BreGoS Reallabore: Der Campus als Forschungsobjekt für Nachhaltigkeit
Reallabore sind der Beitrag der Uni Bremen zum Verbundprojekt BreGoS – Bremen goes Sustainable.
Was ist ein Reallabor? Was wird da gemacht und wer kann sich wie einbringen? up2date. hat Prof. Dr. Marko Rohlfs und die Ökologie-Studentin Lorena Kalvelage interviewt, die anhand von Beispielen aus dem Reallabor Campus goes Biodiverse das Konzept erläutern.
In dem vom Bildungsministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt BreGoS – Bremen goes Sustainable – vernetzen sich alle vier Hochschulen Bremens, um in den Forschungsfeldern Biodiversität, Klimaschutz, Mobilität und Ressourcenschonung an ihren Standorten Beiträge zu entwickeln, messbar umzusetzen und zu institutionalisieren. Die Beiträge der einzelnen Hochschulen können als Modellprojekte für Nachhaltigkeitsmaßnahmen an anderen Hochschulen dienen. An der Universität Bremen gibt es im Rahmen von BreGoS zwei Reallabore, das Reallabor „Campus Energie Labor“ und das Reallabor „Campus goes Biodiverse“.
Herr Rohlfs, können Sie als BreGoS Koordinator erklären, was genau ein Reallabor ist?
Marko Rohlfs: Vielleicht kann man Reallabore besser verstehen, wenn man sich genau das Gegenteil anschaut, also Nicht-Reallabore. In diesen wären Forschungsgegenstände abstrakt und modellhaft und hätten keinen konkreten Bezug zu irgendeinem gesellschaftlichen Problem. In dem Reallabor Campus goes Biodiverse wäre der gesellschaftliche Bezug das Thema Artenverlust, also die vom Menschen gemachte Biodiversitätskrise. Dabei geht es uns nicht darum, aus Sicht der Forschung zu sagen, so ist es, und das müsse die Gesellschaft erledigen, sondern es geht darum, tatsächlich mit Akteur:innen aus der Gesellschaft zu interagieren und in den Austausch zu dem Thema zu kommen. Zusätzlich dazu wird in den Reallaboren ein Whole-Institution-Approach innerhalb der Uni gefördert, in dem die verschiedenen Statusgruppen auf dem Campus ihre unterschiedlichen Expertisen und Perspektiven einbringen und das Projekt dadurch vorantreiben können. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Reallaboren ist das forschungsbasierte Lernen und dass die Arbeiten in dem Projekt sowie die Erkenntnisse daraus explizit in der Lehre zum Einsatz kommen.
Was wird konkret im Reallabor Campus goes Biodiverse gemacht und welche Akteur:innen sind hier involviert?
Marko Rohlfs: Wir entwickeln Ideen, wie man Biodiversität auf dem Campus fördern kann und planen, wie wir das tatsächlich umsetzen können. Da sind nicht nur Einrichtungen der Forschung, sondern auch die Verwaltung und alle Einrichtungen, die irgendwie für das Thema relevant sind, involviert. Wir arbeiten im Reallabor Campus goes Biodiverse zum Beispiel konkret mit Ansprechpersonen aus dem Gebäudemanagement zusammen, mit denen wir diskutieren, wo auf welchen Grünflächen auf dem Uni Campus was gemacht werden kann. Und dann gibt es natürlich auch die Personen, die die Grünflächen managen. Das ist an der Uni der bras e.V., die Gärtner:innen und ihre Vorarbeiter:innen, mit denen wir uns dann draußen treffen und erklären, wo jetzt nicht mehr gemäht werden soll sondern erst im September wieder. Die reduzierte Mahd ist eine erste ganz einfache Maßnahme, die wir angestoßen haben, um den Artenreichtum auf dem Uni Campus zu fördern. Diese Maßnahme ist auch eine, die sehr sichtbar ist und auf die die Leute sehr positiv reagieren.
Lorena Kalvelage: Nicht nur positiv, da kam dann schon: „Warum wird hier eigentlich nicht mehr gemäht, das sieht ja so nicht mehr schön aus“. Daher haben wir auch Schilder aufgestellt, die auf unser Projekt hinweisen und erklären, warum da jetzt etwas „Unkraut“ steht.
Wie gewinnen Sie Ihre Erkenntnisse im Reallabor Campus goes Biodiverse?
Marko Rohlfs: Erkenntnisse gewinnen wir im Wesentlichen über Bachelor- und Masterabschlussarbeiten, die untersuchen, ob unsere Maßnahmen gemäß unserer Erwartung effektiv sind sowie durch Studierendenprojekte im neuen General Studies Modul „Biodiversität und Gesellschaft“. Wenn wir unsere Ergebnisse präsentieren, ist gerade der lokale Kontext Bremen für Bürger:innen und Behörden sehr wichtig. Es hat eine ganz andere Wirkung, wenn man sagt, das haben wir hier vor Ort gemacht und auf euren Flächen sehen wir diese Effekte, als wenn wir das irgendwo anders in Norddeutschland gemacht hätten. Das macht auch wieder die Forschung im Reallabor aus, dass man mit Entscheidungsträger:innen und Interessenvertretungen entsprechend vor Ort sein kann.
