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Und dann? Wollte ich die Gesellschaft ein Stück verbessern

Das Studium ist beendet, der erste Job kann kommen – oder? Im neuen Jahrbuch der Uni Bremen erzählen insgesamt acht Absolventinnen und Absolventen, wie es ihnen nach ihrem Abschluss ergangen ist.

Uni & Gesellschaft

Morin Kamga Fobissie hat von 1999 bis 2005 Wirtschaftswissenschaft an der Uni Bremen studiert. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Mitbewohner Stephan Frost gründete er 2005 das Kaffeeunternehmen Utamtsi, das für direkten und fairen Handel und für ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit steht. Was als WGIdee entstand, ist heute ein erfolgreiches Unternehmen mit Vorbildcharakter: Utamtsi setzt sich für die gezielte Einbindung von Frauen und Menschen mit Beeinträchtigung ein und unterstützt zahlreiche weitere Projekte.

Herr Kamga Fobissie, warum haben Sie sich für ein Studium in Bremen entschieden?

Da muss ich etwas ausholen. Ich bin auf dem Land in Westkamerun geboren, habe dort die Schule besucht und auch studiert. Am Ende meines Studiums bin ich nach Douala, die größte Stadt Kameruns, gegangen. Dort habe ich mich für ein Stipendium im Bereich Wirtschaft / Unternehmensführung beworben, mit dem man im Ausland an einer privaten Uni studieren konnte. Und weil ich neben Englisch und Französisch gerne noch eine dritte Sprache lernen wollte, habe ich mich für Koblenz in Deutschland entschieden. Ich bin im Oktober 1997 für einen zweijährigen Sprachkurs nach Bremen gekommen, der mich auf das Studium in Koblenz vorbereiten sollte. Während dieser Zeit wurde an der Uni Bremen, die ja eine eher linke Universität ist, der Begriff „Elite“ sehr negativ diskutiert. Da habe ich mir gedacht, wenn das so ist, dann passe ich als Bauernkind besser hierher als an eine private Uni. Also bin ich zum Studium in Bremen geblieben.

Mit seinem damaligen Mitbewohner Stephan Frost hatte Morin Kamga Fobissie die Idee eines fairen und nachhaltigen Kaffeeunternehmens.
©GfG/Universität Bremen

Welche Erwartungen hatten Sie zu Be ginn Ihres Studiums? Und haben sie sich erfüllt?

Ich habe studiert, um die wirtschaftliche Problematik in meinem Heimatland Kamerun zu verstehen und die Situation dort vielleicht sogar verbessern zu können. Die kamerunischen Bauernkinder, wie ich selbst eines war, haben sehr schlechte Bildungschancen. Chancengleichheit und soziale Mobilität sind nicht gegeben. Deshalb waren meine Gedanken: Wie kann es sein, dass Menschen von frühmorgens bis spätabends hart arbeiten und doch arm bleiben? Wie kann man es möglich machen, dass sie von ihrer Arbeit leben können? Welche Marktlösungen gibt es? Mein Studium hat enorm dazu beigetragen, meine Gedanken in ein theoretisches Konzept einzubetten und über Lösungsmodelle nachzudenken. Ich hatte die Chance, die Professorinnen und Professoren kennenzulernen, die aus der linken Bewegung kamen: Heide Gerstenberger, Adelheid Biesecker, Jörg Huffschmid und Rudolf Hickel. Mit ihnen konnte ich die Problematik intensiv diskutieren – sogar außerhalb der Vorlesungen. Das war ein großes Privileg.

Wie haben Sie Ihre Studienzeit erlebt? Gibt es etwas, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Schon während des Sprachkurses bin ich über das Evangelische Studienwerk mit der Uni und den Studierenden in Berührung gekommen. Ich habe mich stark dafür engagiert, dass auch ausländische Studierende während des Semesters arbeiten dürfen. Das war damals eine gemeinsame Aktion mit dem AStA. Diese Möglichkeit der Mitbestimmung und die Einbindung von Studierenden in Entscheidungsprozesse im Akademischen Senat, das hat mir sehr gut gefallen.

“Die Leute konnten es nicht glauben und haben das Geld bei der Bank auf Echtheit prüfen lassen.”

Wie kam es zu der Idee, Utamtsi zu gründen?

Ich habe in einer sehr lebendigen, internationalen Wohngemeinschaft gelebt. Beim Kaffeetrinken mit meinem Mitbewohner Stephan Frost kam die Frage auf, was entlang der Wertschöpfungskette passiert, wenn der Kaffee, der hier für 10 DM pro Pfund verkauft wird, den Kaffeebauern in Kamerun 30 Pfennig pro Kilo einbringt. 2003, noch während des Studiums, sind wir gemeinsam nach Kamerun gereist, um herauszufinden, wie der wirtschaftliche Weg des Kaffees von der Plantage bis nach Bremen verläuft. Wir haben festgestellt, allein bis zur Röstung gibt es zwölf Zwischenhändler – und jeder muss mitverdienen.

