
© Matej Meza
Promovieren mit dem Win-win-Effekt
Wie das Graduate School Scholarship Programme des DAAD internationalen Austausch in der Wissenschaft ermöglicht
Ein Stipendium über bis zu vier Jahre, Zuschüsse für Reisen und Versicherungen sowie Hilfe beim Ankommen in Deutschland – das Graduate School Scholarship Programme (GSSP) des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) bietet in vielen Bereichen Unterstützung. Acht junge Promovierende aus aller Welt arbeiten im Rahmen dieses Programms aktuell an der Universität Bremen. Doch nicht nur sie, auch die deutschen Forschenden profitieren.
Wenn Darsana Varier anderen von ihrem Forschungsthema erzählt, merkt sie immer wieder, dass sie damit auf offene Ohren stößt. Ihr Thema: antifeministische Bewegungen in Indien und deren Widerstand gegen Initiativen, die Vergewaltigungen in der Ehe unter Strafe stellen möchten. Zwar ist dies in allen europäischen Ländern bereits erreicht worden, aber antifeministische Bewegungen erstarken auch hier. Doch inwiefern ähneln sie denen in Indien, inwiefern unterscheiden sie sich? „Genau solche Vergleiche möchte ich mit meiner Forschung anregen“, sagt die indische Doktorandin, die seit September 2024 an der Universität Bremen arbeitet.
Dieser internationale Austausch ist eines der Ziele des Graduate School Scholarship Programme des DAAD. Es fördert strukturierte Promotionsprogramme von Graduiertenschulen wie der Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS), die von der Universität Bremen und der Constructor University betrieben wird. Auf die Förderung bewerben sich zuerst die Graduiertenschulen selbst. Wenn sie erfolgreich sind, können sie bis zu vier Stellen für Promovierende ausschreiben, die vom DAAD finanziert werden. Dreimal in Folge ist dies der BIGSSS bereits gelungen. Die Promovierenden erhalten für bis zu vier Jahre ein monatliches Stipendium sowie Zuschüsse und organisatorische Unterstützung beim Abschluss von Versicherungen. Auch Vernetzungstreffen für die Promovierenden bietet der DAAD an.
Antifeministische Bewegungen: ein Thema, viele Berührungspunkte
Am Anfang ihrer Forschungsarbeit interessiert Darsana Varier vor allem die Frage, warum Antifeminismus in so vielen Kontexten außerhalb des Westens auftritt. „Indien ist immer noch sehr stark patriarchal geprägt“, erläutert sie. „Warum fühlen sich dennoch einige Männer anscheinend so bedroht, dass sie eigene Organisationen gründen, um ihre Rechte zu verteidigen? Wen möchten sie konkret ansprechen und mit welchen Mitteln möchten sie ihre Ziele erreichen?“ Um diese Fragen zu beantworten, untersucht sie die „Save Indian Family Foundation“ – eine antifeministische Organisation, die nach eigenen Angaben 100.000 Mitglieder hat und in Indien sowohl auf Bundesebene als auch auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten organisiert ist. Die Doktorandin analysiert zum einen schriftliche Quellen, etwa den Websitenauftritt der Organisation und Reden ihrer Mitglieder. Zum anderen wird sie Interviews mit Mitgliedern führen.
„In der Soziologie werden solche Organisationen oft als Randbewegungen bezeichnet“, sagt Darsana Varier. Hinter einer solchen Sichtweise stehe meist ein Fortschrittsdenken, das Frauenrechte weltweit auf dem Vormarsch sieht. Tatsächlich beobachtet die Doktorandin aber gegenteilige Entwicklungen in vielen Ländern. Ihre Arbeit hat sie daher als Fallstudie konzipiert, die Vergleiche mit Situationen in anderen Ländern ermöglichen soll.
Promovieren an der BIGSSS: internationales Umfeld, strukturierte Arbeitsbedingungen
Das dem Vergleich zugrundeliegende Konzept für ihre Promotion hat Darsana Varier in Bremen entwickelt. „Hier in Deutschland und speziell in Bremen ist die sozialwissenschaftliche Forschung sehr methodenorientiert, das hat mir geholfen“, sagt sie. Überhaupt gefällt ihr das strukturierte Arbeiten in einer Graduiertenschule wie der BIGSSS. Gemeinsam mit den anderen Promovierenden besucht sie Seminare zu Methoden und Theorien, arbeitet anschließend selbstständig an ihrer Doktorarbeit und stellt Zwischenschritte regelmäßig den anderen vor. „Man kann sich bei einer Promotion sehr schnell einsam fühlen, noch dazu, wenn man aus dem Ausland kommt und hier erst einmal Anschluss finden muss“, erläutert sie. Dagegen hilft ihr das Programm der BIGSSS.
