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„Es braucht digitale Gesundheitskompetenz“

Ob Gesundheits-Apps oder Austausch von Krankendaten: Auch das Gesundheitswesen wird digital.

Forschung

Im Gesundheitswesen sind große Veränderungen zu beobachten, immer mehr Bereiche werden digital. Das betrifft den Austausch von Gesundheitsdaten oder die Suche nach Informationen. Darum geht es auch bei einer Veranstaltung des Senators für Finanzen zur Digitalisierung des Staatswesens am 25. Februar. Professor Hajo Zeeb und Professor Ansgar Gerhardus vom Fachbereich Gesundheitswissenschaften der Bremer Universität sprechen über Risiken und Chancen. Up2date hat Hajo Zeeb befragt.

Wo begegnet uns die digitale Gesundheitsversorgung im Alltag?

Das sind viele Bereiche: Ich kann heute anders Kontakt zu einer Ärztin oder einem Arzt aufnehmen als früher, per Video- oder Fernsprechstunde. Auch im Krankenhaus hat die Digitalisierung großen Einfluss über die Datenflüsse, die dort stattfinden. Oder Apps: Sowohl persönliche Fitness-Apps als auch Apps, in denen Gemeinden über die gesundheitliche Versorgung informieren.

Kann die Digitalisierung auch eine Antwort auf den Ärztemangel sein?

Ja, mit dem Ärztemangel ist es gerade auf dem Land schwieriger, die Versorgung aufrecht zu erhalten. Es ist gut, wenn man Angebote machen kann, mit denen zeitnah Kontakt zur Ärztin oder zum Arzt hergestellt werden kann. Wo Patientinnen und Patienten mit bestimmten Erkrankungen früher häufig eine Praxis aufsuchen mussten, zum Beispiel für ein EKG, geht das heute schon über Fernmonitoring. Das erhöht die Lebensqualität der Betroffenen und kann auch wirtschaftlich effizient sein.

Patientinnen und Patienten können von zuhause aus schon Psychotherapien machen. Ist das eine gute Entwicklung?

Das kann eine gute Ergänzung der Therapie sein. Das persönliche Gespräch soll nicht ersetzt werden. Bei bestimmten psychischen Erkrankungen gibt es schon Studien, die belegen, dass das gut funktioniert. Häufig ist es so, dass diese Sitzungen nicht nur technologiebasiert ablaufen, sondern sie auch eine persönliche Ansprache haben. Für das psychische Wohlbefinden ist die direkte Kommunikation weiterhin sehr wichtig.

Professor Hajo Zeeb ist Experte für digitale Gesundheitsversorgung.
Foto: Christina Selzer / Universität Bremen

Aber nicht alle Patienten haben Zugang zur Telematikinfrastruktur, sind die dann ausgeschlossen?

Da gibt es sicher Nachholbedarf. Natürlich haben viele Menschen in Deutschland einen guten Zugang zum Internet, aber es geht um mehr als um gut ausgebautes W-Lan. Es geht darum, dass Patienten erkennen können, ob die Informationen relevant sind und ob das, was sie im Netz finden, ein gutes Angebot ist. Es braucht also digitale Gesundheitskompetenz.

Wie können sensible Gesundheitsdaten geschützt werden?

Transparenz darüber, was mit Daten passiert, ist ganz wichtig. Viele nutzen Tracking-Apps und wissen gar nicht, dass ihre Daten auf Server in ferne Länder transferiert werden. Ich muss wissen, wer meine Daten sieht und ich muss selbst Zugriff auf meine Daten haben. Und ich brauche die Sicherheit, dass ich das stoppen kann, wenn ich das nicht mehr möchte. Auch der Datenschutz muss optimiert sein. Eine App kann auf geschützten Kanälen laufen, das ist aufwendiger von der Datenschutzseite, aber technisch geht das.

Worin sehen Sie weitere Chancen der digitalen Versorgung?

Mich interessiert vor allem auch die Prävention und Gesundheitsförderung. Es ist ja immer ein Versprechen der Digitalisierung, dass man große Bevölkerungsgruppen gut erreichen kann. Da bietet die Digitalisierung sicherlich eine Menge Chancen. Ich habe die Hoffnung, dass wir über die neuen Wege auch Menschen mit Präventionsangeboten erreichen, die sonst weniger Gebrauch davon machen und nicht so häufig den Weg in eine Arztpraxis finden.

Worin liegt die Zukunft der digitalen Gesundheitsversorgung?

Die Zukunft liegt darin, dass wir versuchen, die vielen technologischen Möglichkeiten so zu nutzen, dass sie zur Gesundheit als wichtigem Gemeingut in der Bevölkerung beitragen und sie unterstützen. Dazu gehört auch die Minimierung der Risiken, die das Ganze mit sich bringt. Und natürlich auch die Reflexion darüber. Gefährlich wäre, wenn die Digitalisierung im Gesundheitswesen allein ein kommerziell betriebenes Gut würde. Anzeichen dafür gibt es schon. Ich sehe da ein großes Problem, wenn etwa die Daten der eigenen Autonomie entzogen sind und ich ungewollt Angebote erhalte, die auf mich zugeschnitten sind. Es gibt leider auch viele böswillige Kräfte.

Vortrag am 25. Februar

„Digitale Gesundheitsversorgung - Chancen und Risiken mit Blick auf die Daseinsvorsorge“ lautet der Titel des Vortrags am 25. Februar im Bremer Rathaus.

Zur Person

Hajo Zeeb ist Professor für Epidemiologie mit Schwerpunkten Prävention und Evaluation an der Universität Bremen und Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS. Er ist außerdem Sprecher des Leibniz-WissenschaftsCampus Digital Public Health.

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