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In der digitalen Kaffeeküche

Herausforderung Online-Lehre, Teil 1: Dozierende der Geistes- und Sozialwissenschaften erzählen

Lehre & Studium

Dieses Sommersemester ist anders. Statt in die Gesichter von Studierenden im Hörsaal oder Seminarraum zu schauen, blicken die Dozentinnen und Dozenten auf einen Bildschirm mit schwarzen Kacheln. Doch wie bringt man Menschen etwas bei, denen man nicht real begegnet? Im Laufe des Semesters haben die Verantwortlichen viele Strategien entwickelt. Wir haben mit Literaturwissenschaftler Axel Dunker, Kunstpädagogin Maria Peters und Wirtschaftsgeograph Robert Panitz gesprochen.

Was für Professor Axel Dunker zu Anfang des Semesters nur schwer vorstellbar war, ist mittlerweile zum Alltag geworden. Statt sich durch das Gewirr im GW2 zum Seminarraum durchzuschlagen, schaltet er seinen heimischen Computer an und startet die Videokonferenz. „Ich war am Anfang sehr skeptisch, was die digitale Lehre anging. Aber ich muss sagen, es klappt technisch besser als gedacht“, sagt der Literaturwissenschaftler.

Literaturwissenschaftler Axel Dunker vermisst das Informelle.
© Harald Rehling/Universität Bremen

Dennoch wird die Videokonferenz für ihn immer nur ein Notbehelf sein. „Präsenzlehre ist nicht zu ersetzen,“ stellt Dunker klar. Gerade in den Literaturwissenschaften gehe es ja nicht nur um Wissensvermittlung, sondern um den kritischen Diskurs, der das intellektuelle Denken der Studierenden anrege. Das sei in Kleingruppen online zwar auch möglich, aber mit diversen Hürden verbunden: Wer sich sowieso nicht so gern zu Wort melde, sei durch die starre Konferenz-Situation zusätzlich verunsichert. Außerdem habe längst nicht jeder Studierende Kamera und Mikro am Rechner. „Ich denke, dass wir dieses Semester einige Studierende verloren haben“, ist der Dozent überzeugt. Und ihm fehlt all das, was „außerhalb der 90 Minuten passiert“ – all das Informelle, beispielweise spontane Treffen in der Cafeteria.

“Es ist schon entgrenzend”

Professorin Maria Peters aus der Kunstpädagogik hat die Cafeteria in die digitale Welt geholt. In ihrem Begleitseminar für Studierende, die im Master of Education an ihrer Abschlussarbeit sitzen, hat sich eine digitale Kaffeeküche entwickelt. „Nach Ende der offiziellen Zeit bleiben die Studierenden in der Videokonferenz häufig ‚noch sitzen‘“, berichtet die Professorin für Kunstpädagogik.

Kunstpädagogin Maria Peters hat bereits jahrelange Erfahrung mit digitalen Lehrmethoden.
© Maria Peters/Universität Bremen

Das sei einerseits gewollt, weil die Studierenden den zusätzlichen Austausch und Rat auch über die bereitgestellten multimedialen Studienmaterialien benötigen, um ihre empirischen Arbeiten an den Schulen trotz Corona erfolgreich abschließen zu können. Andererseits müsse sie aufpassen, dass es nicht zu viel werde, berichtet Peters: „Ich bin von morgens bis teilweise spät in den Abend hinein ansprechbar. Es ist schon entgrenzend“. Peters hat in diesem Semester nicht zum ersten Mal mit digitalen Lehrformaten zu tun. Beispielsweise entwickelt sie seit vier Jahren im Fachkollegenkreis im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung „Schnittstellen gestalten - Lehrerbildung entlang des Leitbildes des Reflective Practitioner an der Universität Bremen“ die digitale Forschungsmethoden-Plattform BOOC (Blended Open Online Courses)

In ihrer digital gestützten Lehre hat sie auch immer wieder mit dem Zentrum für Multimedia in der Lehre (ZMML) der Universität zu tun. Ein Kontakt, der sich auch in ihrem ersten rein digitalen Semester ausgezahlt hat: „Das ZMML unterstützt uns sehr gut. Allein der Rocket Chat, in dem sich Lehrende untereinander austauschen können, aber auch Tipps von Expertinnen und Experten bekommen, ist einfach fantastisch“, sagt Peters. Die Kollegialität sei in der Pandemie definitiv gestiegen.

Fühlung für die Uni Bremen fehlt

Der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen ist für Dr. Robert Panitz besonders wichtig. Er vertritt eine Professur in der Geographie – und muss seine Lehre vom heimischen Arbeitszimmer in Heidelberg gestalten. „Das ist eine besondere Herausforderung, weil mir die unmittelbare Fühlung für die Studierenden, Kolleginnen und Kollegen sowie die Verwaltungsprozesse fehlt,“ sagt der Wirtschaftsgeograph.

Wirtschaftsgeograph Robert Panitz gestaltet seine digitale Lehre von Heidelberg aus.
© privat

In den ersten Wochen war er sich nicht sicher, wie weit er in seinem Live-Seminar gehen kann. Funktioniert sein Humor, wenn ihn fast nur schwarze Kacheln angucken? „Gespräche mit Ivo Mossig, dessen Professur ich vertrete, und weiteren Kollegen halfen mir dabei, ein Gefühl für die Universität Bremen zu entwickeln“, sagt Panitz. „Überhaupt waren alle an der Universität sehr bemüht und hilfsbereit, wofür ich sehr dankbar bin.“

Das Digitalsemester hatte ihn im März hart getroffen. „Ich hatte mich auf Bremen gefreut. An dem Tag, an dem die Uni geschlossen wurde, wollte ich eigentlich einen Mietvertrag unterschreiben“, erinnert er sich. Statt für einen Umzug nutze er die verbleibende Zeit, um für eine neue Uni ein Lehrkonzept zu entwickeln, das auch aus der Ferne funktioniert. Für seine Vorlesung mit bis zu 150 Studierenden gestaltete er Folien und kleine Videos, sogenannte Opencasts. Zudem organisierte er zusammen mit einer Tutorin regelmäßige studentische Fragerunden. Das Feedback fiel positiv aus –vor allem, weil es eine feste Ansprechpartnerin für Fragen gab.

Prüfung auf dem Boulevard

Und wie sieht es aus mit den Prüfungen? Wirtschaftsgeograph Panitz lässt unter anderem im E-Testcenter Klausuren schreiben und bietet Gruppen-Hausarbeiten an. Literaturwissenschaftler Axel Dunker setzt ganz auf Hausarbeiten. „Ich muss mir noch überlegen, was ich mache, wenn jemand eine mündliche Prüfung ablegen möchte“, gesteht er. Von Kolleginnen und Kollegen hat er gehört, dass sie das draußen machen. „Vielleicht treffe ich mich dann mit den Studierenden auf dem Boulevard. Der ist ja überdacht, dann klappt es wenigstens auch bei Regen“, schmunzelt er.

Teil 2: Natur- und Ingenieurswissenschaften

Im zweiten Teil der Serie berichten Ingenieurin Kirsten Tracht und Informatikerin Anna Förster von ihren Erfahrungen im digitalen Semester.

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