt Wrobel. Sie empfiehlt, sich einer virtuellen Lerngruppe anzuschließen – mit festen Arbeits- und Pausenzeiten. Wer via Video sieht, dass alle fleißig arbeiten, verspüre in der Regel mehr Motivation, sich auch selbst ins Buch zu vertiefen. „Und die virtuell gemeinsam verbrachten Pausen können die soziale Komponente, die ja zum Studium eigentlich dazu gehört, wenigstens etwas ausgleichen“, sagt Wrobel. Ebenso wichtig wie das Arbeiten ist laut Wrobel aber auch das „Feierabend machen“. „Die Freizeit sollte unbedingt erhalten bleiben. Dieser Ausgleich ist ganz wichtig“, sagt die Psychologin. Aber bitte nicht direkt aufs Sofa sinken und der Lockdown-Lethargie frönen. Besser: Die Freizeit aktiv gestalten, mit Dingen, die Spaß machen und neue Energie bringen – wie ein Spaziergang, Yoga oder Kochen. „Und bitte keine Wunder erwarten“, stellt Wrobel klar. Es sei für alle eine belastende Zeit. Wer es schafft, sie so normal wie möglich zu gestalten, hat ganz gute Karten, ohne größere Blessuren dadurch zu kommen.
Weitere Informationen
Die PBS das Online-Angebot „Trotz Corona zufrieden lernen“ ins Leben gerufen. Jeden Montag gibt es auf der Seite der PBS neue Tipps zu einem Thema wie Lernmethoden, Arbeitsorganisation oder Pausengestaltung. Fragen zu den Tipps können dann dienstags von 9:30 – 10:30 Uhr über einen offenen Chat gestellt werden. Eine Voranmeldung ist nicht erforderlich, jedoch ist eine Registrierung für den Chat notwendig. Der Chat ist außerdem anonym.
Die Psychologische Beratungsstelle befindet sich im Zentralbereich der Universität Bremen, unterhalb der Mensa. Termine können zurzeit nur telefonisch am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9 bis 13 und Mittwoch von 14 bis 16 Uhr vereinbart werden. Erreichbar ist die Beratungsstelle unter 22 01 - 1 13 10 oder per E-Mail unter pbs@stw-bremen.de. Zudem gibt es eine Online-Beratung. Die Services der PBS stehen Studierenden der Universität und der Hochschulen in Bremen und Bremerhaven kostenfrei zur Verfügung.