Neben Darsana Varier arbeiten aktuell im Rahmen des Graduate School Scholarship Programme sieben weitere Promovierende an der BIGSSS, dazu kommen 60 weitere Promotionsfellows aus anderen Programmen. Zwei zusätzliche GSSP-Stellen werden gerade besetzt. Dr. Christian Peters , Geschäftsführer der BIGSSS, erklärt sich diesen Erfolg unter anderem durch die grundlegende internationale Ausrichtung der Graduiertenschule: Englisch ist hier Arbeitssprache, etwa die Hälfte der Promovierenden kommt aus dem Ausland. „Wir achten außerdem auf eine optimale inhaltliche Übereinstimmung zwischen den Promovierenden und Promotionsbetreuenden und möglichst viel Austausch“, sagt er.
Internationale Perspektiven in der Forschung sichtbarer machen
Was es bedeutet, wenn junge Forschende aus dem globalen Süden in westlichen Ländern promovieren, damit hat sich Christian Peters auch in seiner eigenen Forschung beschäftigt. Zusammen mit einer Gruppe internationaler Bildungsforschenden hat er in einem vielbeachteten Aufsatzband zu den globalen Dimensionen des Promovieren publiziert und dabei auch dessen Schattenseiten beleuchtet: Nicht nur erzeugt oder verstärkt die Abwanderung von hochqualifizierten Menschen oft einen Fachkräftemangel in ihren Heimatländern, gerade in kritischen gesellschaftlichen oder politischen Zusammenhängen. Auch sind westliche Wissenschaftsmethoden und -theorien nicht immer zu hundert Prozent auf gesellschaftliche Phänomene und Strukturen des globalen Südens abgestimmt. Es müsse ein mehr wechselseitiger Austausch möglich sein, der in den konkreten Fallstudien produktiver und offener mit Wissensressourcen und Denkansätzen aus den Heimatländern der Promovierenden umgehe, so Peters. Grenzübergreifende Forschung erfordere gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften eben auch ein hohes Maß an interkultureller Sensibilität. Mit dem DAAD-Programm möchte die BIGSSS hier ansetzen. Das fängt schon bei den Stellenausschreibungen an. Sie berücksichtigen ausdrücklich Forschungsthemen, die in Ländern des globalen Südens relevant sind oder zu produktiven Vergleichen anregen. Den Kontakt zu den internationalen Promovierenden nutzt die BIGSSS außerdem, um ihr internationales Netzwerk zu erweitern. So lädt sie Wissenschaftler:innen, die die Promovierenden aus ihren Heimatländern kennen, zu Vorträgen nach Bremen ein.
Gute Promotionsbedingungen, eine internationale Ausrichtung und engagierte Promovierende – sie alle gehören zum Erfolgsrezept des Graduate School Scholarship Programme an der BIGSSS. Christian Peters betont aber, dass auch noch an anderer Stelle die Weichen gestellt worden sind. Denn von 2007 bis 2019 ist die BIGSSS mit Mitteln der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern gefördert worden; anschließend wurde die Finanzierung aus Mittel der Universität Bremen und der Constructor University fortgesetzt. „Dass Graduiertenschulen nach Ende der Exzellenzförderung aktiv weiter betrieben wurden, dass – wenngleich unter eingeschränkten Bedingungen - an den großen Erfolgen festgehalten und innovative Ideen verstetigt wurden, war längst nicht an allen deutschen Hochschulen selbstverständlich“, betont Peters. Gleichzeitig weist er auf zusätzliche Betreuungsangebote der Universität wie BYRD, die Anlaufstelle für Promotionsinteressierte, Promovierende, Postdocs und erfahrene Forschende, hin. Es gebe hier viel Potenzial für Synergien in der Promotionsförderung. „Die Bereitschaft, gute Bedingungen für Nachwuchsforschende zu schaffen, ist in Bremen bei Universitätsleitung und -mitarbeitenden sehr groß“, resümiert er.