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Von der Präsenzlehre zum virtuellen Seminar

Drei Studierende erzählen, wie sie die Umstellung auf das digitale Semester erlebt haben

Lehre & Studium

Das Sommersemester 2020 ist das erste digitale Semester in der Geschichte der Universität Bremen. Durch die Corona-Pandemie sind alle Lehrveranstaltungen ins Internet verlegt worden. Wie erleben Studierende die Umstellung auf die digitale Lehre? Welche Vorteile hat sie und welche Nachteile bringt sie mit sich? Drei Studierende erzählen uns ihre Sicht der Dinge.

Jan Lehnert, 28 Jahre, B.A. English-Speaking Cultures/Linguistik im 8. Semester

Ich denke, die Umstellung war für mich ganz ähnlich wie bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich an das Homeoffice gewöhnen mussten. Am meisten fehlt mir im Alltag die Trennung zwischen Arbeit, Studium und Freizeit. Natürlich ist es schön, in Jogginghose am eigenen Schreibtisch lernen zu können, doch ich musste erst lernen, mir jeden Tag durchzuplanen, um nicht auf einmal nachts um drei meine Essays zu schreiben. Den Campus überhaupt nicht mehr zu sehen, ist ein komisches Gefühl.

Jans Arbeitsplatz im Homeoffice
©Privat

Ein paar Lehrveranstaltungen, zu denen ich mich für das aktuelle Semester angemeldet hatte, wurden noch nach Beginn der Vorlesungszeit ganz spontan abgesagt. Das war ein wenig chaotisch, ich habe aber glücklicherweise schnell Ersatz finden können. Außerdem habe ich vor, mich in diesem Sommer endlich um mein Pflichtpraktikum zu kümmern. Ich befürchte, dass es in der aktuellen Situation schwieriger werden könnte, einen geeigneten Platz zu finden.

Der persönliche Austausch lässt sich online nur schlecht nachahmen

Zunächst dachte ich, dass die Umstellung für mich und andere Studierende in den Geisteswissenschaften gar nicht so groß sein wird, da man in diesen Fächern ohnehin viel Zeit alleine mit seinem Laptop und Büchern verbringt. Ich war überrascht, wie wichtig mir der persönliche Austausch im Seminar aber tatsächlich ist, und wie schlecht er sich online nachahmen lässt. Egal ob im Online-Forum oder in einer Videokonferenz, eine Diskussion wie im wöchentlichen Seminar entwickelt sich da nicht. Aber es gibt auch einen Vorteil: die Flexibilität. Man kann sich die Arbeit so gestalten, wie es einem am besten passt und ist in vielen Fällen weder orts- noch zeitgebunden.

Vielleicht ist dieses Semester ein guter Anstoß

Ich würde mir auch in Zukunft mehr Flexibilität wünschen. Vielleicht ist dieses Semester ein guter Anstoß für Dozierende, moderne Technologien endlich in vollem Umfang zu nutzen. Zum Beispiel muss nicht jeder Arbeitsauftrag ausgedruckt und ins Postfach geworfen werden, wenn man ihn stattdessen einfach hochladen kann.

Alena Weiß, 24 Jahre, B.A. Kulturwissenschaft/Kommunikation- und Medienwissenschaft im 6. Semester

Am Anfang konnte ich mir eine reine Onlinelehre nur schwer vorstellen, da es einfach etwas ganz Neues für mich war. Zumindest in meinen Studiengängen war es bisher nicht üblich, Onlineseminare abzuhalten. Als ich dann das erste Seminar über Zoom hatte, musste ich erstmal herausfinden, wie man sich beispielsweise in dem neuen Format am Seminar beteiligen kann und ob man selbst die Kamera laufen lässt. Aber mittlerweile hat man sich daran gewöhnt und auch das Beteiligen und Sprechen in Onlineseminaren fällt mir immer leichter. Ich denke das ist auch ganz normal, dass es am Anfang bei allen Fragen gibt und man sich etwas überfordert fühlt, da die Situation ja für alle neu ist.

