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Es blüht, summt und zwitschert: Biodiversität auf dem Campus

Ein Rundgang mit Ökologieprofessor Marko Rohlfs

Campusleben / Nachhaltigkeit

Es ist Frühling und der Campus steht in voller Blüte. Doch was wächst hier eigentlich alles und wie steht es um die Biodiversität? Zum Tag der Artenvielfalt am 22. Mai begleitet up2date. Professor Marko Rohlfs bei einem Rundgang über den Boulevard der Uni Bremen und spricht mit ihm darüber, welche Pflanzen und Tiere es aktuell zu entdecken gibt, welche Herausforderungen der Klimawandel mit sich bringt und wie Studierende und Mitarbeitende selbst dazu beitragen können, die Artenvielfalt zu fördern.

Welche Pflanzen blühen im Frühjahr auf dem Campus und welche Tiere können wir hier derzeit beobachten?

Im Mai ist viel los auf dem Campus der Universität. Auch wenn die letzten Wochen sehr warm und trocken waren und die Wiesen und Pflanzen an vielen Stellen verdorrt aussehen, gibt es viel zu entdecken. Auf der Wiese am Ende des Boulevards stehen zum Beispiel eine Menge Disteln. Diese bieten einen Lebensraum für viele kleine Tiere, wie die Blutzikade. Auch der Reiherschnabel, lockt mit seinen kleinen rosafarben Blüten Schmetterlinge, wie den Sonnenröschen-Bläuling, dessen Raupen sich hier entwickeln. Auch wachsen auf dem Campus viele Nachtkerzen, die ursprünglich aus Nord-Amerika stammen. Seine Blüten öffnen sich ausschließlich während der Dunkelheit und stellen somit eine beliebte Nahrungsquelle für Nachtfalter dar. Nicht alle Arten, die sich natürlich auf dem Campus ausgesät haben, sind heimisch. So beobachten wir immer mehr Pflanzen und Tiere aus südlichen Regionen, die sich bei den Temperaturen und Trockenheit auch im Norden wohlfühlen.

Einige kahle Stellen auf dem Campus lassen viele vielleicht nicht an Biodiversität denken. Auch wenn wir sie nicht als sehr ästhetisch empfinden, sind es häufig genau diese Flächen, die einen Lebensraum für seltene Arten bieten, wie verschiedenen Wildbienenarten, die sandige Böden als Lebensraum bevorzugen. Neben den Insekten können wir aber auch größere Tierarten auf dem Campus beobachten, wie Wühlmäuse, Kaninchen und sogar Feldhasen. Darüber hinaus dient der Campus zahlreichen Vogelarten als Brutgebiet, darunter Turmfalken am Fallturm, Sturmmöwen auf den Dächern der SuUB sowie Austernfischern, Ringeltauben, Meisen und Rotkehlchen.

Ein grüner glänzender Käfer sitzt auf einem grünen Blatt.
Bild 1/8 Verschiedene Grünrüssler-Arten sind in Europa weit verbreitet. Man kann sie zwischen Ende April und Mitte Juni beobachten.
© Matej Meza / Universität Bremen
Eine Blume mit kleinen rosafarbenen Blüten.
Bild 2/8 Die Violette Königskerze hat sich von den Gartenanlagen des Boulevards auf andere Teile des Campus ausgebreitet.
© Matej Meza / Universität Bremen
Ein kleiner blau-brauner Schmetterling.
Bild 3/8 Den kleinen Sonnenröschen-Bläuling kann man zwischen Mai und September beobachten. Er lebt in warmen und trockenen Gebieten, wie auf Trockenrasen oder in Sandgruben.
© Matej Meza / Universität Bremen
Ein längliches Hochbeet mit weißen und rosa Blüten.
Bild 4/8 Hinter der Sparkasse befindet sich ein Hochbeet, das vom Projekt „Campus goes Biodiverse“ mit heimischem Saatgut bepflanzt wurde.
© Matej Meza / Universität Bremen
Ein Turmfalke brütet in seinem Nest.
Bild 5/8 Ein Turmfalkenpaar hat auf 109 Metern Höhe am Fallturm seinen Nistplatz. Gerade erst sind vier junge Turmfalken geschlüpft.
© ZARM / Universität Bremen
Ein kleiner rot-gelb-schwarzer Käfer sitzt auf einer Margeritenblüte.
Bild 6/8 Der Teppichkäfer stammt ursprünglich aus Australien. In Wohnungen ist er ein eher ungern gesehener Gast, da er mit Vorliebe tierische Produkte wie Wolle und Leder frisst.
© Matej Meza / Universität Bremen
Eine grün-braun gemusterte Wanze sitzt auf einer rosafarbenen Blüte.
Bild 7/8 Stachelwanzen saugen mit ihren Stechrüsseln Pflanzensäfte und betreiben intensive Brutpflege.
© Matej Meza / Universität Bremen
Eine junge braungesprenkelte Möwe.
Bild 8/8 Die Sturmmöwen brüten jährlich bevorzugt auf den Flachdächern der SuUB. Das Möwengeschrei auf dem Campus fühlt sich manchmal so an, als wäre man direkt am Meer.
© Annemarie Popp / Universität Bremen

