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Von Microdegrees und Megaideen
Das Projekt nuts@ub möchte die Lehre an der Universität Bremen grundlegend erneuern: mit flexibleren Studiengängen, Microdegrees und mehr Freiräumen für Lehrende
Zu Beginn eine Frage an alle aktuellen oder ehemaligen Studierenden: Wie seid ihr auf eure Studienfächer gekommen? Ein Aspekt dürfte in vielen Antworten vorkommen: Sinn. Sie treibt den Lehramtsstudenten, der Kindern nachhaltiges Handeln vermitteln will, genauso an wie die Meeresbiologin, die die Auswirkungen des Klimawandels im Meer untersucht. Im besten Fall befähigt das Studium dazu, interdisziplinär zu denken und Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Genau dieses Ziel verfolgt auch das Projekt „nuts@UB. Nachhaltiges und transdisziplinäres Studium an der Universität Bremen“.
Seit diesem Oktober wird das Projekt für mindestens vier Jahre von der Stiftung für Innnovation in der Hochschullehre gefördert. 4,6 Millionen Euro bekommt die Universität Bremen dafür. Aber was passiert mit dem Geld genau? „Wir möchten Studiengänge flexibler machen, das Angebot an Microdegrees standardisieren und ausbauen und bessere Bedingungen für Lehrende schaffen“, sagt Professorin Maren Petersen, Konrektorin für Lehre und Studium der Universität Bremen.
Elektrotechnik oder doch Physik? Antworten finden in einer flexiblen Studieneingangsphase
Am Anfang jedes Studiums steht eine Entscheidung: Möchte ich Physik studieren oder doch lieber Elektrotechnik, Germanistik oder doch lieber Kulturwissenschaft? „Oft liegen erst einmal Fächer nahe, die man aus der Schule kennt – also beispielsweise Biologie, Physik oder Geschichte“, sagt Stefanie Grote. Sie ist Leiterin des Referats Lehre und Studium im Dezernat Akademische Angelegenheiten und hat mit ihrem Team den Antrag geschrieben. „Aber so übersieht man vielleicht Fächer, die genauso gut oder noch besser passen würden, wie beispielsweise Kulturwissenschaft oder Elektrotechnik.“
Und es gibt noch eine andere Erwartung, die viele Studieninteressierte an ihr Studium stellen: ein Thema unter möglichst vielen Perspektiven zu untersuchen. Das erklärt den Erfolg von interdisziplinären Studiengängen wie „Natural Sciences for Sustainability“, in dem es um Nachhaltigkeit aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Perspektiven geht.
Beides – Orientierung und Interdisziplinarität – möchten die Projektverantwortlichen stärken. Zum einen mit einer flexiblen Studieneingangsphase: Hier entscheidet man sich im ersten Semester nur für eine grobe Richtung, etwa Geistes- oder Naturwissenschaften, und hat dann Zeit, verschiedene Fächer auszuprobieren und den passenden Studiengang zu finden.
Darüber hinaus möchte das Projektteam Wissenschaftler:innen dabei unterstützen, neue Studiengänge aufzubauen oder schon bestehende zu überarbeiten. Wen soll ein Studiengang eigentlich ansprechen? Welche Kompetenzen sollten die Studierenden nach dem Studium haben? Wie sollen die einzelnen Studienmodule und die Studienordnung aussehen? „All das erarbeiten die Wissenschaftler:innen in sogenannten Curriculumswerkstätten, dem Herzstück von nuts@ub“, sagt Maren Petersen. Das Ziel: Die Studiengänge sollen gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und sowohl inhaltlich als auch methodisch attraktiv für Studieninteressierte sein.
Mit Mikrozertifikaten ein eigenes Studienprofil entwickeln
Wenn erst einmal der passende Studiengang gewählt ist, sind viele Weichen schon gestellt, mit verpflichtenden Vorlesungen, Seminaren und Übungen. „Dennoch können Studierende auch in dieser Phase Schwerpunkte setzen und so ein persönliches Profil entwickeln“, sagt Stefanie Grote. Im Projekt möchte sie dafür einen Rahmen schaffen – mit Microdegrees.
Die Idee dahinter: In Pflicht- oder Wahlveranstaltungen sowie in General Studies belegen Studierende mehrere Module zu einem bestimmten Thema. Das könnten beispielsweise aufeinander folgende Sprachkurse oder mehrere Veranstaltungen zum Thema „Nachhaltigkeit“ sein. Für dieses Bündel an Kursen erhält man dann ein Zertifikat, das die besondere Spezialisierung in dem Bereich betont.
Im Projekt sollen Richtlinien entstehen, wer solche Zertifikate verleihen kann und welchen Umfang sie haben sollen. „Es soll für alle – die Universität, die Studierenden und mögliche Arbeitgeber:innen – klar sein, was sich hinter einem Zertifikat verbirgt. Erst so bekommt es seinen Wert“, sagt Maren Petersen.
Freiräume für die Lehre schaffen
Neue Studiengänge entwickeln, bestehende Studiengänge überarbeiten, Microdegrees konzipieren oder an der eigenen Lehre feilen – all das kostet Zeit. Zeit, die im Alltag von Wissenschaftler:innen häufig fehlt, denn das deutsche Wissenschaftssystem honoriert Forschung meistens mehr als Lehre. Deshalb möchte das Projekt Wissenschaftler:innen mehr Zeit und Freiheit in der Lehre geben, zum Beispiel, indem sie zwischenzeitlich weniger Vorlesungen und Seminare halten. „Das klingt zuerst paradox, ist aber nötig, wenn zum Beispiel ein neuer Studiengang erarbeitet werden soll. Dafür reicht im Alltag schlicht die Zeit nicht“, sagt Stefanie Grote. Auch die Zusammenarbeit von Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Fachrichtungen soll stärker honoriert werden. „Insgesamt geht es darum, die Lehre und das Engagement der Forschenden sichtbarer zu machen und zu fördern“, resümiert Maren Petersen. „Ohne Lehre würde es keine Universität geben. Sie leistet einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Und das wollen wir stärker honorieren.“