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Fridays for Future: Gekommen, um zu bleiben

Was macht den Erfolg der Protestbewegung aus? Eine Studie schaut genau hin.

Uni & Gesellschaft

Die Bewegung Fridays for Future hat eine rasante Entwicklung hinter sich. Innerhalb eines Zeitraums von weniger als einem Jahr ist aus vereinzelten Protesten von Schülerinnen und Schülern eine einflussreiche soziale Bewegung geworden, ein Klimaaktivismus, der gehört wird - von der Politik und sogar von der Wirtschaft. Wie hat sie das erreicht?

Am 19. März waren sie – trotz Corona - wieder auf der Straße. Der erste große Klimastreik seit einem halben Jahr versammelte in ganz Deutschland, in 200 Städten, mehrere hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Größere Aktionen gab es unter anderem in Hamburg, Dresden und Berlin, obwohl die Corona-Pandemie keine größeren Versammlungen zuließ. Ein Teil war ins Internet verlagert worden. Corona hatte die Bewegung Fridays for Future vor einem Jahr schmerzlich getroffen und ausgebremst. Nachdem es 2019 gelungen war, in 500 Städten bis zu 1,4 Millionen Menschen auf die Straße zu bringen, klingt der jetzige Auftakt im Jahr 2021 nicht so imposant. „Umso bemerkenswerter ist, wie schnell FFF reagierte und wie es ihr gelang, mit innovativen Mitteln online und offline ihren Protest fortzusetzen“, sagt Sebastian Haunss. Der Professor für Politikwissenschaft von der Universität Bremen beschäftigt sich am SOCIUM – Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik mit Protestbewegungen. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat Sebastian Haunss erforscht, was die Fridays for Future-Bewegung ausmacht und warum sie so erfolgreich ist. Klar ist für ihn: „Fridays for Future ist gekommen, um zu bleiben.“

Ein Protest, der wirkt

Der Forscher ist überzeugt: Fridays for Future hat bereits jetzt Spuren in der Gesellschaft und im politischen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland hinterlassen. Eine wesentliche Leistung ist, dass diese Bewegung die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für den Klimawandel in Deutschland verstärkt hat. So haben sich die Google-Suchanfragen mit dem Inhalt „Klimawandel“ von Beginn der Proteste von Greta Thunberg im Sommer 2018 bis zum September 2019 verzehnfacht. Ein Hinweis darauf, dass die Bewegung das gesellschaftliche Interesse am Klimawandel zugleich steigern und nutzen konnte.

Der Politikwissenschaftler Sebastian Haunss ist überzeugt, dass Fridays for Future schon jetzt Spuren in Gesellschaft und Politik hinterlassen hat.
© Universität Bremen

FFF – wer ist das?

Sebastian Haunss und seine Kolleginnen und Kollegen, darunter auch Bachelor-Studierende der Universität Bremen, haben außerdem untersucht, wie sich die Bewegung zusammensetzt. Zu Beginn waren die Proteste von relativ protestunerfahrenen Schülerinnen und von jüngeren Frauen getragen. Das änderte sich im weiteren Verlauf, die Proteste wurden breiter und bei den Demonstrationen gingen nicht mehr nur Jugendliche auf die Straße. Bald schon beteiligten sich Erwachsene, Eltern, Großeltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie unterstützende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Fridays-for-Future-Protesten. Die Bewegung ist diverser geworden. Besteht dadurch die Gefahr, dass der Protest zu harmlos und milde wird? Nein, ist Haunss überzeugt: „Eine Bewegung kann auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn sie gesellschaftlich breite Unterstützung findet“. Sebastian Haunss attestiert den Demonstranten ein “überdurchschnittliches Bildungsniveau”. Tendenziell kommen die Anhänger von Fridays for Future aus der Mittelschicht, so seine Beobachtung. Den immer wieder erhobenen Vorwurf, die Bewegung sei elitär und abgehoben, nur eine Bewegung der Bessergestellten, will er jedoch nicht stehen lassen: “Fridays For Future ist eine Bewegung, die eine unglaubliche Breite in der in der Fläche hat. Es haben teilweise an mehr als 500 Orten gleichzeitig Menschen protestiert. Es war auch nie eine Bewegung, die allein auf die Großstädte fixiert war.” Auch in kleineren Orten habe Fridays for Future es geschafft, Menschen zu mobilisieren.

„Eine Bewegung kann auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn sie gesellschaftlich breite Unterstützung findet“.

Es werde den Protesten auch nicht gerecht, sie als Schulschwänzerei abzutun. Alle neuen sozialen Bewegungen und Jugendkulturen müssten Wege finden, um ihren Themen Nachdruck zu verleihen und sich von Eltern und Lehrern abzugrenzen. Da gehöre die Protestform der Schulstreiks in die Tradition des zivilen Ungehorsams.

Was wurde erreicht?

Der Erfolg einer Bewegung lässt sich nicht nur daran messen, ob es gelungen ist, die Forderungen tatsächlich durchzusetzen. Die zentralen Forderungen von Fridays for Future lauten: Die globale Klimaerwärmung auf maximal 1,5 Grad zu beschränken, Deutschland bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu machen, bis zum Jahr 2030 alle Kohlekraftwerke abzuschalten und die komplette Energieversorgung bis 2035 auf erneuerbare Energien umzustellen.

Auch wenn noch keines dieser Ziele erreicht ist, zeigen diese Forderungen enorme gesellschaftliche Wirkung. Sie prägen die öffentliche Diskussion, finden Eingang in Parteiprogramme und Regierungsziele.
So hat Fridays for Future zum Beispiel das vom Klimakabinett der Bundesregierung Ende September 2019 beschlossene Klimapaket, inklusive der geplanten Einführung eines CO2-Preises ab 2021, zumindest stark beschleunigt.

Die Bewegung hat den Höhenflug der Grünen begünstigt und den klimapolitischen Forderungen der Partei gesellschaftliche Legitimation verliehen. Und auf Fridays for Future wurde im Vergleich zu anderen sozialen Bewegungen von den Akteurinnen und Akteuren der offiziellen Politik und Institutionen ungewöhnlich schnell reagiert.

Die Ursachen für den Erfolg

Entscheidend für den Erfolg war dabei, dass viele Bürgerinnen und Bürger den Klimawandel als großes Problem betrachten - und ein ungewöhnlich trockener Sommer im Jahr 2018 verstärkte diese Wahrnehmung zusätzlich.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist auch die Person Greta Thunberg. Ihre Präsenz in den Medien, ihr entschlossenes Auftreten auch auf internationalem politischen Parkett haben sie zu einer Identifikationsfigur nicht nur für junge Menschen gemacht.

Für diese waren die Schulstreiks oft die erste kollektive Erfahrung eigener Kraft, ein wichtiger Faktor, der dazu beitrug solch große Menschenmengen zu mobilisieren. Dadurch ist es Fridays for Future gelungen, die Wahrnehmung des Klimawandels entscheiden zu verändern. Er wird nicht länger als abstraktes, globales Problem wahrgenommen, auf das Einzelne nur begrenzt Einfluss nehmen können, sondern als unmittelbar drängendes Problem, das die eigene Zukunft betrifft und dessen Dringlichkeit sofortiges Handel erfordert.

Mehr Informationen:

Haunss/Sommer (2020), Fridays for Future - Die Jugend gegen den Klimawandel. Konturen der weltweiten Protestbewegung, Bielefeld: transcript. Das Buch ist als Open Access PDF-Version erhältlich

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