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„Der Schwarm“: Bremer Meeresgeologe Gerhard Bohrmann als Romanfigur

Wie viel Bremer Expertise im Bestseller von Frank Schätzing steckt

Uni & Gesellschaft

Frank Schätzings Roman „Der Schwarm“ erschien 2004 und wurde ein Welterfolg. Das ZDF hat daraus jetzt eine TV-Serie gemacht. Der Plot: Eine unbekannte Spezies aus dem Meer greift die Menschheit an. Die Natur wehrt sich gegen ihre Ausbeutung. Aggressive Wale, gefährliche Eiswürmer, ein Tsunami – Wissenschaftler:innen stemmen sich gegen die Katastrophe. Eine der Romanfiguren, Gerhard Bohrmann, ist Professor für Meeresgeologie an der Universität Bremen. Zum Serien-Start haben wir mit ihm gesprochen.

Sie forschen auf dem Gebiet Methanhydrate und Geologie des Meeresbodens, haben den Autor wissenschaftlich beraten. Wie war die Zusammenarbeit mit Frank Schätzing?

Ich habe Frank Schätzing zwei Tage lang beraten. Er kam in mein Büro und war erstaunlich gut über den Stand der Meeresforschung informiert. Er hatte sich intensiv eingelesen. Das hatte schon Qualität. Ihm ging es vor allem darum, mit mir seine Ideen zu diskutieren. Ich wusste, dass er ein Buch plant. Ich fand den Austausch mit ihm sehr gut und es hat viel Spaß gemacht. Er hat vieles von dem ins Buch reingebracht, was wir besprochen haben und wir sind seither befreundet.

Sie waren ja nicht nur wissenschaftlicher Berater, sondern wurden auch zu einer Hauptfigur im Roman.

Irgendwann schrieb Frank mich an, als ich gerade im Pazifik eine Forschungsexpedition leitete und fragte mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn er mich als Figur in seinen Roman einbaut. Ich hatte nichts dagegen unter der Voraussetzung, dass ich im Buch auch Wissenschaftler bin und das Manuskript vorher sehen darf. Ich habe dann lange nichts mehr gehört, bis dann eine Journalistin bei mir anrief und mich interviewen wollte. Dadurch habe ich erfahren, dass ich eine Figur des Romans bin und mit meinem richtigen Namen dort mitspiele.

Und wie war es für Sie, sich gewissermaßen selbst als Romanfigur zu lesen?

Das war zwar sehr überraschend, aber auch ziemlich toll. Erstens fand ich es spannend, zu lesen, wie ich dargestellt wurde. Außerdem haben mich zum Beispiel alte Bekannte angerufen, die ich seit Jahren nicht mehr gesprochen hatte. Auch meine Studierenden haben viele Fragen gestellt. Zu meinen wissenschaftlichen Vorträgen, zu denen normalerweise 30, 50 Leute kommen, kamen auf einmal hundert. Es war schon eine verrückte Zeit.

Eine persönliche Signatur des Autors für Gerhard Bohrmann.
Gerhard Bohrmanns Ausgabe von „Der Schwarm“ mit einer Widmung von Frank Schätzing, mit dem er seitdem befreundet ist.
© Matej Meza / Universität Bremen

Ist die Lektüre auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Studierende lohnend?

Ich kann jetzt nicht sagen: Lest das Buch, damit Ihr etwas über Wissenschaft erfahrt. Es ist ein Roman und kein Lehrbuch. Das Buch weckt aber das Interesse an der Meeresforschung. Es ist interessant, um zu verstehen, wie wir auf Forschungsschiffen und in Laboren arbeiten. Als Laie wird man nicht unterscheiden können, was realistisch und was erfunden ist. Es ist ja ein Science-Fiction Thriller und es ist darin natürlich vieles übertrieben. Das muss man wissen. Und das ist ja auch ok. Ich werde oft von jungen Leuten gefragt: „Was muss ich studieren, um Meeresforscher zu werden?“ Dann erkläre ich immer, dass man das nicht von Anfang an studiert. Man muss erst eine harte Schule durchlaufen. Man studiert zunächst die Grundlagen der Naturwissenschaften, wie Physik, Mathematik und Chemie, und erst danach Biologie, Geologie oder Ozeanographie. In der TV-Serie wird dagegen ein ganz anderes Bild von dem Beruf vermittelt, das überhaupt nicht der Realität entspricht. So gibt es zum Beispiel eine Doktorandin als wichtige Protagonistin, die ganz allein auf den Shetlandinseln eine Station über viele Monate betreut. Das würde aus versicherungsrechtlichen Gründen ein deutsches Forschungsinstitut nicht erlauben.

Wie fällt denn Ihr wissenschaftliches Urteil über das Buch “Der Schwarm” aus?

Es ist nichts wirklich falsch, aber natürlich darf man nicht vergessen, dass es sich um Science-Fiction handelt. Ich habe zu der Frage, was Fiktion und was Wissenschaft im Roman „Der Schwarm“ ist, Vorträge gehalten, die auf großes Interesse gestoßen sind. Es ist wissenschaftlich vieles sehr gut belegt. Es geht zum Beispiel um Methanhydrate, ein Thema, zu dem ich seit über 25 Jahren forsche. Methanhydrat, eine feste Form von Methangas mit Wassermolekülen ist eine konzentrierte chemische Verbindung in Meeresablagerungen, die schon seit längerem als Energieressource gehandelt wird. Wenn es zum Abbau von Methanhydraten kommt, die vorwiegend an Kontinentalrändern existieren, dann besteht die Gefahr von Rutschungen mit Tsunami-Potential. Der Tsunami ist ein besonders eindringliches Beispiel: Als es den verheerenden Tsunami in Thailand gab, berichteten Überlebende anschließend, dass sie aus dem Roman „Der Schwarm“ wussten, wie sie sich verhalten mussten und sich retten konnten. Dagegen hat Frank Schätzing die Eiswürmer, die es ja wirklich im Golf von Mexiko gibt, für sein Buch größer werden lassen, sie mit kräftigen Kiefern ausgestattet, und sie außerdem nach Norwegen und Japan verfrachtet.

Wie gefällt Ihnen die Verfilmung? Frank Schätzing hat sich ja davon distanziert.

Die Serie ist auf jeden Fall mit sehr guten Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt. Aus meiner Rolle in der Romanvorlage wurde eine Professorin für Meeresbiologie, die von der großartigen Barbara Sukowa gespielt wird. Aber ansonsten hätte ich persönlich wegen der Dramaturgie einen Film besser gefunden als eine mehrteilige Serie. Denn die Folgen müssen immer einer bestimmten Dramaturgie folgen und haben einen Cliffhanger am Ende. In einer Serie kann man natürlich wissenschaftlich falsche Darstellungen besser erkennen als in einem Buch, denn es müssen ja Bilder gefunden werden für das, was man im Buch einfach der Phantasie überlassen kann. Ich werde auf jeden Fall einen Vortrag zusammenstellen, in dem ich Filmausschnitte verwende und daran erläutere, was nicht der Realität entsprechen kann. In einer Szene schießt im Meer zum Beispiel freies Gas wie ein Geysir mehrere Meter hoch in die Luft. Das würde so niemals passieren. Da musste ich schon lachen.

Mehr Informationen

Die ZDF-Serie ist seit dem 22. Februar in der ZDF-Mediathek verfügbar und läuft ab dem 6. März zur Prime Time im Fernsehen. Mehr Informationen zum Exzellenzcluster „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“ gibt es auf der Webseite des MARUM.

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