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Wie fühlt sich Virtual Reality an?

Michael Bonfert über die Haptik virtueller Realitäten und welche Feinheiten es dabei zu beachten gilt

Forschung

Wie fühlt sich Virtual Reality an? Und wie kann diese Technologie unseren Alltag beeinflussen? Michael Bonfert, Forscher im Bereich virtuelle Realitäten – kurz VR – an der Universität Bremen, befasst sich intensiv mit der Haptik und Anwendung von VR. Im Interview mit up2date. erzählt er von seiner Arbeit und seiner Einschätzung für die Zukunft der Technologie.

Herr Bonfert, Sie beschäftigen sich beruflich mit der Erforschung virtueller Realitäten, insbesondere wie sich diese für die Nutzer:innen anfühlen. Wie sind Sie dazu gekommen?

Während meines Masterstudiums an der Universität Bremen habe ich schnell gemerkt, dass mir die Interaktion mit gut gestalteter Software oder Gegenständen sehr am Herzen liegt. Ich war schon immer fasziniert davon, wie manche technischen Dinge problemlos in den Alltag integriert werden können, während andere immer wieder störend auffallen. Wenn eine Person beispielsweise durch eine automatische Tür gehen möchte und kurz ins Stocken gerät, dann liegt das an der Tür und nicht am Menschen. Mir ist es einfach wichtig, dass Menschen in der Interaktion mit einem System glücklich und zufrieden sein können. Im Laufe des Studiums war ich dann an einem Projekt beteiligt, in dem wir ein VR-Spiel mit einer empirischen Studie entwickelt haben. Die Interaktion mit diesen virtuellen Welten im dreidimensionalen Raum fand ich besonders spannend. Darauf aufbauend habe mich weiter spezialisiert und bin hier im Digital Media Lab der Uni Bremen gelandet.

Und wie fühlt sich VR Ihrer Meinung nach an?

Man kann es sich so vorstellen, als wäre ein Bildschirm vor und neben das Gesicht gespannt und bei jeder Bewegung kommt dieser einfach mit. Aber man muss es tatsächlich erlebt haben, wie eindrücklich es ist, dass um einen herum eine Welt ist, die nicht unserer Realität entspricht. Es unterscheidet sich von der Erfahrung mit einem Smartphone, bei dem der Blick auf einen Bildschirm gerichtet ist. In diesem Fall taucht man direkt in den Bildschirm ein und es fühlt sich trotzdem real an. Vor allem, weil die Dinge, die sich in dieser Welt befinden, angefasst werden können. Dadurch wirkt dieser Ort sehr echt und eindrucksvoll. Zudem sind wir tatsächlich noch keine zehn Jahre dazu in der Lage, solche überzeugenden Realitäten zu erschaffen, obwohl schon seit Jahrzehnten daran geforscht wird. Das heißt, dass es für viele erst jetzt richtig spannend wird, sich mit VR zu beschäftigen und dazu zu forschen.

Wie meinen Sie das, dass es erst jetzt richtig spannend wird, sich mit dem Thema VR auseinanderzusetzen?

Weil jetzt nicht mehr nur hypothetisch an das Thema herangegangen, sondern wirklich eine Grundlage für die alltägliche Nutzung von Virtual Reality geschaffen wird. Mit alltäglicher Nutzung meine ich Bereiche wie beispielsweise berufliche Weiterbildungen oder Meetings, die in den virtuellen Raum verlegt und damit vereinfacht werden könnten. Diese Treffen können dadurch langfristig persönlicher werden. Es geht aber auch darüber hinaus, denn hier im Digital Media Lab entwickeln wir etwa Anwendungen für die medizinische Operationsplanung. Da geht es darum, Operationen per virtueller Realität zu planen, um so die chirurgischen Abläufe zu trainieren, aber auch um die Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Personal zu verbessern. Während der Corona-Pandemie haben wir auch eine Studie zur Telekommunikation durchgeführt. Wir haben in virtuellen Realitäten unsere Lab-Meetings abgehalten und geschaut, welche Auswirkungen dies auf die Teilnehmenden hat.

