Wer lesen kann, ist klar im Vorteil
In dieser Serie stellen wir Menschen vom Campus und ihre Lektüre vor
Als Dezernentin für Verwaltungs-IT, medientechnische Infrastruktur und weitere zentrale Dienste ist Waltraud Brendt auf dem Campus wohlbekannt. Erstaunlich, dass die agile Frau, die Projekte leitet, für Hardware, Software, Telefone, Poststelle und vieles mehr verantwortlich ist, noch Zeit zum Lesen findet. Tut sie aber. Und zwar ausgiebig. Auf langen Zugfahrten und zu Hause auch mal nachts. Von Waltraud Brendt kann man erfahren, was ein „Saugbuch“ ist.
„Ich lese alles querbeet“, sagt die Noch-Dezernentin, denn Ende März geht sie in den Ruhestand. Sie frohlockt schon: „Dann kann ich endlich auch mal tagsüber schmökern“. Querbeet heißt? „Von Klaus Peter Wolfs Krimis aus dem Norden über Frank Schätzing bis hin zu Gabriel Garcia Márquez.“ Bücher seien ihre Freunde, unterstreicht die 64-Jährige. „Es gibt wenige, die ich nur einmal lese.“ Der Roman, den sie empfiehlt, heißt „Was man von hier aus sehen kann“. Geschrieben hat ihn die 1973 in Köln geborenen Schriftstellerin Mariana Leky. Und natürlich hat Waltraud Brendt diese verzaubernde, skurrile Geschichte, die wie ein Märchen anmutet, zweimal gelesen.
Wenn das Okapi erscheint
Sie spielt in einem Dorf im Westerwald. Der Aufhänger: Immer wenn einer der Hauptpersonen, Selma, im Traum ein Okapi erscheint, stirbt binnen 24 Stunden jemand aus der Dorfgemeinschaft. Was ein Okapi ist, steht auf Seite 139: „Es ist das letzte große Säugetier, das der Mensch entdeckt hat. Es sieht aus wie eine Mischung aus Zebra, Tapir, Reh, Maus und Giraffe“. Mit Genuss erzählt Waltraud Brendt, was die Menschen dann tun. „Sie schreiben Briefe. Wollen auf den letzten Drücker Wahrheiten loswerden und Unrecht wiedergutmachen.“ Wenn nach 24 Stunden niemand gestorben sei, dann belagerten sie anderntags den Briefkasten und ließen sich die Sendungen vom Postboten wieder herausgeben.
Die Welt hereinlassen
Ein Buch zum Entschleunigen, so lautet ihre Einschätzung. „Es handelt vom Bleiben und Gehen“, sagt sie und lobt die „liebevolle, detailverliebte Geschichte“. Zum Beispiel die dicke Elsbeth: Wenn sie sich ins Auto setzt, legt sie einen Teppich auf ihren Bauch, damit sich das Lenkrad auch drehen lässt. Erzählt sei alles in einer „wundervollen, lakonischen Sprache“. Letztlich sei es die Geschichte der Ich-Erzählerin, des Mädchens Luise, das heranwächst. Ihr Vater rate ihr immer wieder, die Welt zu sich hereinzulassen. Sie sei zu sehr im Dorf verhaftet. Und wie sie die Welt hereinlässt ist ganz besonders.
Umschulung zur Buchhändlerin
Waltraud Brendt liest nicht nur zur Entspannung, zu Zwecken der Bildung, der Herzensbildung und für den ästhetischen Genuss. Nein, Waltraud Brendt liest auch professionell. Während ihres Studiums der Ökonomie, 1980 in Bremen, fühlte sie sich von der Heinrich Vogeler Buchhandlung im Fedelhören angezogen. Es gibt sie allerdings nicht mehr. „Die habe ich geliebt und bei Büchertischen mitgemacht. Ich wurde gefragt, ob ich nicht nach dem Diplom aushelfen wolle“, sagt sie. „Zehn Jahre sind daraus geworden.“ Waltraud Brendt hat sich damals zur Buchhändlerin umschulen lassen. Vielleicht wäre sie noch in diesem Beruf, wenn der Laden nicht dichtgemacht hätte.
Was ist ein „Saugbuch“?
1990 kam die studierte Ökonomin, umgeschulte Buchhändlerin und fortgebildete EDV-Dozentin an die Universität. „Damals wurde die Schreibmaschine vom PC abgelöst und ich habe die Sekretärinnen geschult und versucht, ihnen die Angst vor der neuen Technik zu nehmen“, erinnert sie sich. Stufe für Stufe ist sie dann beruflich nach oben geklettert und verlässt den Campus nun nach 30 Jahren. Nicht ohne noch zu erklären, was ein „Saugbuch“ ist. „Ganz einfach“, sagt Waltraud Brendt, „man saugt sich in das Buch hinein, lebt in dessen Welt, vergisst alles um sich herum und liest. Notfalls die ganze Nacht“. Wir wünschen ihr tolle Reisen mit großartiger Lektüre im Gepäck!
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Wer hat eine Buchempfehlung, die er anderen Leseinteressierten nicht vorenthalten will? Es kann Belletristik sein, aber auch Sachbücher sind interessant. Eine Nachricht an die up2date-Redaktion up2date@uni-bremen.de reicht, und wir kommen zum Interview vorbei.