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Bessere Gesundheitsversorgung dank KI

Künstliche Intelligenz soll Mediziner:innen helfen, die Informationsflut handhabbar zu machen.

Forschung / KI

Die Komplexität in der Medizin nimmt ständig zu, nicht zuletzt aufgrund neuer Technologien. Die Künstliche Intelligenz (KI, englisch AI) soll Ärztinnen und Ärzten helfen, die Informationsflut handhabbar zu machen und die bestmögliche Entscheidung für ihre Patient:innen zu treffen. Mit dem kürzlich gegründeten „AI Center for Health Care“ fördert das Land Bremen über die U Bremen Research Alliance die institutsübergreifende Zusammenarbeit an diesem Zukunftsthema – und stärkt die Gesundheitsforschung in Bremen.

Rund 1,8 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer Demenzerkrankung. Und ihre Zahl wird noch wachsen, so viel ist gewiss. Dafür sorgen der demografische Wandel und die steigende Lebenserwartung. Bislang wird zur Diagnose etwa die Magnetresonanztomografie (MRT) eingesetzt, doch das Verfahren hat seine Schwächen. Was wäre also, wenn eine sich abzeichnende Erkrankung kostengünstiger, niedrigschwelliger und nicht minder präzise vorhersagbar wäre, nämlich durch Sprachanalyse? „Sie eignet sich zur Früherkennung ebenso wie das MRT“, sagt Dr.-Ing. Tanja Schultz, Professorin für Kognitive Systeme an der Universität Bremen. „Wir wollen möglichst früh bestimmen können, ob eine Person an Demenz erkranken wird. Dazu kombinieren wir beide Verfahren, MRT und Sprachanalyse. So können Therapien frühzeitig eingeleitet und vorhandene Fähigkeiten länger erhalten werden.“

“Alle Projekte zielen darauf ab, einen Mehrwert für die Gesundheitsversorgung zu liefern.“

„Multimodale Datenfusion zur frühzeitigen Erkennung von Demenz“ lautet der Titel des Forschungsprojekts. Es ist eines von neun Vorhaben, die im Rahmen des AI Centers for Health Care gefördert werden. Alle Projekte haben mehrere Dinge gemeinsam: Sie bewegen sich an der Schnittstelle von KI und Gesundheitsforschung, sind unter Beteiligung von mindestens zwei Einrichtungen der U Bremen Research Alliance interdisziplinär aufgebaut und dienen der Förderung von Promovierenden.

Dr.-Ing. Tanja Schultz
Lobt die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Bremen: Prof. Dr.-Ing. Tanja Schultz, Sprecherin des Wissenschaftsschwerpunktes Minds, Media, Machines und Professorin für Kognitive Systeme an der Universität Bremen.
© Jens Lehmkühler

„Alle Projekte zielen somit darauf ab, einen Mehrwert für die Gesundheitsversorgung zu liefern“, sagt Prof. Dr.-Ing. Horst Hahn, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medizin MEVIS, der wie Prof. Dr.-Ing. Tanja Schultz für das Leitprojekt Künstliche Intelligenz der U Bremen Research Alliance spricht. Das Werkzeug dafür ist die KI, hier verstanden als eine Software, die eigenständig aus den ihr vorliegenden Daten lernt und in der Lage ist, Muster zu erkennen und Handlungsempfehlungen aus ihnen abzuleiten.

„Das medizinische Wissen wächst derart rasant, dass die einzelnen Ärztinnen oder Ärzte gar nicht mehr hinterherkommen“, erläutert Hahn. So sind inzwischen etwa 400 verschiedene Arten von Lungenkrebserkrankungen bekannt. Die KI hilft, die Unmengen an Daten zu sortieren und handhabbar zu machen, ihnen einen Sinn zu geben und somit die Diagnostik und die ärztliche Entscheidungsfindung zu unterstützen. Im besten Fall kann sie zur Prävention, zum Erkennen von Krankheiten, zur besseren Behandlung und zur Entlastung des medizinischen Personals beitragen. „Die Gesundheitsversorgung hat für derartige Lösungen einen immensen Bedarf“, betont Hahn.

