Und dann? Bin ich am Ball geblieben
Das Studium ist beendet, der erste Job kann kommen – oder? Im neuen Jahrbuch der Uni Bremen erzählen insgesamt acht Absolventinnen und Absolventen, wie es ihnen nach ihrem Abschluss ergangen ist.
Der gebürtige Somali Zaki Bare Warsame war einer der ersten Absolventen des Programms „Zukunftschance Ausbildung“. Mit diesem Programm ermöglicht der Bremer Senat jungen Geflüchteten über eine einjährige Einstiegsqualifizierung den Weg in eine duale Berufsausbildung – unter anderem in Zusammenarbeit mit der Universität Bremen. Heute arbeitet Warsame als Chemielaborant im Fachbereich Biologie / Chemie der Universität.
Herr Warsame, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag an der Universität Bremen?
Natürlich! Das war im Sommer 2014. Ich war 18 Jahre alt und es war der erste Tag meines Praktikums hier in den Chemielaboren. Als es Zeit für die 30-minütige Mittagspause war, bin ich mit dem zweiten Praktikanten, Suhayb Osman, nach draußen gegangen. Wir hatten uns etwas zu essen mitgebracht und haben uns einfach auf die Wiese am Mensasee gesetzt. Diesen Moment habe ich mir genau gemerkt. Am letzten Tag unserer Ausbildung habe ich mich dann wieder zusammen mit Suhayb an genau die gleiche Stelle gesetzt und ihn gefragt: „Na, erinnerst du dich noch daran, wann wir hier zusammengesessen haben?“ Das war ein gutes Gefühl. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch schon, dass ich nach meiner Ausbildung weiter als Techniker an der Uni Bremen arbeiten werde.
Dann war es für Sie der richtige Weg, die Ausbildung an der Uni Bremen zu beginnen?
Meine Mutter hat immer ein somalisches Sprichwort zitiert. Übersetzt heißt es so viel wie: „Bildung ist nicht alles, aber ohne Bildung ist alles nichts.“ Deswegen denke ich, dass es ein Glücksfall war, dass ich die Chance zur Ausbildung als Chemielaborant bekommen habe. Eigentlich wollte ich als Kind immer Arzt werden. Nachdem ich dann hier in Deutschland ein Praktikum beim Zahnarzt gemacht hatte, fand ich das aber nicht mehr so interessant. Stattdessen habe ich mich daran erinnert, dass ich schon in der Schule Chemie immer sehr spannend fand. Direkt am ersten Tag meines Praktikums im Rahmen der Einstiegsqualifizierung hier durfte ich dann erste kleine Experimente durchführen. Das hat mich überzeugt! Ich arbeite sehr gerne praktisch.
Der Weg an die Uni war also der richtige, aber war er auch ein einfacher Weg?
Natürlich war es physisch und mental sehr anstrengend. Zum Start meines Praktikums 2014 hatte ich erst ein Jahr deutschen Sprachunterricht hinter mir. Zusätzlich musste ich mich noch jeden Tag damit auseinandersetzen, die deutsche Kultur kennenzulernen und die Menschen hier zu verstehen. Den Sprachkurs habe ich parallel zum Praktikum und später zur Ausbildung weiter besucht. Ich wollte einfach dranbleiben, weil Sprache so ein wichtiger Schlüssel zu der Kultur eines Landes ist. In meiner Ausbildung von 2015 bis 2018 war das alles dann ganz schön viel: Drei Tage in der Woche Ausbildung vor Ort in den Laboren und zwei Tage in der Berufsschule – und eben noch zusätzlich der Sprachunterricht. Aber ich hatte tolle Unterstützung. Zum Beispiel von Peter Brackmann, meinem Ausbildungsleiter. Ich konnte mit Fragen immer zu ihm kommen, egal ob persönlich oder fachlich.
“Außerdem möchte ich gerne der Gesellschaft etwas von dem zurückgeben, was sie mir an Unterstützung gegeben hat.”