Onlinelehre fordert mehr Selbstdisziplin

Die Onlinelehre fordert, wie ich es so wahrnehme, vor allem noch mehr Selbstdisziplin und Motivation. Aufgaben werden nun per Mail ohne Abgabedatum geschickt, sodass man selbst gucken muss, wann man diese erledigt. Ich sehe es einerseits als Freiheit an, mir meinen Tagesablauf noch mehr selbst gestalten zu können, aber andererseits auch als große Herausforderung, da ich mich schnell von anderen Sachen ablenken lasse oder darin verfalle, Sachen aufzuschieben.

So sieht Alenas Arbeitsplatz zuhause aus
©Privat

Meinen Nebenjob als studentische Hilfskraft kann ich glücklicherweise von zuhause weiter ausüben. Das war aber auch schon vorher möglich, daher hat sich da für mich nicht viel verändert. Mein Pflichtpraktikum werde ich voraussichtlich wie geplant in der kommenden vorlesungsfreien Zeit absolvieren. Ich bin auch ziemlich froh und dankbar darüber, dass ich im Job und auch sonst keine großen Einschränkungen durch das Digitale Semester erfahren muss.

Für das kommende Semester wünsche ich mir, dass der Austausch per E-Mail mit den Lehrenden auch weiterhin so gut klappt. Da hatte ich nämlich sonst oft Probleme, dass ich die Lehrenden nicht erreichen konnte oder diese mit der Lernplattform Stud.IP oftmals Schwierigkeiten hatten. Nun da wir uns alle damit befassen müssen und die digitale Form die einzige ist, um in Kontakt zu bleiben, wird es, denk ich, auch vieles weiterhin erleichtern.

Lina Meyer, 23 Jahre, B.A. Germanistik/ Kommunikations- und Medienwissenschaft im 6. Semester

Durch das digitale Semester haben sich meine Pläne zum Glück nur leicht verändert. Ich hatte geplant, im Juli mein zwölfwöchiges Praktikum zu absolvieren. Aufgrund von Corona konnte mein Praktikumsbetrieb mir keine feste Zusage geben und für mich war ungewiss, ob sich dadurch mein Studienverlauf verändern und meine Studienzeit noch einmal verlängern würde. Zum Glück habe ich eine Alternative gefunden. Glück habe ich außerdem, da ich in meinem Nebenjob die Möglichkeit habe, problemlos von zuhause zu arbeiten und damit das Finanzielle gesichert ist.

Lina hat ihren Arbeitsort auf den Balkon verlegt
©Privat

Ich habe damit gerechnet, dass es schwierig wird, relativ spontan auf ein komplett digitales Semester umzusatteln, sowohl für Lehrende, als auch für Studierende. Überrascht hat mich dann allerdings doch, dass wenig auf virtuelle Lehrveranstaltungen zurückgegriffen wird und sich somit an keiner zeitlichen Struktur orientiert werden kann und kaum Austausch zwischen Studierenden, aber auch mit Lehrenden stattfindet. Stattdessen werden Präsentationen und Aufgaben bei Stud.IP hochgeladen, die individuell bearbeitet werden müssen.

Mehr Arbeit, weniger Motivation

Das ist für mich der größte Nachteil: Die Arbeitsbelastung ist höher, gleichzeitig habe ich weniger Motivation, da mir die Diskussionen und der Austausch mit anderen Studierenden fehlen. Und natürlich fehlt es mir, auf dem Campus Zeit mit Freunden zu verbringen oder gemeinsam in die Bibliothek zu gehen. Dafür hat die freie Zeiteinteilung natürlich ihre Vorteile – ich kann meinen Tagesablauf relativ frei bestimmen und selbst entscheiden, wann ich etwas für die Uni mache.

Ich hoffe sehr, dass das kommende Semester wieder wie gewohnt stattfinden kann. Wenn ich etwas mitnehmen könnte, dann auf jeden Fall die flexible Zeiteinteilung, die man im digitalen Semester hat. Ich würde mir gerne weiterhin selbst aussuchen, wann, wo und wie viel Zeit ich in mein Studium investiere.

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