Für eine gute Lehrerbildung
Angehende Lehrkräfte werden an der Universität Bremen zu reflektierten Praktikerinnen und Praktikern ausgebildet
Die Universität Bremen ist das Ausbildungszentrum für Lehrerinnen und Lehrer im Land Bremen. Von den rund 20.000 Studierenden sind etwa 15 Prozent in einem Lehramtsstudium eingeschrieben. Wie kann man die angehenden Lehrkräfte möglichst gut auf ihre beruflichen Herausforderungen vorbereiten? Dieses Ziel verfolgt ein Projekt, das an der Universität Bremen vom Bund-Länder-Programm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ mittlerweile in der zweiten Förderphase mit mehreren Millionen Euro finanziert wird. Das Leitbild ist dabei der sogenannte „Reflective Practitioner“ – reflektierte Praktikerinnen und Praktiker.
Das bedeutet: Als Lehrkräfte sollen sie in der Lage sein, das eigene Handeln im Unterricht zu überdenken und dabei auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden zurückzugreifen. An dem Projekt „Schnittstellen gestalten“ sind insgesamt rund 50 Lehrende und wissenschaftliche Mitarbeitende der Universität Bremen mit großem Engagement beteiligt – darunter federführend das Zentrum für Lehrerinnen-/Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZfLB), nahezu alle lehrerbildenden Fachbereiche, das Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML) und das Institut Technik und Bildung (ITB). Die Universität arbeitet zudem eng mit Bremer Schulen und Behörden, insbesondere dem Landesinstitut für Schule (LIS) zusammen.
Die Herausforderungen bei der Umsetzung des Projekts sind enorm. „Viele Lehramtsstudierende erleben ihr Studium als fragmentiert, da es sich auf mehrere Fächer verteilt und an verschiedenen Fachbereichen angesiedelt ist“, sagt Professorin Sabine Doff, Leiterin des Projekts und Direktorin des ZfLB der Universität Bremen. Deshalb stimmt das Bremer Projekt fachliche, fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Anteile im Lehramtsstudium intensiv aufeinander ab. Zudem werden Theorie und Praxis enger miteinander verzahnt. „Sie sollten sich im Idealfall ergänzen“, so Doff.
Weitere zentrale Aufgaben des Projekts sind die Forschungs- und Nachwuchsförderung in der Lehrerbildung, die Verzahnung der drei Phasen Studium, Referendariat und Weiterbildung im Beruf, eine Professionalisierung im Umgang mit Heterogenität sowie die organisatorische Verankerung der Lehrerbildung in der Hochschule. In der zweiten Förderphase kommt jetzt der Schwerpunkt Digitalisierung hinzu. Durch die erfolgreiche Einwerbung eines weiteren Teilprojekts in der beruflichen Bildung bündelt „Schnittstellen gestalten“ inzwischen acht von neun lehrerbildenden Fachbereichen.
Inklusive Unterrichtseinheit zu Zweitem Weltkrieg entwickelt
Ein Beispiel für die engere Verzahnung von Theorie und Praxis sind die sogenannten Studien-Praxis-Projekte, die zusätzlich zu den regulären Praktika im Lehramtsstudium angeboten werden. „Die Studierenden gehen mit besonderen Entwicklungsaufgaben in die Schulen und können ihre Konzepte gemeinsam mit den Lehrkräften erproben und auswerten“, sagt Professorin Natascha Korff, die das Teilprojekt mit drei weiteren Kolleginnen und Kollegen leitet. Die Themenvorschläge kommen dabei direkt aus den Bremer Schulen, mit denen das Teilprojekt ein Netzwerk aufbaut.
„Für mich war es eine große Bereicherung, dass die drei Studentinnen mich dabei unterstützt haben, meinen Unterricht noch inklusiver zu gestalten“
Dazu gehört unter anderem die Oberschule am Leibnizplatz in der Bremer Neustadt: Um ihren Unterricht Gesellschaft und Politik – kurz: GuP – inklusiver zu gestalten, hat die Lehrerin Dr. Katja Scheidt mit drei Studentinnen eine Unterrichtseinheit in der 10. Klasse zum Thema Zweiter Weltkrieg und Holocaust entwickelt, durchgeführt und gemeinsam reflektiert. Ziel war es, das Thema so zu gestalten, dass sich die Schülerinnen und Schüler die Inhalte mit ihren individuellen Lernniveaus an unterschiedlichen Lernstationen erarbeiten konnten – zum Beispiel in Form von Arbeitsblättern sowie der Konzeption von Postern, Videos und Podcasts.
Die Studentinnen brachten inhaltlich und methodisch innovative Ideen ein sowie außerschulische Anknüpfungspunkte, wie zum Beispiel einschlägige Ausstellungen in Bremen zu dem Unterrichtsthema. Dadurch konnten sie gemeinsam mit der Lehrerin die Unterrichtseinheit praxisnah gestalten. Zwei von ihnen studieren Inklusive Pädagogik und eine Geschichte. „Dadurch waren wir interdisziplinär aufgestellt“, so Scheidt. „Für mich war es eine große Bereicherung, dass die drei Studentinnen mich dabei unterstützt haben, meinen Unterricht noch inklusiver zu gestalten“. Das erarbeitete Material wird Katja Scheidt mit ihrem Kollegium teilen. Zwei Studentinnen haben ihre Masterarbeit zudem über die Unterrichtseinheit geschrieben.
„Die Universität Bremen trägt viel dazu bei, dass wir unser zukünftiges Berufsfeld erforschen und lernen, Methoden anzuwenden.“
„Das Projekt ‚Schnittstellen gestalten‘ leistet einen wichtigen Beitrag, um die Lehrerbildung an der Universität Bremen langfristig weiterzuentwickeln“, sagt der Konrektor für Lehre und Studium, Professor Thomas Hoffmeister. „Durch die Beteiligung und Vernetzung vieler Fachbereiche ist eine breite Diskussionskultur entstanden, wie wir diesen Bereich weiterentwickeln können.“ Auch von Lehramtsstudierenden kommt positive Rückmeldung: „Die Universität Bremen trägt viel dazu bei, dass wir unser zukünftiges Berufsfeld erforschen und lernen, Methoden anzuwenden“, sagt Sabrina Schläger.
„Qualitätsoffensive Lehrerbildung“
Bund und Länder haben 2013 die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ als gemeinsames Programm beschlossen. Seit 2015 werden entsprechende Projekte gefördert: Der Bund stellt dazu ein Fördervolumen von bis zu 500 Millionen Euro bereit. Professionelle Beratungsangebote und eine engere Verzahnung von Studium, Referendariat und Weiterbildung sind Ziele der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, um zu einem besseren Praxisbezug zu kommen. Das Projekt „Schnittstellen gestalten“ wird an der Universität Bremen seit 2016 mit einem Gesamtvolumen von rund 5,4 Millionen Euro gefördert und endet nach der zweiten Förderphase Ende Dezember 2023.