Wie können wir die verschiedenen Pflanzen- und Tierarten auf dem Campus bestimmen?

Auch Neugierige ohne Artenkenntnisse können durch die Benutzung unterschiedlicher Apps, wie zum Beispiel iNaturalist oder Flora Incognita, eine schnelle und einfache Bestimmung der meisten Pflanzen und vieler Tiere vornehmen. Mit der Merlin-App können auch Vogelstimmen identifiziert werden.

Welche Rolle spielen die verschiedenen Lebensräume auf dem Campus, wie zum Beispiel Gebüsche, Wiesen und Gewässer, bei der Biodiversität?

Diversität von Lebensräumen ist immer gut für die Artenvielfalt. Wenn wir genau hinschauen, dann sind viele Arten gleichzeitig Habitate für andere Arten – es gibt sehr komplexe Abhängigkeiten zwischen Arten, das ist wichtig zu verstehen. Viele Arten brauchen unterschiedliche Habitate, um sich zu ernähren und sich fortzupflanzen. Verschwindet eines dieser Habitate, verschwinden auch diese Arten. Diese Habitatvielfalt sollten wir auf dem Campus also erhalten und fördern.

Welche Auswirkungen haben die Klimaänderungen auf die Biodiversität auf dem Campus und wie können wir uns darauf einstellen?

In sehr trockenen Jahren beobachten wir starke Veränderungen in der Vegetation, aber auch der Vielfalt von Insekten. Ich erwarte, dass klimatische Veränderungen deutliche Spuren in der Biodiversität auf dem Campus und darüber hinaus hinterlassen werden, beziehungsweise dies schon tun. Einige Arten verschwinden, andere kommen aus anderen Regionen neu hinzu. Biodiversität reagiert hoch dynamisch auf den Klimawandel. In unseren Breiten besteht vor allem das Problem, dass viele Habitate sehr großflächig zerstört sind, und viele Arten dadurch aussterben; das verstärkt die Problematik des Einflusses eines raschen Klimawandels auf die lokale Artenvielfalt. Ich befürchte, wir werden da nur zusehen können; dennoch können wir durch ein vielgestaltiges Management der Grünflächen des Campus – mit Rücksicht auf ökologische Prozesse – zumindest versuchen, einen kleinen Beitrag zu leisten, um den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen.

Zwei Personen hocken auf einer Wiese, eine Person fotografiert mit dem Handy eine Pflanze.
Auf den „Wilden Wiesen“ auf dem Campus lassen sich viele Pflanzen- und Tierarten entdecken, die mit verschiedenen Apps bestimmt werden können.
© Matej Meza / Universität Bremen

Wie kann die Biodiversität auf dem Campus durch menschliche Aktivitäten gefährdet werden?

Zu viel Aktivität, wie großflächiges sehr regelmäßige Mähen, zerstört Biodiversität. Nur wenige Arten bleiben übrig, die angesichts solch starker Störung gedeihen können. Aber auch das großflächige einfache „Zuwachsen lassen“ durch Gebüsche, wie beispielsweise Brombeeren, lässt viele andere Pflanzen und Tierarten verschwinden. Die Habitatvielfalt fördert Artenvielfalt. Ansonsten sollten sich alle Menschen auf dem Campus frei entfalten und alle Bereiche auch gerne mal fernab der Wege betreten. Das ist in Maßen kein Problem, Pflanzen nehmen nicht gleich ernsthaften Schaden, wenn auf ihnen versehentlich rumgetrampelt wird oder eine Picknickdecke ausgelegt wird. Beim Betreten der Flächen lässt sich eben auch viel von der Biodiversität entdecken.