Frau Kalvelage, Sie sind Studierende und engagieren sich aktiv in dem Reallabor Campus goes Biodiverse. Wie sind Sie dazu gekommen?
Lorena Kalvelage: Ich studiere hier jetzt seit dem Wintersemester 2020/21 im Master Ökologie. Im Studium hatte ich einen Kurs Vegetationsökologie, in dem auch Versuche auf den Grünflächen stattfanden. Wir saßen zufällig noch nach dem Kurs auf den Grünflächen, als sich die Gruppe Campus goes Biodiverse dort traf. Wir wurden dann von ihnen gefragt, ob wir nicht bleiben und uns das mal anhören wollten und seitdem bin ich irgendwie hängen geblieben. Das ist auch ein bisschen, so muss ich sagen, mein Herzensprojekt geworden.
An welchem Projekt arbeiten Sie derzeit?
Lorena Kalvelage: Ich arbeite derzeit außerhalb des Uni Campus in einem Projekt mit dem Umweltbetrieb Bremen am Haus des Reichs in der Innenstadt. Die haben eine Dachterrasse und einen Innenhof, die sie aufgewertet haben wollten im Sinne der Biodiversität. Der Innenhof ist etwas schwierig, da dort wenig Sonne hinkommt, die Dachterrasse ist aber ein superinteressanter Standort. Dort wurden im letzten Jahr sogar Heuschrecken gesichtet, was auf einem vierstöckigen Gebäude nicht unbedingt zu erwarten ist. Ich habe mich mit einer Gruppe Studierender zusammengetan und Bodenproben genommen, alle möglichen Analysen gemacht, um zu schauen, welche Pflanzen das Potenzial haben, sich dort anzusiedeln und welche davon Insekten helfen können. Wir wollen dem Wunsch der Hausverwaltung nachkommen, dass sich die Bepflanzung am Haus des Reichs artenreich entwickelt.
Wer nun Lust bekommen hat, im Reallabor Campus goes Biodiverse mitzumachen, welche Möglichkeiten gibt es sich einzubringen?
Lorena Kalvelage: Oh, alle eigentlich. Ich wüsste jetzt kein Thema, bei dem wir sagen würden: „Damit können wir jetzt nichts anfangen.“ Wir haben zum Beispiel einen Informatiker mit in einem Projekt, der von Biodiversität wenig Ahnung hat, sich aber sehr für das Thema interessiert. Er ist jetzt mitwirkend bei einem Podcast, weil er sich mit dem Equipment gut auskennt und dieses organisieren konnte. Auch so bekommt man einen Einfluss und kann uns unterstützen und darüber vielleicht auch selber lernen, was Biodiversität überhaupt ist. Unsere Türen stehen allen offen. Wer mit uns Kontakt aufnehmen möchte, kann das über zwei Wege tun. Man kann erst mal zu einem Organisationstreffen der Gruppe Campus goes Biodiverse kommen und sich anhören, was da so geredet wird. Als Studierende:r kann man sich aber auch gerne einfach zu unserem General Studies Modul anmelden.
Marko Rohlfs: Genau. Das General Studies Modul „Biodiversität und Gesellschaft“ läuft seit dem Wintersemester 2022/23 und es können in diesem insgesamt zwölf Credit Points (CP) erlangt werden. Man kann ganz niedrigschwellig einsteigen und sich mit der Zeit mehr in die Projekte einbringen und eigene Ideen umsetzen. Die Idee war hierbei, dass man das Modul studienbegleitend belegen kann und so den Studierenden Möglichkeiten der ständigen Weiterentwicklung bietet.
Lorena Kalvelage: Wer sich allerdings vielleicht erst einmal nur privat mit dem Thema beschäftigen möchte, die oder den möchten wir animieren, mit offenen Augen über den Campus zu laufen und auch mal genauer hinzusehen. Anhand der App iNaturalist können Pflanzen und Tiere auf dem Campus bestimmt und die Artenvielfalt gemeinschaftlich in der App dokumentiert werden. Auch so kann man schon einen wichtigen Beitrag zu unserem Projekt leisten.
Mehr Informationen
BreGoS: BreGoS - Universität Bremen (uni-bremen.de)
Real-Labore: Real-Labore - Universität Bremen (uni-bremen.de)
Webseite Campus Goes Biodiverse – Biodiversitätsprojekt an der Universität Bremen
Themenmonat Nachhaltigkeit
Seit ihrer Gründung 1971 steht die Uni Bremen für gesellschaftliche Verantwortung. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind grundlegende Leitprinzipien der Universität: in Forschung, Lehre und Betrieb. Im Onlinemagazin up2date. der Uni Bremen steht im Mai das Thema Nachhaltigkeit daher im Fokus. Der Themenmonat beleuchtet aktuelle Projekte, Fragen und Herausforderungen.