Prüfungen während der Pandemie
Wie können Prüfungen trotz Corona stattfinden?
Über ein Jahr Pandemie: Einiges hat sich eingespielt, anderes ist immer noch eine große Herausforderung. Besonders gegen Semesterende stellen sich Unis wieder einer besonderen Hürde: Wie können Prüfungen unter Bedingungen der Coronapandemie ablaufen? In einigen Ausnahmefällen konnten Präsenzprüfungen stattfinden, meist sind aber die Onlineprüfungsformate gefragt. Jens Bücking aus dem Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML), Professor Ivo Mossig und Student Sascha Hebenbrock der Universität Bremen erzählen von ihren Erfahrungen mit Prüfungen zu Coronazeiten.
„Wir haben schon Onlineprüfungen mit 400 Leuten gemacht und alles lief gut. Und in anderen digitalen Prüfungen läuft es dann nicht so glatt“, erzählt Jens Bücking vom ZMML. Im Bereich E-Assessment unterstützen er sowie seine Kolleginnen und Kollegen sowohl mediendidaktisch als auch technisch Lehrende bei der digitalen Umsetzung einer Prüfung. Eines dieser virtuellen Klausurformate ist die sogenannte Open-Book-Prüfung. Dabei nehmen die Studierenden zuhause digital an der Prüfung teil und müssen innerhalb eines bestimmten Zeitfensters Aufgaben lösen. Anders als bei der Präsenzklausur dürfen sie Hilfsmittel wie Lehrbücher und Informationen aus dem Internet verwenden, aber natürlich nicht untereinander kommunizieren.
Am Institut für Geographie hat Professor Ivo Mossig vor ein paar Wochen das erste Mal gemeinsam mit dem ZMML so eine Open-Book-Prüfung konzipiert. Sein Fazit fällt positiv aus: „Wir mussten an vielen Stellschrauben drehen, um das Wissen der Studierenden adäquat abzufragen. Es lief gut und der Notendurchschnitt ist nur unwesentlich besser“. Ein Punkt, auf den das Institut viel Wert bei der Organisation der Prüfung gelegt hat, war die Einbindung der Studierenden: „Wir haben die Rückmeldung bekommen, dass Studierende sich auf Onlineprüfungen gut einlassen können, wenn sie Planungssicherheit haben.“
Die Ansicht teilt auch Sascha Hebenbrock. Er studiert im zweiten Semester Wirtschaftsinformatik und hat im Wintersemester zwei Open-Book-Klausuren mitgeschrieben: „Die eine lief gut, da konnte ich mich ein paar Tage vorher mit der Plattform vertraut machen. Die andere war weniger gut organisiert, weil zu kurzfristig auf digital umgestellt wurde“.
Technik als Stolperstein
Technisch läuft aber auch mal was schief. Internetausfälle, automatische Updates der Computer oder Add-Ons im Browser, die das Prüfungssystem blockieren – das ZMML lernt stetig dazu. Bei Sascha Hebenbrock ging alles gut, aber er weiß von seinen Mitstudierenden: „Bei vielen sind Störungen aufgetreten, sodass sie sich neu einwählen mussten. Das kostet Zeit und stresst.“ Falls den Studierenden so etwas in der Prüfung passiert, können sie eine Bildschirmaufnahme machen und an das ZMML oder ihre Lehrenden senden. „Wir haben ein sehr gutes technisches Protokoll, in dem wir die meisten Fehler einsehen können, manches ist aber nicht mehr nachvollziehbar. Oftmals lautet dann das Motto: Im Zweifel für den ‚Angeklagten‘.“
„Rund 95 bis 98 Prozent der Open-Book-Prüfung laufen reibungslos über die Bühne“
