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Sprechende Akten

Mit Studierenden bringt Dr. Eva Schöck-Quinteros historische Forschung einer breiten Öffentlichkeit nahe.

Lehre & Studium

Die knappe, verquere Formulierung „Grund der Ausweisung: Lästiger Ausländer“, die die Historikerin 2002 in den Bremer Nachrichten Anfang der 1920er Jahre entdeckte, inspirierte sie zu dieser Idee: Historische Forschung mit auf Originalquellen basierenden szenischen Lesungen einem breiten Publikum zu vermitteln. Schwerpunkt sollte das „Jahrhundert der Extreme“, das 20. Jahrhundert, sein. So wurde das Projekt „Aus den Akten auf die Bühne“ geboren, das seit 2007 in Kooperation mit der bremer shakespeare company realisiert wird, und in dem Quellen zum Sprechen gebracht werden.

Dass Studierende ihres Seminars damals nicht sonderlich angetan von der Idee waren, die Texte selber auf der Bühne vorzutragen, erscheint Eva Schöck-Quinteros heute als großes Glück. So kam der Kontakt mit Peter Lüchinger und dem Ensemble der bremer shakespeare company zustande. Mit dem Schauspieler verbindet sie seitdem eine intensive und erfolgreiche Zusammenarbeit. Für „Aus den Akten auf die Bühne“ gab es bereits zahlreiche Preise, 2019 erhielt Eva Schöck-Quinteros dafür das Bundesverdienstkreuz.

Forschendes Lernen im Best-Practice-Fall

Im Projekt lernen die Bachelor- und Masterstudierenden zu vermitteln – wissenschaftlich fundiert arbeiten und allgemeinverständlich schreiben.

Dr. Eva Schöck-Quinteros forscht mit den Studierenden aktuell zu einem finsteren Kapitel der Bremer Geschichte im Nationalsozialismus, dem Arbeitserziehungslager Bremen Farge.
Foto: Hilka Baumann

Lea Bussas und Lennart Edel sind schon zum zweiten Mal mit dabei. Im Rahmen des vergangenen Semesterprojekts haben sie zum ersten Mal selbstständig in den Akten geforscht. Dass ihre Arbeit über die Konferenz von Evian und die Irrfahrt der St. Louis um 1938/39 nicht ungesehen bleibt, hat bei beiden großes Interesse an diesem besonderen Seminar geweckt. Ihr wissenschaftlicher Beitrag ist in dem Buch „Keine Zuflucht. Nirgends.“ erschienen und wird in der gleichnamigen szenischen Lesung auf der Bühne der shakespeare company einem breiten Publikum zugänglich gemacht.

Die szenische Lesung „Keine Zuflucht. Nirgends.“ der bremer shakespeare company. V.l.n.r.: Michael Meyer, Peter Lüchinger, Erika Spalke, Simon Elias.
Foto: Dirk Lohmann / bsc

„Unsere Forschung erscheint nicht nur als Hausarbeit, sondern als Publikation mit unseren eigenen Texten“, erzählt Lennart Edel. „Dass man etwas rausfindet, an dem andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessiert sind“, bewegte Lea Bussas zu der wiederholten Mitarbeit. Mit kriminologischem Gespür arbeiten die beiden nun an dem aktuellen Projekt und forschen zu Arbeitserziehungslagern im Bremer Raum. Auch hierzu wird wieder ein Begleitband erscheinen. Für beide ist es eine gute Chance beim Start in das Berufsleben, schon während des Studiums publiziert zu haben.

Geschichte auf die Bühne bringen

Die Bühnenfassung schreiben die Studierenden allerdings nicht selber. Dies ist seit Beginn des Projekts die Aufgabe von Peter Lüchinger. Der Schauspieler bekommt von Eva Schöck-Quinteros die Ergebnisse des jeweiligen Seminars – meist bis zu 1.000 Seiten Text.

Berge von Akten sichten die Studierenden während des Seminars.
Foto: Hilka Baumann

Der Anspruch, keine Veränderungen der historischen Quellen vorzunehmen, ist eine enorme Herausforderung. Aus ihnen eine dramaturgische Fassung für die szenische Lesung zu montieren, der die Zuschauerinnen und Zuschauer gebannt folgen können, eine Kunst! Eva Schöck-Quinteros ist immer wieder begeistert, was Peter Lüchinger in verhältnismäßig kurzer Zeit aus dem Stoff macht. Er inszeniert die unkommentierten Originalquellen zu einer Geschichte. Die Schauspielerinnen und Schauspieler der shakespeare company verleihen den zum Teil sehr trockenen Aktennotizen eine lebendige Stimme. Und dies kommt gut an: Über 17.000 Zuschauerinnen und Zuschauer sahen sich die szenischen Lesungen in den letzten Jahren bereits an!

Wissenschaftliche Forschung live erleben

Der Erfolg des Projekts „Aus den Akten auf die Bühne“ wird auch überregional wahrgenommen. Die Lesungen werden immer wieder von verschiedenen Bildungseinrichtungen als Gastspiele angefragt. Besonders für Schulklassen ist die Theaterform ein guter unterrichtsbegleitender Weg, Geschichte erfahrbar zu machen – nicht zuletzt auch, weil Zeitzeuginnen und -zeugen des Nationalsozialismus immer weniger werden. Zu den Inszenierungen werden außerdem unterschiedliche Workshops angeboten.

Interessierte Bremerinnen und Bremer haben derzeit die Chance, vier verschiedene szenische Lesungen der bremer shakespeare company zu erleben, die im Rahmen der Seminare entstanden sind. Bis April gibt es Aufführungstermine in Bremen und Bremerhaven, sowie ein Gastspiel in Berlin. Die nächste Premiere über “Arbeits-Erziehungs-Lager”, an der auch Lea Bussas und Lennart Edel mitarbeiten, findet am 3. Juni um 19:30 Uhr am Denkort Bunker Valentin statt.

Infos und Aufführungstermine

Mehr Infos und alle Aufführungstermine sind auf der Projekt-Website Sprechende Akten und bei der bremer shakespeare company zu finden.

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