Schon während der Reise wussten wir, dass wir die Situation verbessern wollen. Zurück in Bremen haben wir uns vorgenommen, das Startkapital für eine Unternehmensgründung zusammenzubringen. Ich habe im Stahlwerk in Gröpelingen gearbeitet, Stephan bei Lemförde Metall. Im September 2005 konnten wir starten. Wir gründeten mit Utamtsi einen Kaffeehandel, der auf fairen und nachhaltigen Bedingungen basiert. Zwei Monate später sind wir wieder nach Kamerun gereist und haben den ersten Kaffee eingekauft. Und zwar für 1,32 Euro pro Kilo, sodass die Produktionskosten auf jeden Fall gedeckt sind.

Wie waren die Reaktionen darauf?

Die Leute konnten es nicht glauben und haben das Geld bei der Bank auf Echtheit prüfen lassen. Wir haben auf jeden Fall Bewegung in den Markt gebracht. Die Bauern wussten, dass sie ihren Kaffee auch für viel mehr Geld verkaufen können als zuvor und wollten nicht mehr an die Mittelsmänner verkaufen. Die hatten schon lange ihre Reviere aufgeteilt, doch auf einen Schlag gab es Preise, die sie sich nicht vorstellen konnten. Einer der Mittelsmänner hat uns aufgesucht und wollte, dass wir uns vom Markt zurückziehen. Wir haben natürlich abgelehnt. Uns wurde auch gedroht, aber wirklich gefährlich geworden ist es glücklicherweise nie.

Der Grundgedanke seines Kaffeeunternehmens beruht auf Nachhaltigkeit: “Wie können wir unsere Bedürfnisse befriedigen, ohne die Bedürfnisse der zukünftigen Generationen zu beeinträchtigen?”
©GfG/Universität Bremen

Im Jahr 2005 waren lokale Kaffeeröstereien noch nicht so verbreitet wie heute. Wie war es, ein solches Start-up zu gründen?

Es gab einige Dinge zu tun. Mein Geschäftspartner Stephan Frost hat ein Existenzgründungsseminar an der Uni Bremen belegt, denn als Religionswissenschaftler hatte er ja keine wirtschaftlichen Kenntnisse. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt zwar eine Aufenthaltsbewilligung, aber keine Aufenthaltserlaubnis. Die brauchte ich aber, um Geschäftsführer werden zu können. Mithilfe der Handelskammer, die unsere Geschäftsidee unterstützt hat, habe ich dann schnell den für die Arbeitsgenehmigung nötigen Aufenthaltsstatus bekommen. Ich erinnere mich auch an einen Notar, der immer wieder die Sinnhaftigkeit unserer Idee infrage stellte. Dabei war das ja gar nicht seine Aufgabe. Dann ging das Klinkenputzen los. Wir waren auf jedem kleinen Fest in der Region, haben Cafés und Kneipen in Bremen abgeklappert. Das hat mal besser und mal schlechter geklappt.

Auch dem Studierendenwerk Bremen haben wir mehrmals Testpakete geschickt – ohne Antwort. Aber dann meldete es sich doch bei uns, um unseren Kaffee zu testen. Es stellte sich heraus, dass einer unserer Kunden ohne unser Wissen Utamtsi-Kaffee für eine Blindverkostung zu einer Kaffee-Messe gebracht hatte. Über diesen Weg ist das Studierendenwerk auf uns aufmerksam geworden, und wir sind ins Geschäft gekommen. Trotzdem mussten wir eine ganze Zeit noch parallel arbeiten, um uns die Selbstständigkeit überhaupt leisten zu können. Es hat gedauert, bis wir davon leben konnten.

Was würden Sie anderen Menschen raten, die zwar eine Idee im Kopf haben, denen aber vielleicht der Mut fehlt, sie umzusetzen?

Mein Rat an alle, die sich selbstständig machen wollen, ist: Glaubt daran! Alles ist erst mal als Traum entstanden. An diesen muss man glauben – und daran arbeiten. Ausdauer ist das A und O. Und genauso wichtig ist es, Menschen davon zu erzählen. Irgendwann ist eine Person dabei, die ausschlaggebend für den Erfolg des Projekts ist. Deshalb sollte man jeden, den man trifft, ernst nehmen und ihm von der Idee er zählen: Was man vorhat, warum es gut ist, warum man sich dafür einsetzt.

Heute verkaufen Sie pro Jahr 40.000 Tonnen Kaffee. Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft von Utamtsi?

Utamtsi verfolgt den Gedanken der Nachhaltigkeit: Wie können wir unsere Bedürfnisse befriedigen, ohne die Bedürfnisse der zukünftigen Generationen zu beeinträchtigen? Das müssen wir mit unserem Konsum- und Produktionsverhalten gewährleisten. Diesem Grundsatz möchte ich weiter treu bleiben.

Morin Kamga Fobissie machte sein Diplom in Wirtschaftswissenschaften 2005 an der Uni Bremen.

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Das gesamte Jahrbuch mit allen acht Alumni-Geschichten samt weiteren Infos zu den Personen, Steckbriefen und Illustrationen gibt als PDF zum Download auf der Website der Uni Bremen

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