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Forschungsstelle Osteuropa: Gefragter denn je und betroffen vom Krieg

Was der russische Angriffskrieg in der Ukraine mit der Einrichtung an der Universität Bremen macht.

Uni & Gesellschaft

Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs bitten Medien und Politik fast täglich um ihre Einschätzungen. In Veranstaltungen ist ihre Expertise gefragt, wenn es um Putin, Russland und die Ukraine geht: die Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen – kurz: FSO. Gleichzeitig schränken die grausamen Geschehnisse die Arbeit der Mitarbeitenden massiv ein. Wie ihre Forschungen zum Beispiel in Russland in Zukunft weitergehen können, ist ungewiss.

Es war der 23. Februar 2022 – und damit ein Tag vor dem Angriff des russischen Präsidenten Wladimir Putins auf die Ukraine. Da erschien ein Bericht im Weser Kurier mit der Leiterin der Forschungsstelle Osteuropa Professorin Susanne Schattenberg. Die Osteuropaexpertin bezog sich darin unter anderem auf einen Aufsatz, den der russische Präsident vergangenen Sommer veröffentlicht hatte. Sie machte deutlich, was Putin die nächsten Jahre vorhat: die Annexion der ehemaligen sowjetischen Gebiete. Kompromisslos. Ein Tag später griff Putin die Ukraine an.

Susanne Schattenberg und ihre Kolleg:innen der FSO sind ausgewiesene Expert:innen, wenn es um Osteuropa geht. Zurzeit sieht man sie im Fernsehen, hört ihre Einschätzungen im Hörfunk und liest Beiträge mit ihrer Expertise. Gleichzeitig herrscht eine Art Ausnahmezustand in der Forschungseinrichtung an der Klagenfurter Straße auf dem Uni-Campus. Alle Mitarbeitenden versuchen ihren Verwandten, Kooperationspartner:innen und Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen. Auch russischen Partner:innen stehen sie persönlich zur Seite. In der FSO selbst gibt es viele Mitarbeitende aus beiden Ländern, die jetzt fassungslos sind über den Krieg. „Jeder und jede von uns hier ist persönlich und beruflich mit der Ukraine und Russland verbunden“, sagt Susanne Schattenberg, „wir erleben dramatische Zeiten.“ Es herrsche eine sehr bedrückte Stimmung am Institut. „In unseren Gedanken sind alle hier bei ihren Angehörigen, Kolleginnen und Freund:innen in der Ukraine und Russland. Wir helfen wie wir nur können.“

Portrait Susanne Schattenberg
Ein Foto aus unbeschwerteren Zeiten: Professorin Susanne Schattenberg, seit 2008 Leiterin der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Die Statue links im Bild stammt von dem Künstler Vadim Sidur, der in der Ukraine im heutigen Dnipro geboren wurde. Sie ist ein Modell der größeren Skulptur „Den Opfern der Gewalt“, die seit der documenta 1974 in Kassel steht.
© Matej Meza / Universität Bremen

Die FSO ruft zurzeit zu Spenden auf und vergibt kurzfristig und unbürokratisch Hans-Koschnik-Stipendien für Geflüchtete. „Wir haben hier schon sehr viele Anfragen erhalten – vor allem von Menschen aus Russland, die wegwollen. Wir wissen auch von Studierenden und Journalisten, die bereits verhaftet wurden“, so die Leiterin der FSO.

Weltweit größtes Samisdat-Archiv

Gegründet wurde die FSO 1982 zu einem ähnlich brisanten Zeitpunkt: 1982 herrschte Kalter Krieg in Europa, als der damalige Wissenschaftler Wolfgang Eichwede die Forschungseinrichtung an der Universität Bremen gründete. In den ersten drei Jahren unterstützte die VolkswagenStiftung neben dem Land Bremen den Start. Danach übernahm die Kultusministerkonferenz die Finanzierung mit dem Bundesland. Nach dem Fall der Mauer widmete sich die FSO dem Transformationsprozess der ehemaligen Ostblockländer. Heute versteht sich die FSO als ein Ort, an dem der Ostblock und seine Gesellschaften mit ihrer spezifischen Kultur aufgearbeitet sowie aktuelle Entwicklungen in der post-sowjetischen Region analysiert werden.

Die Forschungseinrichtung verfügt über ein beeindruckendes Archiv. So liegen dort über 100.000 Originalschriften, Fotos, Kunstwerken des Samisdat – also der Untergrundliteratur der damaligen Ostblockstaaten. „Wir sind weltweit mittlerweile das größte Samisdat-Archiv“, sagt Susanne Schattenberg. Hinzu kommen 750 persönliche Archive. Darunter befinden sich Autoren wie die russischen Schriftsteller Lew Kopelew und Jurij Trifonov. Auch skurrile Dokumente findet man dort, wie etwa Schallplatten von Leonid Breschnew, auf denen er seine Reden aufgenommen hatte.

„Wir haben Anfragen von Studierenden und Journalisten aus Russland erhalten, die bereits verhaftet wurden.“ FSO-Leiterin Susanne Schattenberg

Forschung zukünftig ungewiss

„Wir können uns zurzeit noch gar nicht ausmalen, was dieser Krieg für unsere künftige Forschung bedeutet“, sagt Susanne Schattenberg. Beispiel Russland: Noch ist nicht klar, wie die Kooperationen zukünftig weitergehen können. „Reisen dorthin sind auf ungewisse Zeit nicht möglich.“ Doktorand:innen, die zwei Jahre wegen Corona auf ihren Forschungsaufenthalt gewartet haben und jetzt loswollten, müssten ihr Projekt komplett ändern. Aber das wichtigste sei jetzt erstmal, Schutzbedürftigen einen sicheren Hafen zu geben. Denn dafür steht die Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen seit ihrer Gründung.

Krieg in der Ukraine: So kannst Du helfen

Die Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen möchte geflüchteten Wissenschaftler:innen aus der Ukraine, aber auch bedrohten Kolleg:innen in Russland helfen, nach Bremen zu kommen, und vergibt dafür kurzfristig und unbürokratisch Hans-Koschnick-Stipendien.

Wir bitten um Mithilfe und Spenden, um die Geflüchteten nach Bremen holen zu können.

Spenden kannst Du an unseren Förderverein unter dem Stichwort: „geflüchtete WissenschaftlerInnen“:

IBAN: DE12 8306 5408 0004 8513 82

BIC: GENODEF1SLR

Deutsche Skatbank

Wir stellen Dir gerne eine Spendenbescheinigung aus. Bitte schreibe hierzu eine kurze Email mit Namen und Adresse an: fsov@uni-bremen.de. Vielen Dank!

Webseite der Forschungsstelle Osteuropa

Auch die Universität Bremen unterstützt vom Krieg in der Ukraine betroffene Studierende und Wissenschaftler:innen. Hier erfährst du mehr.

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