Prof. Dr.-Ing. Horst Hahn
Schätzt das kollegiale Miteinander in der Hansestadt: Prof. Dr.-Ing. Horst Hahn, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medizin MEVIS und Professor für Digitale Medizin an der Universität Bremen.
© Jens Lehmkühler

Bremen hatte schon vor der Gründung des AI Centers for Health Care auf den Gebieten KI und Gesundheitsforschung viel zu bieten. „Eine der Stärken des Standortes ist die sehr ausgeprägte Forschungslandschaft um die Universität herum. Wir betreiben hier Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung mit ganz unterschiedlichen fachlichen Expertisen“, sagt Schultz. „Selbst international brauchen wir uns nicht zu verstecken.“

“In der Kategorie ,Value for Euro‘ ist Bremen wahrscheinlich Bundesspitze.“

Diese interdisziplinäre Herangehensweise war für die Wissenschaftlerin 2015 einer der Gründe, um von Süddeutschland an die Weser zu wechseln. „An den Hochschulen, die ich kenne, wird Interdisziplinarität nirgendwo mit so viel Begeisterung und Elan gelebt wie in Bremen“, sagt sie. „Im Rahmen des Schwerpunktes ‚Minds, Media, Maschines‘ arbeiten Bremer Forscher:innen aus zahlreichen Disziplinen seit vielen Jahren zusammen. Dazu gehören neben einer breit gefächerten Informatik zum Beispiel die Ingenieurwissenschaften, die Human- und Gesundheitswissenschaften, die Medien- und Kommunikationswissenschaften, die Neurowissenschaften und die Psychologie. Das ist aus meiner Sicht ziemlich einzigartig“, betont Schultz. Was Bremen auszeichnet, ergänzt Hahn, sei das kollegiale Miteinander und die Fähigkeit, aus begrenzten Mitteln viel zu machen: „In der Kategorie ‚Value for Euro‘ ist Bremen wahrscheinlich Bundesspitze.“

Das 2021 gestartete AI Center for Health Care, das vom Bundesland Bremen mit rund sechs Millionen Euro gefördert wird, stärkt den Standort nochmals.

Gruppenfoto der Forschenden des Projekts zur KI-gestützten intelligenten Magnetresonanztomografie.
Die bestmögliche Bildgebung – das ist das Ziel des Projekts zur KI-gestützten intelligenten Magnetresonanztomografie.
© Jens Lehmkühler

Derzeit sind sieben Einrichtungen der U Bremen Research Alliance an den Projekten des Centers beteiligt: Neben der Universität Bremen und dem Fraunhofer MEVIS sind dies das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien – IWT, das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung – AWI sowie das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM.

An diesen Institutionen werden auch die zahlreichen Promovierenden betreut, für die durch die Förderung neue Stellen geschaffen worden sind. Die Wissenschaftler:innen, die zumeist aus der Informatik, der Physik oder den Ingenieurwissenschaften stammen, treffen sich regelmäßig zum Austausch. So kamen alle Beteiligten kürzlich zu einem zweitägigen Retreat zusammen. Dabei ging es nicht nur um wissenschaftliche Fragen, sondern auch um ganz praktische, für den Erfolg einer Promotion nicht unerhebliche Aspekte wie Selbstorganisation, Stärkung der Resilienz und den Umgang mit Rückschlägen. „Die Promovierenden sind nicht alleine mit ihrem Projekt, sie sind verzahnt“, erklärt Hahn. „Wir erreichen damit eines unserer Hauptziele: eine stärkere Vernetzung zwischen den Akteur:innen.“ An jedem Projekt arbeiten immer mindestens zwei Mitgliedsinstitutionen der U Bremen Research Alliance eng zusammen.

Die Vielfalt der Kompetenzen schlägt sich auch in den neun Forschungsvorhaben nieder. Bei ihnen geht es zum einen um Materialforschung, etwa die Entwicklung antibakterieller Oberflächen oder um neue Systeme für Operationssäle. Und zum anderen um den Erkenntnisgewinn aus Daten, zum Beispiel aus der NAKO-Gesundheitsstudie, bei der 200.000 Menschen bundesweit medizinisch untersucht wurden, davon 30.000 mit einen Ganzkörperbildgebungsverfahren. Von dieser Datensammlung profitiert auch das Projekt zur Früherkennung von Demenz.

