Damals: Ein Wagenstellplatz für Sinti und Roma?
Der Akademische Senat war Ende 1979 einstimmig dafür – aber die Bürokratie stand dagegen: Warum dann doch kein Wagenstellplatz für Sinti und Roma entstand.
Im November 1979 richten Angehörige der Sinti und Roma Anfragen an den Präsidenten der Bremer Bürgerschaft nach der Errichtung eines Wagenplatzes auf dem Bremer Stadtgebiet. Der Senat erwägt daraufhin die Einrichtung von Stellplätzen auf dem Gelände der Universität. In seiner Sitzung vom 19. Dezember 1979 bestätigt der Akademische Senat (AS) einstimmig die Notwendigkeit eines solchen Wagenplatzes.
Der AS fordert die Universitätsleitung auf, „(…) die Einrichtung eines Standplatzes auf dem Universitätsgelände als vorübergehende Maßnahme bis zur endgültigen Bereitstellung eines entsprechenden Geländes durch die Bremische Bürgerschaft zu realisieren. (…) Der Akademische Senat sieht gerade angesichts der Zunahme von Rechtstendenzen und Neonazismus dies als eine Aktivität, die diesen Tendenzen offen entgegentritt.“
Allerdings gestaltet sich die Realisierung des Projekts schwierig. Der Universitätsparkplatz, der für den Wagenstellplatz angedacht ist, ist öffentlich-rechtliches Eigentum. Das Areal steht der Universität daher nicht frei zur Verfügung. Neben diesen rechtlichen Schwierigkeiten bleibt auch die Frage, wie man den Wagenplatz mit Elektrizität und sanitären Anlagen versorgen könne. Auch die finanzielle Frage ist noch ungeklärt: Der Etat der Universität bzw. des Senators für Kunst und Wissenschaft beinhaltet keine Mittel, welche für die Herrichtung des Platzes benutzt werden können.
Akademischer Senat wendet sich direkt an den Bürgermeister
Deshalb wendet sich der Akademische Senat im Februar 1980 mit einem Schreiben direkt an den damaligen Bürgermeister von Bremen, dieses Problem durch die Errichtung eines Wagenstellplatzes für die Sinti und Roma im Stadtgebiet zu lösen. Zwar existiere bereits ein Wagenplatz in Diepholz, doch seien die langen Anfahrtszeiten dorthin für die Sinti und Roma aus Bremen nicht zumutbar. Die Notwendigkeit eines solchen Wagenplatzes bzw. die Verbesserung der sozialen und räumlichen Situation der Sinti und Roma in Bremen werde daher als wichtiger Schritt gesehen – insbesondere, weil diese Bevölkerungsgruppe während des NS-Regimes verfolgt wurde und Opfer eines Völkermordes war.
Mit der Problematik der sozialen Lage der Sinti und Roma in der alten Bundesrepublik bzw. im Bundesland Bremen beschäftigt sich zeitgleich auch eine wissenschaftliche Untersuchung an der Universität. Das von 1980 bis 1984 im (damaligen) Fachbereich 6 Sozialwissenschaften durchgeführte Lehr- und Forschungsprojekt mit der ursprünglichen Bezeichnung „Wohnverhältnisse Bremer Sinti - Bestandsaufnahme und Perspektiven“ unter der Leitung von Professor Rudolf Bauer und unter Mitarbeit von Josef Bura und György Szabo hat zum Ziel, „eine Bestandsaufnahme der aktuellen Wohnverhältnisse der Bremer Sinti vorzunehmen, um auf der Basis der gewonnenen Daten und in Zusammenarbeit mit den Betroffenen Wege zu finden, wie in Berücksichtigung der ethnischen Besonderheiten der Sinti deren Wohn- und Existenzprobleme behoben werden können“.
Studie: Auch in der Bundesrepublik geht die Diskriminierung weiter
Obgleich viele Sinti und Roma während des NS-Regimes verfolgt, in Konzentrationslager deportiert und ermordet wurden würden die Überlebenden und ihre Nachkommen in der BRD kaum bis gar keine Wiedergutmachung erfahren. Ihre Verfolgung werde relativiert, und ihre gesellschaftliche Diskriminierung und Kriminalisierung bestehe auch in der Bundesrepublik weiter.
Sinti und Roma, so die Projekteinschätzung, würden als ordnungsrechtliches Problem betrachtet, das man nur durch polizeiliche Erfassung lösen zu können glaube. Dies führe dazu, dass die Menschen an die Stadtränder gedrängt würden – in Wohneinheiten, die oft nicht einmal den Standards des sozialen Wohnungsbaus entsprächen. Auch führe die bewusste Ansiedlung an der Peripherie der Städte zu einer Ausgrenzung durch die restliche Bevölkerung.
Das Ziel der Bremer Studie sei es daher, aufzuzeigen, mit welchen Problemen Sinti in den ihnen zugedachten Wohnsiedlungen zu kämpfen haben. Durch Interviews mit Betroffenen sollen Ansätze für eine Lösung dieser Probleme gefunden und dabei auch das Verhältnis der Sinti/Roma zu den Behörden betrachtet werden.
Die Studie verläuft erfolgreich, doch der Wagenplatz auf dem Campus wird nie errichtet, da hierfür die rechtlichen und organisatorischen Probleme nicht gelöst werden können. Die offizielle Anerkennung der rassistischen Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus als Völkermord erfolgt 1982.