Das Klima-Archiv des Rodderbergs
Wie haben sich die klimatischen Bedingungen in Mitteleuropa und speziell im Rheinland in den vergangenen rund 300.000 Jahren verändert? Bohrungen aus dem Vulkankrater des Rodderbergs geben Aufschluss.
Der Rodderberg-Vulkan bei Bonn offenbart sich als reichhaltiges Klimaarchiv: Zehn Jahre nach der Bohrung im Krater des Vulkans führen 14 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Bohrkernanalysen zusammen und schaffen damit eine wertvolle Datensammlung für die Klimaforschung. Besonders spannend: Der Rodderberg enthält übereinander mehrere Warm- und Kaltzeiten im selben Profil. Dies ermöglicht detaillierte Einblicke in die Klimageschichte. Damit ist der Rodderberg in Deutschland einzigartig, denn vergleichbare natürliche Archive enthalten meist nur Abschnitte einer einzelnen Klimaphase. Bis 2023 ist die Analyse des gesamten Datenschatzes geplant und soll Auskunft über die Klimaentwicklung der vergangenen 320.000 Jahre geben.
Im Krater des Rodderbergs haben sich seit dem Ausbruch vor 320.000 Jahren atmosphärischer Staub, Seesedimente, Hangabtrag und vulkanische Aschen aus der Eifel gesammelt. Nach unterschiedlichen geophysikalischen und geologischen Voruntersuchungen wurden vor zehn Jahren an drei Stellen innerhalb des Kraters Bohrungen durchgeführt. Das tiefste Bohrloch endete 164 Meter unter der Geländeoberfläche und bestand bis 72 Meter Tiefe aus unterschiedlichen Sedimenten, darunter aus vulkanischer Asche, Schlacke und aus massivem Basalt. Bereits während der Bohrungen wurden die drei Bohrlöcher mithilfe von Kameras und Messinstrumenten untersucht. Die Bohrproben der Sedimente wurden seitdem mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus acht Forschungseinrichtungen – darunter auch das Institut für Geographie der Universität Bremen – Schicht für Schicht untersucht und offenbaren ein einzigartiges geowissenschaftliches Archiv.
„In einem Onlineworkshop haben wir nun alle aktuell vorliegenden Analysen der letzten Jahre zusammengetragen und damit einen wahren Schatz gehoben“, so Professor Bernd Zolitschka. „Einige Bilder und Grafiken möchten wir auch jenseits von Forschungspublikationen der Öffentlichkeit zeigen. Sie verdeutlichen, wie wir über Jahrtausende hinweg die Klima- und Umweltgeschichte der Region ablesen und verstehen können. Unsere interdisziplinären Untersuchungen erlauben unter anderem Rückschlüsse auf den Sedimenteintrag in den Krater des Rodderbergs, der letztlich von Böden, Vegetation und vom Hydroklima gesteuert wird. Ein besonderer Schwerpunkt unserer Untersuchungen wird auf das älteste Interglazial gelegt, dies ist eine Warmzeit innerhalb des letzten Eiszeitalters. Vermutlich handelt es sich dabei um die sogenannte Hollstein-Warmzeit. Speziell für dieses Interglazial führen wir eine ganze Reihe an hochauflösenden Untersuchungen durch, denn diese Warmzeit hatte circa 2 Grad Celsius wärmere Temperaturen als die Warmzeit in der wir jetzt leben, das Holozän. Vergleiche mit der Erde in 50 Jahren sind daher realisierbar“. Die folgenden Bildergalerien zeigen, wie die Bohrkerne aussehen und analysiert werden, und welche Mineralien, Tier- und Pflanzenreste darin bisher gefunden wurden.
Die Bohrkerne werden in einem Plastikrohr geborgen, das beim Bohren hydraulisch in den Untergrund gedrückt wird. Sie sind jeweils drei Meter lang und zehn Zentimeter im Durchmesser. Bevor die Forscherinnen und Forscher den Kern zerlegen, werden zerstörungsfreie Messungen durchgeführt. Kontinuierlich gemessen wird so zum Beispiel die Magnetisierbarkeit der Mineralien. Im nächsten Schritt werden die Kerne zersägt, die unterschiedlichen Elementgehalte im Sediment kontinuierlich gescannt und die einzelnen Schichten untersucht. Diese geben zum Beispiel Aufschluss darüber, was aus dem Einzugsgebiet in die Sedimentfalle des Rodderbergs eingetragen worden ist, wie die Vegetation der Umgebung ausgesehen hat und welche Organismen im Krater selbst gelebt haben. Durch Kombination all dieser Befunde lassen sich dann Rückschlüsse auf das Klima und den Wandel der Umweltbedingungen herleiten.
Unter dem Mikroskop werden noch mehr Details erfasst. Es lassen sich pflanzliche und tierische Überreste finden. So ließ sich beispielsweise eine ganze Schicht aus Turmschneckengehäusen im Kratersee finden, was bedeutet, dass diese Art zum damaligen Zeitpunkt stark vertreten war. Auch einige Kieselalgen und Spuren von Kleinsäugern (Rodderberg-Maus) werden unter dem Mikroskop sichtbar.
Erste Forschungsergebnisse werden Ende 2022 erwartet. Das Projekt kann über Research Gate verfolgt werden.
Über Bernd Zolitschka
Bernd Zolitschka ist seit über 20 Jahren Professor für Physische Geographie an der Universität Bremen. Er analysiert Sedimentkerne aus Seen mit hochauflösenden Untersuchungsmethoden und rekonstruiert die Entwicklung des Klimas sowie Wechselwirkungen zwischen Mensch, Umwelt und Klima.
Copyright Titelbild: Wolkenkratzer CC BY-SA 3.0