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Nachhaltigkeit: „Es findet derzeit ein Kulturwandel an der Uni Bremen statt“

Wie ist es um das Thema Nachhaltigkeit an der Uni Bremen bestellt? Eine Einschätzung von Julia Broderius und Dominik Lange von den Students for Future.

Uni & Gesellschaft / Nachhaltigkeit

Die 21-jährige Julia Broderius studiert Psychologie im Bachelor, ist gewähltes Mitglied der studentischen Vertretung in der Kommission für Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Klimaneutralität des Akademischen Senats (AS). Der 27-jährige Dominik Lange studiert Philosophie im Master, ist Referent für Hochschulpolitik im AStA und Mitglied im Akademischen Senat. Beide sind bei den Students for Future. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind beiden sehr wichtig. Deswegen haben wir mit ihnen darüber und die neue geschaffene Kommission für Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Klimaneutralität – kurz NKK-Kommission – gesprochen. Die Kommission erarbeitet derzeit die Nachhaltigkeitsstrategie der Uni Bremen.

Wie bewertet ihr den Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit an der Uni Bremen?

Dominik: Es findet derzeit ein Kulturwandel an der Uni Bremen statt. Der Uni wird immer bewusster, dass man am Thema Nachhaltigkeit nicht mehr vorbeikommt. Die neue Rektorin Jutta Günther möchte das Thema als Leitthema setzen, das finde ich natürlich sehr gut. Auch deswegen haben wir sie als Studierende bei der Wahl zur Rektorin unterstützt. Ich finde, dass sie eine sehr kämpferische Person ist, die mit viel Entschlossenheit gesellschaftliche Projekte angehen möchte. Dabei tritt sie sehr authentisch auf, weswegen ich ihr so einen Wandel auch zutraue. Wir hatten immer den Eindruck, dass sie unseren Anliegen auch wirklich zuhört.

Julia Broderius
Julia Broderius engagiert sich bei den Students for Future und ist gewähltes Mitglied der studentischen Vertretung in der AS-Kommission für Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Klimaneutralität.
© Universität Bremen

Julia: Ein Wandel ist aber auch notwendig, denn es gibt wirklich viele Personen, die lange Zeit für Veränderungen gekämpft haben. Ich rede hier zum Beispiel von Doris Sövegjarto-Wigbers. Ihr jahrelanges Engagement muss man an dieser Stelle würdigen. Gerade entwickelt sich die Situation an der Uni grundsätzlich in eine richtige Richtung und wir als Studierende können viel Energie reinbringen, um diesen Prozess voranzutreiben. Gleichzeitig darf man aber auch nicht aufhören, falsche und zu langsame Entwicklungen zu kritisieren. Der Wandel, der gerade stattfindet, ist positiv zu bewerten, aber bisher wurde durch die Gremienbeschlüsse vor allem Papier produziert.

Was meint ihr damit?

Dominik: Zum Beispiel ist die Rettung der „Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit“ ein gutes Signal, weil bei dieser Studierende aller deutschen Hochschulen an Lehrveranstaltungen für nachhaltige Entwicklungen teilnehmen und Credit Points erhalten können. Die Akademie wird nun nicht mehr nur über Drittmittel, sondern direkt über die Uni finanziert. Da sollte aber in der Zukunft noch mehr kommen. Bisher sind das vor allem einzelne Maßnahmen, aber für die Zukunft wünsche ich mir, dass Jutta Günther die großen Projekte angeht. Die Studierenden haben ihr einen großen Vertrauensvorschuss entgegengebracht und jetzt muss auch etwas passieren.

„Das Green Office soll da eingreifen und im Bereich Nachhaltigkeit ein Wissensspeicher für Studierende werden.“

Auf welche großen Projekte spielt ihr an?

Dominik: Wir denken vor allem an die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie, eine häufigere Berufung von Professuren mit Nachhaltigkeitsbezug, eine stärkere Konzentration auf Fragen der Klimagerechtigkeit und daran, als Uni klimaneutral zu werden.

Dominik Lange
Dominik Lange ist Referent für Hochschulpolitik im AStA, Mitglied im Akademischen Senat (AS) und bei den Students for Future.
© Universität Bremen

Julia: Vielleicht aber zunächst ein Punkt, der auf den ersten Blick eher klein wirkt. Mit den im Rahmen der NKK-Kommission geplanten Green Offices. Studentisches Engagement hat in der Coronazeit sehr gelitten. Das gefährdet den Transfer von Wissen innerhalb der Studierendenschaft stark. Und es ist nun mal so, dass die Mitarbeiter:innen der Uni meistens länger an der Uni sind als Studierende. Dadurch entstehen bestimmte Wissenshierarchien.