Projekt PORTAL
Bild 1/4 Einen Fertigungsprozess zu entwickeln für den passgenauen Einsatz von Endoprothesen – darum geht es unter anderem in einem der geförderten Projekte.
© Projekt PORTAL
Projekt AI Surgery Tracking
Bild 2/4 Die KI soll helfen, die chirurgische Versorgung durch anwenderfreundliche Unterstützungssysteme zu verbessern.
© Projekt AI Surgery Tracking
Projekt IDEAL
Bild 3/4 „Ideal“ heißt dieses Vorhaben, das mit digitalen Verfahren die Auswertung und Umsetzung von klinischen Studien vereinfachen will.
© Projekt IDEAL
Projekt KIKI
Bild 4/4 Können Strukturen von Kieselalgen mithilfe von KI die Fertigung von Endoprothesen verbessern? Das erforscht das Projekt KIKI.
© Projekt KIKI

“Die KI-Forschung in Bremen und mit ihr das AI Center for Health Care sind ein Leuchtturm.“

Die Arbeit mit und an der KI ist bei alldem längst nicht auf die Wissenschaft begrenzt. Als Teil des AI Centers for Health Care sind zudem zwei Koordinierungsstellen geschaffen worden, deren Aufgabe unter anderem in der Vernetzung mit anderen KI-Akteur:innen aus Wirtschaft und Politik in Bremen besteht. Ein Resultat und Treiber dieser zunehmenden Vernetzung war die Konferenz „AI in Health“, im Herbst vergangenen Jahres, auf der über Chancen und neueste Entwicklungen in der KI diskutiert wurde. „Wir haben vor Ort ganz viel Potenzial im Bereich der KI“, sagt Prof. Dr.-Ing. Tanja Schultz. Sonst hätte es wohl auch nicht mit der Bewerbung für die Ausrichtung der „International Joint Conference on Artificial Intelligence“ (IJCAI) im Jahr 2026 geklappt, dem größten internationalen Treffen von KI-Forschenden weltweit mit mehreren Tausend Teilnehmenden (siehe Kasten „Welttreffen der KI-Forschenden“). „Sie ist eine wunderbare Möglichkeit, die Sichtbarkeit Bremens auf der Weltkarte der KI zu erhöhen.“

Die Konferenz passt sehr gut in die Strategie des Landes, die KI als standortdefinierendes Thema weiterzuentwickeln. In zwei Richtungen wird dabei derzeit gedacht: zum einen über die Gesundheitsvorsorge hinaus neue Themen zu erschließen und zum anderen an die Weiterentwicklung der KI selbst mit nicht nur reaktiven Fähigkeiten, sondern einer immer besseren, eigenständigen Anpassung an ihre Umgebung, insbesondere für die Zusammenarbeit mit Menschen. „Die KI-Forschung in Bremen und mit ihr das AI Center for Health Care sind ein Leuchtturm“, sagt Hahn. „Wir möchten gerne weitere bauen.“

www.bremen-research.de/aktivitaeten/kuenstliche-intelligenz

Welttreffen der KI-Forschenden in Bremen

Erstmals seit 43 Jahren wird Deutschland 2026 wieder Gastgeber der international renommiertesten Konferenz im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sein. Mehrere Tausend Wissenschaftler:innen werden zur „International Joint Conference on Artificial Intelligence“ (IJCAI) in Bremen erwartet, die zusammen mit der „Europe- an Conference on Artificial Intelligence“ (ECAI) stattfinden wird. Mit der erfolgreichen Bewerbung durch die U Bremen Research Alliance und den Fachbereich Künstliche Intelligenz der Gesellschaft für Informatik unterstreicht Bremen seinen Ruf als führender Konferenz- und Wissenschaftsstandort für Informatik und KI. Als Local Chairs für das internationale Treffen der KI-Forschenden werden Prof. Dr. Tanja Schultz von der Universität Bremen und Prof. Dr. Frank Kirchner vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) dabei sein. Beide vertreten die KI in der U Bremen Research Alliance.

www.ijcai.org

www.eurai.org/ecai

Der Artikel stammt aus Impact - Dem Wissenschafts-Magazin der U Bremen Research Alliance

In der U Bremen Research Alliance kooperieren die Universität Bremen und zwölf Institute der bundländerfinanzierten außeruniversitären Forschung. Die Zusammenarbeit erstreckt sich über vier Wissenschaftsschwerpunkte und somit „Von der Tiefsee bis ins Weltall“. Das Wissenschafts-Magazin Impact gibt zweimal im Jahr spannende Einblicke in das Wirken der kooperativen Forschung in Bremen.

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