Was können Studierende und Mitarbeitende tun, um Biodiversität auf dem Campus zu fördern?

Unsere Untersuchungen im Rahmen vieler Bachelor- und Masterarbeiten zeigen, dass wir tatsächlich einen recht artenreichen Campus haben, auch mit allgemein seltenen und gefährdeten Arten. Durch weniger Mähen und das Entstehen „Wilder Wiesen“ können wir eine Steigerung der Artenvielfalt von Pflanzen und Insekten beobachten. Manchmal muss man weniger tun, um mehr zu erreichen. Alle können bei der Dokumentation dieser Biodiversität auf iNaturalist mithelfen. Schon jetzt gibt es auf iNaturalist im Projekt „Campus Goes Biodiverse“ weit über 8000 Beobachtungen von mehr als 1500 Arten auf dem Campus der Uni, das ist eine große Unterstützung.

Biodiversität ist aber auch eine gesellschaftliche Herausforderung, denn artenreiche „Wilde Wiesen“ werden unterschiedlich wahrgenommen, auch negativ, weil sie für manche Menschen unordentlich aussehen. Sollte es da zu Diskussionen unter Studierenden kommen, gerne Partei für „Biodiversität“ ergreifen. Ansonsten wäre es förderlich, anderen von Biodiversität und ihren Vorteilen zu erzählen: Den Eltern, Freund:innen, Bekannten, die vielleicht Grundstücke oder Gärten haben, wo mehr „wilde Ecken“ für Biodiversität entstehen könnten, durch zum Beispiel weniger Mähen und dem Ausbringen von heimischen Blühmischungen. Schlussendlich kann man sich auch auf Social Media an Diskussionen beteiligen, unter @campusgoesbiodiverse_ub auf Instagram.

Welche Forschungsmöglichkeiten gibt es derzeit zum Thema Biodiversität an der Uni?

Biodiversität und deren Bedeutung kann man auf sehr unterschiedlichen Ebenen erforschen. Am Institut für Ökologie der Uni gibt es mehrere Arbeitsgruppen, die dies tun – hierbei gibt es einen Schwerpunkt auf Insekten, deren Anzahl durch menschliches Wirken in ihrer Vielfalt und Menge rapide abnehmen. Zentrale Fragen sind hier: Welche Bedeutung hat die Biodiversität von mikrobiellen Symbionten auf den Entwicklungserfolg von Insekten? Wie reagieren ganze Insektengemeinschaften auf klimatische Veränderungen? Wie verändern urbane Lebensräume die Evolution von Insekten? Wie interagieren Vegetation und Insektengemeinschaften auf unterschiedliches Management von Grünflächen? Und last but not least, was bedeuten diese Erkenntnisse für praktische Maßnahmen im Naturschutz? Hier arbeiten wir eng mit Verantwortlichen der Naturschutzbehörde zusammen, dabei erarbeiten und beforschen wir neue Ansätze zur Förderung von Biodiversität in Stadt und Land. Die Einrichtung sogenannter „Wilde Weiden“ im Naturschutzgebiet „Neue Weser“, zusammen mit der Naturschutzbehörde, ist hier eine aktuell neue Entwicklung, wo ab diesem Jahr eine Reihe ökologische Abschlussarbeiten durch Studierende aus dem Fachbereich 2 starten.

Professor Marko Rolfs steht auf dem Boulevard der Universität Bremen
Professor Marko Rohlfs erklärt bei der „Krautschau“, was derzeit rund um den Boulevard der Uni alles wächst.
© Matej Meza / Universität Bremen

Lust, mehr über Artenvielfalt auf dem Campus zu erfahren?

Am 22. Mai findet auf dem Campus wieder die „Krautschau“ statt: ein gemeinsamer, aktiver Rundgang mit Professor Marko Rohlfs über den Uni-Boulevard zur Bestimmung heimischer Pflanzen. Die Aktion ist Teil der bundesweiten Initiative #krautschau und soll das Bewusstsein für die Pflanzenvielfalt in Städten stärken. Treffpunkt ist um 15 Uhr vor dem Eingang des BIOM. Bitte vorab die App Flora Incognita auf einem Smartphone installieren. Wer möchte, kann außerdem bunte Kreide mitbringen. Mehr erfahren

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