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„Wir versuchen, wie ein Fels in der Brandung zu stehen“

Was tut die Universität Bremen gegen Diskriminierung, Rassismus und Sexismus? Konrektorin Dr. Mandy Boehnke gibt im Interview Antworten

Forschung / Uni & Gesellschaft / Zusammenhalt

Internationalität, wissenschaftliche Qualifizierung und Diversität sind die Themen, die Dr. Mandy Boehnke als Konrektorin der Universität Bremen beschäftigen. Ihr Ziel: Die Universität als diskriminierungssensiblen Ort weiter zu stärken – trotz der aktuell angespannten weltpolitischen Lage, die ausgerechnet Prinzipien wie Diversität zunehmend in Frage stellt.

Frau Boehnke, inwiefern ist Ihnen der Themenkomplex Diskriminierung, Rassismus und Sexismus bisher begegnet?

Als Soziologin bin ich mit diesen Themen seit vielen Jahren vertraut. Wobei wir in den Sozialwissenschaften eher von Ungleichheiten sprechen. Wir beobachten etwas, beispielsweise den Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, und suchen nach Erklärungsfaktoren wie Berufswahl, Erwerbsauszeiten und so weiter. In meiner Rolle als Konrektorin habe ich eine andere Aufgabe, hier geht es darum, hochschulpolitische Strategien zu entwickeln, abzustimmen und zu implementieren. Im Leitbild der Universität Bremen verpflichten wir uns dazu, „an verlässlichen Strukturen, Praktiken und Haltungen [zu arbeiten], die Diversität fördern und antidiskriminierend sind“. Um das umzusetzen, arbeite ich mit den verschiedenen Akteur:innen in der Universität zusammen.

Warum sind diese Themen für Hochschulen wichtig?

Zunächst einmal ist das Wissenschafts- und Bildungssystem Teil der Gesellschaft. Das bedeutet, dass Probleme, die in der Gesellschaft auftreten, generell auch in Hochschulen zu beobachten sind. Verstärkend kommt hinzu, dass es im Universitätsbetrieb teils starke Abhängigkeiten gibt, beispielsweise in der wissenschaftlichen Qualifizierungsphase. Hochschullehrende in Deutschland sind häufig in mehreren Funktionen aktiv: als Vorgesetze, Betreuende und Begutachtende von Promotionen – alles in einer Person. In den letzten Jahren wurde das Thema Machtmissbrauch in diesem Zusammenhang häufig diskutiert und auch die Mitglieder der Hochschulrektorenkonferenz haben das Thema im vergangenen Jahr erneut behandelt. Hochschulen sind aufgerufen, sich mit dem Thema kritisch auseinanderzusetzen, niedrigschwellige Beratungsangebote zu schaffen und möglichen Vorfällen konsequent nachzugehen. Hier sind wir in Bremen auf einem guten Weg.

Hände, an denen aufgezählt wird
An der Universität Bremen gibt es diverse Unterstützungs- und Beratungsangebote zu den Themen Diskriminierung, Rassismus und Sexismus.
© Annemarie Popp / Universität Bremen

Was wird denn konkret getan, um Probleme wie Diskriminierung, Rassismus und Sexismus an der Uni Bremen einzudämmen?

Unsere Universität war eine der ersten, die diese Themen ernst genommen und institutionalisiert hat. Schon Anfang der 90er Jahre wurde beispielsweise die ADE (Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt) eingerichtet. Das ist unsere Fach- und Beratungsstelle, die zum Umgang mit Diskriminierungen, Konflikten und Gewalt berät. Ich werde immer wieder von Vertreter:innen anderer Hochschulen angesprochen, die die Universität Bremen hier als Vorreiterin wahrnehmen. Zudem organisiert das Referat Chancengleichheit und Antidiskriminierung regelmäßig Veranstaltungen auf dem Campus, um auf die Thematiken aufmerksam zu machen – wie etwa unseren Antidiskriminierungstag im Frühjahr 2024. Das war ein voller Erfolg und besonders gefreut hat mich die große studentische Beteiligung. Aktuell läuft die Veranstaltungsreihe Unlearn the Ivory Tower - Decolonizing Minds, Challenging Racism and Sexism in Academia“, die sich insbesondere an Frauen, trans-, inter- und nicht-binäre Forscher:innen sowie an Personen im Wissenschaftsmanagement richtet. Das Ziel: einen Raum für die Diskussion der Themen zu bieten und das Bewusstsein zu schärfen.

Diese Veranstaltungen erreichen in der Regel vor allem Menschen, die sowieso schon eine gewisse Sensibilisierung für die Thematik mitbringen. Was tun sie denn für die Personen, die sich von diesen Veranstaltungen nicht angesprochen fühlen?

Der Akademische Senat hat im vergangenen Jahr auf unsere Initiative eine Antidiskriminierungssatzung verabschiedet. Die Satzung und die ergänzende Broschüre liefern Informationen und Hilfestellung im Umgang mit und zum Schutz vor Diskriminierung. Beispielsweise können Uniangehörige sich dort informieren, was von ihnen genau erwartet wird, wenn ihnen jemand von einer Diskriminierungserfahrung berichtet. Dabei geht es auch um Rollenklärung: Bin ich jetzt gerade eine Zuhörerin, die vertraulich berät? Oder bin ich Vorgesetzte, die verpflichtet ist, zu handeln? Das legt die Satzung klar und verständlich dar. Sie verfolgt aber noch ein anderes Ziel: Die Strukturen, die wir an der Universität haben, besser sichtbar zu machen. Für alle. Ein weiteres Beispiel sind geplante Präventionsmaßnahmen, etwa Veranstaltungen, Kurse und Workshops für Uniangehörige, inklusive Führungspersonen und Lehrende, die auch über die Personalentwicklung oder BYRD, unserem Zentrum für Promovierende und Promotionsinteressierte, angeboten werden sollen.

Wie sieht Ihre Vision für die Universität Bremen im Jahr 2030 aus?

Das ist im Moment nicht so einfach zu beantworten. Wir befinden uns weltpolitisch gerade in einer Umbruchphase. Wir sehen sehr deutlich, wie die Themen Diversität und Internationalisierung eingeschränkt beziehungsweise zurückgefahren werden. Zum Beispiel: In den USA werden Diversitätsprogramme eingestampft, in den Niederlanden Gelder für Internationalisierungsprogramme gestrichen. Diese Entwicklungen können auch wir nicht ausblenden und es ist wichtig, gerade jetzt diese Felder zu stärken, auch im Zusammenschluss mit unseren europäischen Partner:innen. Bremen hat sich bereits vor einem Jahr klar zu Demokratie, Vielfalt, und Weltoffenheit bekannt. Wir stehen zu unseren Werten und werden versuchen, stabil zu bleiben und wie ein Fels in der Brandung zu stehen.

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