Statt nach Ihrer Ausbildung der Uni den Rücken zu kehren, haben Sie sich entschieden, weiter hier zu arbeiten. Warum?
Ich hätte auch Möglichkeiten gehabt, in Unternehmen als Chemielaborant anzufangen. Allerdings fand ich es schöner, bei meiner Arbeit weiter mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neue Dinge zu entdecken und zu erforschen. Die Arbeit hier ist jeden Tag anders und ich lerne immer etwas dazu. In der Industrie hätte ich wahrscheinlich an einem bestimmten Arbeitsplatz jeden Tag die gleichen Dinge zu tun. Das reizt mich nicht so sehr. Außerdem möchte ich gerne der Gesellschaft etwas von dem zurückgeben, was sie mir an Unterstützung gegeben hat. Dafür ist die Wissenschaft ein guter Ort.
Sie sind als 17-Jähriger allein aus dem Süden Somalias nach Deutschland gekommen. Wie haben Sie Ihre erste Zeit in Bremen erlebt?
Heute ist Bremen meine zweite Heimat. Seit über sechs Jahren bin ich hier und habe nie den Wunsch gehabt, umzuziehen. Damals, 2013, war das alles aber natürlich eine große Herausforderung für mich. Als ich herkam, fühlte ich mich in der ersten Zeit hilflos wie ein Neugeborenes. Da passt es ganz gut, dass ich hier auch meinen ersten Geburtstag gefeiert habe. In Somalia haben wir natürlich auch gerne gefeiert, aber eben nicht den Geburtstag. Alles hier war neu, alles war anders. Nur ein paar Beispiele, womit ich mich auseinandersetzen musste: Ständig bekam ich Post vom Amt in einer Sprache, die ich noch nicht beherrschte. Den deutschen Winter musste ich als Somali auch erst mal überstehen. Außerdem unterscheidet sich die Mimik und Körpersprache der Deutschen von denen der Somalis. Wenn ich jemandem während eines Gesprächs länger in die Augen schaue, ist das in Somalia eine Provokation. Ich musste erst lernen, dass es hier respektvoll gemeint ist und signalisiert, dass man aufmerksam zuhört.
Inzwischen sind Sie gut in Bremen angekommen. Wie haben Sie diese Herausforderungen gemeistert?
Am Anfang war ich sehr auf Hilfe angewiesen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Glücklicherweise gab es viele Menschen, die mir geholfen haben. Natürlich habe ich auch negative Erfahrungen gemacht, aber die positiven überwiegen eindeutig. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich bin außerdem ein Typ, der von sich aus immer versucht, am Ball zu bleiben. Für mich war zum Beispiel immer klar, dass ich die Prüfungen in der Ausbildung bestehen werde – durchfallen war keine Option. Außerdem habe ich eine Regel: Zweimal Nachfragen oder um Hilfe bitten ist okay, aber beim dritten Mal muss ich immer versuchen, es selbst zu schaffen. Damit läuft es ganz gut. Wahrscheinlich hilft es auch, dass ich sehr neugierig und kontaktfreudig bin. Ich tausche mich gerne mit anderen Menschen aus und begegne allen mit Respekt, egal welche Herkunft oder Religion sie haben.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Auf jeden Fall möchte ich gerne weiter hier an der Uni arbeiten. Vielleicht überlege ich mir auch, mich noch weiterzubilden und selbst einen Ausbilderschein zu machen. Ich würde auch gerne wieder mehr Sport machen. Als ich nach Bremen kam, habe ich viermal in der Woche trainiert und bin 5 Kilometer in 16 Minuten gelaufen. Dieses Training habe ich zusätzlich zur Ausbildung nicht mehr geschafft. Ich möchte aber gerne irgendwann mal einen Marathon laufen.
Zaki Bare Warsame hat nach einem Praktikum an der Uni Bremen, eine Duale Ausbildung als Chemielaborant ebenfalls an der Uni begonnen und 2018 abgeschlossen.