Die Bilanz der aufwendigen Onlineklausur sieht laut Jens Bücking jedoch generell gut aus: „Rund 95 bis 98 Prozent der Open-Book-Prüfungen gehen reibungslos über die Bühne“. Der Workload ist jedoch nicht nur für Lehrende enorm, die ihre Prüfungen meist komplett umdenken müssen. Das Prüfungssystem für die Open-Book-Klausur sei zwar sehr gut und nutzerfreundlich, erklärt Jens Bücking. Jedoch sei der Editor zum Digitalisieren der Fragen schwieriger zu handhaben, weswegen das ZMML zurzeit noch die Klausurfragen für die Lehrenden einpflegt. Hinzu kommen Beratung, die Rückkopplung mit den Lehrenden, Testläufe und die Nachbereitung, wenn Probleme aufgetreten sind. „Mittlerweile haben wir eingespielte Arbeitsabläufe. Doch das von jetzt auf gleich auf die Beine zu stellen war ein großer Kraftakt.“
Schummeln auf anderen Wegen
Betrugsversuche bleiben auch bei Onlineprüfungen nicht aus. Es gäbe jedoch ein paar Kniffe, erzählt Jens Bücking: „Zum Beispiel kann man die Reihenfolge und die Auswahl der Fragen und Antworten variieren, damit die Studierende sich nicht zu einfach über die Lösung austauschen können.“
Auch um einen Leistungsausgleich zu schaffen, da die Studierenden während der Prüfung in ihren Büchern nachschlagen können, gibt es ein paar Wege. Professor Ivo Mossig setzte bei seiner Open-Book-Klausur auf eine kürzere Bearbeitungszeit als gewöhnlich: „Das Lernen ist trotzdem notwendig, denn lange in Lehrbüchern blättern, kostet Zeit“, erklärt Professor Ivo Mossig.
Auch Student Sascha Hebenbrock hat gemerkt, dass die Hilfsmittel ihm bei der knappen Zeit nicht viel bringen. Außerdem hat der Student die Erfahrung gemacht, dass die Aufgaben in der Open-Book-Klausur komplexer sind: „Ich finde, das Niveau der Online-Prüfungen muss gleichbleibend zu den Präsenzprüfungen bleiben, sonst haben vorherige Jahrgänge mehr Vorteile. Man kann die Studierenden ja nicht für die Pandemie bestrafen.“
„Das Lernen ist trotzdem notwendig, denn lange in Lehrbüchern blättern, kostet Zeit.“
Einen weiteren Fallstrick sieht der Geographieprofessor Ivo Mossig in der Wiederverwertung der Prüfungen für die nächsten Semester: „Fragen können von Studierenden abfotografiert, archiviert und weitergegeben werden – eine Onlineprüfung kann ich nicht nochmal verwenden. Das ist viel Zeit und Arbeit für nur eine Prüfung, und manche Fragestellungen kann ich nicht unendlich oft variieren.“
Präsenzprüfung in Ausnahmefällen
Digitalisieren lässt sich jedoch nicht jede Prüfung. „Nicht alle Lehrenden können in ihrem Bereich Transferleistungen prüfen oder nur erschwert, weil die Kenntnis von Grundlagen eben auch wichtig ist“, erklärt Jens Bücking. Deswegen waren im Wintersemester Präsenzprüfungen an der Uni in Ausnahmefällen erlaubt. Im Testcenter der Uni fanden so einige wenige Prüfungen mit umfangreichem Hygienekonzept statt: Einbahnstraße bei Ein- und Ausgängen, Lüftungsanlage, Desinfektion der Flächen und Eingabegeräte, Abstandregelungen und natürlich Maskenpflicht.
Ob Onlineprüfungen die Präsenzprüfungen irgendwann verdrängen könnten? Student Sascha Hebenbrock sieht besonders ein Problem in der Beständigkeit der Internetverbindung: „Bei mir ist das Internet fast jeden Tag für ein paar Minuten weg. Wenn das zum Nachteil in einer Onlineprüfung wird, dann schreibe ich sie doch lieber in Präsenz.“ Professor Ivo Mossig ist sich auch sicher: Präsenzklausuren werden immer die erste Wahl sein – sofern pandemiebedingt möglich. „Es haben sich aber Möglichkeiten ergeben und Wege wurden bereitet, mehr digital zu machen. Das ist eine Chance, die wir weiter nutzen sollten – vielleicht in anderen Bereichen mehr als im Prüfungswesen.“