Das Green Office soll da eingreifen und im Bereich Nachhaltigkeit ein Wissensspeicher für Studierende werden und die Vernetzung verbessern. Das ist wichtig, denn neue Studierende müssen einfach wissen, was wir als Students For Future schon geschafft haben und woran wir gerade arbeiten. Dann fällt es viel leichter, auch eigene Ideen und sich selbst stärker einzubringen sowie den ganzen Prozess schneller weiterzuentwickeln. Und da finde ich es gut, dass die Uni uns zwei studentische Stellen für das Green Office zugesagt hat. Das gibt Studierenden, die aktiv sind, die Möglichkeit, eine bezahlte Stelle zu erhalten und einen Wissensspeicher für nachfolgende Generationen von Studierenden anzulegen.

Wir leben nämlich in einer Gesellschaft, die in sehr vielen Bereichen strukturell nicht nachhaltig handelt. Beim Ausbeuten von Ressourcen ist es ganz offensichtlich, aber auch bei beispielsweise Erschöpfungsdepression wird das deutlich. Wir gehen oft über unsere körperlichen, aber auch emotionalen Ressourcen hinweg, was keine nachhaltige Lebensweise ist. Das Stichwort ist hier zum Beispiel die soziale Nachhaltigkeit.

Dominik: Und bei vielen anderen Bereichen ist es vielleicht auf den ersten Blick noch gar nicht klar, was das mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Mir ist es deshalb vor allem wichtig, dass alle Fachbereiche anfangen, Verantwortung zu übernehmen. Auch um das Thema Klimagerechtigkeit voranzutreiben.

„Die Energiewende darf beispielsweise nicht zu Lasten von benachteiligten Gruppen vorangetrieben werden.“

Was meinst du mit Klimagerechtigkeit?

Dominik: Wir reden hier von MAPA, also den Most Affected People and Areas. Wir finden diesen Begriff treffender als vom globalen Süden zu sprechen. Es gibt zum Beispiel Küstenstädte, die in ein paar Jahren überschwemmt werden. Dort leben Menschen, die am wenigsten für den globalen CO2-Ausstoß verantwortlich und gleichzeitig am stärksten von den Folgen betroffen sind. Auch diesen Menschen muss eine lebenswerte und nachhaltige Perspektive geboten werden.

Hier kann die Uni vor allem in Forschung und Lehre noch mehr Initiative ergreifen. Man sollte sich in diesem Zusammenhang fragen, wie die Gesellschaft nachhaltig ausgerichtet werden kann. Die Energiewende darf beispielsweise nicht zu Lasten von benachteiligten Gruppen vorangetrieben werden. In Bremen haben wir beispielsweise das artec (Forschungszentrum Nachhaltigkeit) und das ZMT (Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung), die genau an diesen Fragen forschen und noch besser ausgestattet werden müssen. Der entscheidende Begriff ist hier die sozial-ökologische Transformation, bei der die Uni eine Schlüsselrolle einnehmen muss. Hier kann und muss die neue Rektorin, gemeinsam mit der gesamten Uni, starke Impulse setzen.

Um noch mal auf die NKK-Kommission zurückzukommen. Wann rechnest du mit einer Umsetzung konkreter Projekte?

Julia: Grundsätzlich ist der Zeitplan für das Leitbild zwölf Monate. Dazu gab es bereits zwei Sitzungen des Lenkungskreises, der unter der Leitung von Jutta Günther steht. Ich gehe davon aus, dass wir das neue Leitbild innerhalb eines Jahres auch im AS beschließen können. Mitte 2023 sollte dieses an der Uni Bremen feststehen, da bin ich sehr zuversichtlich.

Auch bei den bereits erwähnten Green Offices bin ich sehr optimistisch. Wir gehen davon aus, dass wir diese spätestens gegen Ende 2022 besetzen können.

Grundsätzlich ist es mir aber wichtig zu sagen, dass alles, was gerade passiert, als Prozess betrachtet werden sollte und deshalb auch nie abgeschlossen ist. Dieser wird gerade angestoßen, um langfristige und nachhaltige Veränderungen zu etablieren. Hier sehe ich die Hauptaufgabe der Uni, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu formulieren, die klare und verbindliche Ziele hat. Wo wollen wir im Jahr 2030 stehen? Wollen wir 2030 klimaneutral sein? Oder wollen wir einen neuen Forschungsleuchtturm zu sozial-ökologischer Transformationsforschung haben? Wir haben schon einiges geschafft, aber in vielen Fragen sind wir noch immer ganz am Anfang.

Weitere Informationen

Mehr Infos zur Arbeit der Students for Future Bremen gibt es auf ihrer Webseite.

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