Zur sehen sind Aufnahmen zur Studie „Seeing the Faces Is So Important“.
Bild 1/3 Einige Eindrücke zur Studie „Seeing the Faces Is So Important“. Die Studie zeigt, weshalb die Mimik für den Austausch in der virtuellen Realität so wichtig ist.
© Uni Bremen
Eindrücke zur Studie „Seeing the Faces Is So Important“
Bild 2/3 Einige Eindrücke zur Studie „Seeing the Faces Is So Important“. Die Studie zeigt, weshalb die Mimik für den Austausch in der virtuellen Realität so wichtig ist.
© Uni Bremen
Aufnahmen zur Studie „Seeing the Faces Is So Important“
Bild 3/3 Einige Eindrücke zur Studie „Seeing the Faces Is So Important“. Die Studie zeigt, weshalb die Mimik für den Austausch in der virtuellen Realität so wichtig ist.
© Uni Bremen

Und zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?

Dafür muss ich zunächst das Setting beschreiben. Wir hatten drei Szenarien, die wir miteinander verglichen haben. Das erste Szenario war die Ausgangslage, die wir heute schon haben, mit typischen Videokonferenztools wie zum Beispiel Zoom. Das zweite Szenario war eine Hybridlösung, bei der die Teilnehmenden mit einem 2D-Avatar per Tastatur durch die virtuelle Umgebung laufen konnten. Dort hat sich dann wiederum eine Videokonferenz geöffnet, wenn man sich in der 2D-Welt einander genähert hat. Im dritten Szenario befanden sich die Proband:innen per VR-Brille als Avatar in einer 3D-Welt und standen sich tatsächlich gegenüber. Gerade weil es in der Zeit der Pandemie war, wollte man sich dann auch mal körperlich näherkommen und umarmen. Und tatsächlich lässt sich das Nähe-Distanz-Verhalten der echten Welt sehr gut auch in diese virtuelle Realität übertragen. Ein anderer Teilnehmer stand plötzlich gefühlt nur sehr wenige Zentimeter von mir entfernt und es hat sich ähnlich unangenehm angefühlt, so als würde jemand in der echten Welt diese natürlichen Abstände verletzen.

Also würden Sie sagen, dass das Modell mit den 3D-Avataren einem Meeting in Präsenz schon sehr nahegekommen ist?

Wenn man von der Mimik absieht, dann ähnelt es einem Präsenzmeeting am ehesten. In unserer Studie hatten wir kein VR-Headset, das irgendeine Form von Mimik auslesen konnte. Somit haben die Teilnehmer:innen während des kompletten Treffens immer dieselben Gesichtsausdrücke gesehen, was schon sehr befremdlich wirkte. Man muss sich vorstellen, dass jemand etwas sehr sachlich erzählt und dabei die ganze Zeit künstlich grinst. Das war die Standardmimik aller Avatare. Dadurch haben sich diese Meetings sehr unnatürlich angefühlt. Deswegen trägt die Studie auch den Titel: „Seeing the Faces Is So Important“. Viele Teilnehmer:innen waren unter anderem aus diesem Grund froh, dass sie nach der Studie wieder auf klassische Videokonferenztools umsteigen konnten. Gerade auf diesem Gebiet muss also noch viel geforscht werden, damit sich die Erfahrung wirklich echt anfühlt und alltagstauglich wird.

Virtual Reality an der Uni Bremen

Wer mehr zum Thema VR an der Uni Bremen erfahren möchte, sollte sich die Arbeit des Digital Media Labs anschauen. Das Digital Media Lab ist eine Forschungseinrichtung, die sich auf die Schaffung und Verbesserung digitaler Medientechnologien spezialisiert hat. Ihre Arbeit erstreckt sich über eine Vielzahl von Disziplinen, darunter Natural User Interfaces (NUI) für Augmented Reality (AR) sowie Virtual Reality (VR), semantische Datentechnologie, Games User Research, Human-Computer Interaction (HCI) und Usable Security & Privacy. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Verbesserung und Neudefinition der Art und Weise, wie Menschen mit digitalen Medien interagieren und sie nutzen. Dabei setzen sie neueste Technologien und Methoden ein, um ein besseres Verständnis und Erlebnis von digitalen Medien und Nutzerschnittstellen zu ermöglichen. Die Arbeit des Labors geht über die reine technische Entwicklung hinaus und beinhaltet auch die Ergründung des Einflusses digitaler Medien auf das menschliche Verhalten und die Sicherheit in der digitalen Welt. Unterstützt durch Stiftungen und Institutionen, arbeitet das Digital Media Lab daran, die nächste Generation von digitalen Medien und deren Anwendung zu gestalten und zu verstehen.

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