„An der Uni ist eine gute Work-Life-Balance möglich“
Akademischer Mittelbau im Fokus: Dr. Sarah L. Fornol aus dem Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften
Ihr Studium in Vechta begann sie noch, um Lehrerin zu werden – dann aber packte sie das Interesse an der Forschung: Dr. Sarah L. Fornol spezialisierte sich auf die Grundschuldidaktik im Fach Deutsch und arbeitet als Wissenschaftlerin auf diesem Gebiet. An der Universität Bremen ist sie seit 2017 als Lektorin in der Abteilung „Fachdidaktiken des Primar- und Elementarbereichs“ tätig.
Lehrerin werden! Das war das Ziel, als die Osnabrückerin Sarah L. Fornol 2006 an der Hochschule Vechta mit ihrem Studium der Sozial-, Kultur- und Naturwissenschaften begann. Schwerpunktfächer waren Germanistik und Sachunterricht, hier insbesondere Biologie. Vechta blieb zunächst auch ihr Lebensmittelpunkt, denn nach dem Bachelor machte sie dort auch den Master of Education für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen.
„Natürlich stellt man sich irgendwann die Frage, wie es weitergeht“, erinnert sich Sarah L. Fornol. Sie hatte mittlerweile gemerkt, dass sie die Forschung interessierte – „die Hausarbeiten, die Bachelor- und die Masterarbeit haben mir großen Spaß gemacht.“ Ihr Interesse galt der Sprachdidaktik, unter anderem der Diagnose und Förderung von Laut- und Schriftsprache. In diesem Bereich arbeitete sie nach ihrem Master auch als Lehrbeauftragte der Universität Vechta.
Erstmal das zweite Staatsexamen gemacht
Die Möglichkeit, als Grundschullehrerin zu arbeiten, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht aus der Welt, „denn Kinder zu unterrichten, ist eine tolle Sache.“ Deshalb machte sie einen wichtigen Zwischenschritt: „Auf Anraten meiner späteren Doktormutter habe ich 2012 zunächst das zweite Staatsexamen für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen gemacht. Die Praxiserfahrungen, die ich bei meiner Arbeit an einer Grundschule in Cloppenburg gemacht habe, kommen mir noch heute zugute.“
Doch dann ging es endgültig in die Forschung. Sarah L. Fornol folgte „ihrer“ Professorin Anja Wildemann, die 2011 von Vechta an die Universität Koblenz-Landau wechselte: „Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass Wimis ihre Professorin oder ihren Professor begleiten, zu deren Arbeitsgruppe sie gehören.“ Am dortigen Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter wirkte Sarah L. Fornol vier Jahre lang im Arbeitsbereich Grundschulpädagogik mit und schrieb dabei an ihrer Doktorarbeit. „Bildungssprachliche Mittel in Schülertexten“ lautet der Titel der Dissertation, für die sie rund 500 Schülertexte auswertete.
„Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass Wimis ihre Professorin oder ihren Professor begleiten.“
Sich ausdrücken können – für die Bildung von Kindern sehr wichtig
Worum geht es bei diesem Schwerpunkt, der seither im Mittelpunkt ihrer Forschungen steht? „Sprache ist bei der Bildung von Kindern ungemein wichtig – und dabei insbesondere, dass man sich richtig ausdrückt. Also nicht sagt: ,das Dings‘ oder ;das Teil‘, sondern den Gegenstand sachlich richtig bezeichnet“, erläutert sie. Fachausdrücke und einen komplexeren Satzbau verwenden, Sachverhalte auch mal im Passiv beschreiben – „wenn ich das beherrsche, bin ich schulisch erfolgreich,“ so ihre These. Was bis dahin noch unerforscht war: Wo stehen die Schülerinnen und Schüler denn eigentlich, was wissen sie wirklich?
In ihrer Forschungsarbeit wertete sie die sprachlichen Merkmale aus den 500 Texten aus und schaute sich dabei verschiedene Gruppen an, zum Beispiel Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationshintergrund. „Meine Ergebnisse sind natürlich breit gefächert, aber generell kann man sagen, dass es schon einiges an Wissen bei Grundschulkindern gibt.“
Aber ihr fielen Besonderheiten auf: „Eine Erkenntnis war beispielsweise, dass Bildungssprache oft schriftlich verwendet, aber funktional nicht richtig eingesetzt wird. Ein Junge schrieb zum Beispiel: ‚Dann gelangt die Verdauung in den Magen‘. Das ist ja fachlich nicht richtig – und in solchen Fällen müssen die Lehrkräfte sehr darauf achten, dass es korrigiert wird.“ Sprache nicht nur in den Fachbegriffen zu lehren, sondern auch auf deren richtige Verwendung zu achten, sei somit eine Aufgabe nicht nur von Deutschlehrerinnen und -lehrern, sondern beispielsweise auch von Sport-, Kunst- und Mathematiklehrerinnen und -lehrern.
Für Karriere und Familie zurück in den Norden
Auch wenn sich Sarah L. Fornol in Landau wohlfühlte und Erfolg hatte – der Norden Deutschlands rief 2017 wieder. Denn ihr Mann war als Lehrer nacheinander in Hamburg und Nordhorn tätig. Sarah L. Fornols Heimatstadt Osnabrück schien der richtige Ort, um der Fernbeziehung ein Ende zu machen. „Mittlerweile ist mein Mann Schulleiter in Bad Essen, das passt gut“, schmunzelt sie. „Und ich habe als Wissenschaftlerin einen Ansprechpartner aus der harten Praxis“, freut sie sich. Mittlerweile hat das Paar auch zwei Kinder.
Der Schritt zurück nach Norden fiel umso leichter, weil die Sprachdidaktikerin 2017 auf einer Tagung zum „Texte schreiben in der Grundschule“ an der Universität Koblenz-Landau Professor Sven Nickel von der Universität Bremen begegnete. Der leitete bis vor kurzem den Arbeitsbereich Deutschdidaktik in der Abteilung „Fachdidaktiken des Primar- und Elementarbereichs“ des Fachbereichs Erziehungs- und Bildungswissenschaften. In seiner Arbeitsgruppe trat Sarah L. Fornol eine halbe Stelle als Lektorin an. Ihre dortigen Arbeitsschwerpunkte Bildungssprache, Sprachsensibler (Fach-)Unterricht, Sprachförderung und Mehrsprachigkeit passten ideal zu dem, was sie bisher gemacht hatte.
„Primär geht es bei Lektorinnen und Lektoren natürlich um die Lehrtätigkeit. Wir bilden die Lehrerinnen und Lehrer von morgen aus“, berichtet sie. Im Fach Deutsch achtet sie darauf, die künftigen Lehrkräfte auf einen sprachsensiblen Unterricht vorzubereiten. „Ich kann hier in Bremen aber auch meine Forschungsinteressen einbinden. Ich bin zum Beispiel nahe am Promotionsteam unseres Arbeitsbereiches und tausche mich dort oft mit den Kolleginnen und Kollegen aus.“
„Abendschicht“ lässt sich nicht immer vermeiden
Als Pendlerin und Mutter von zwei Kindern hat Sarah L. Fornol an der Universität als wissenschaftliche Mitarbeiterin eine 50 Prozent-Stelle gefunden, mit der sie eine gute „Work-Life-Balance“ realisieren kann. „Sven Nickel hat mich und meine Kolleginnen und Kollegen dabei sehr unterstützt. Schade, dass er jetzt an die Uni Bozen gewechselt ist“, sagt sie. „Wir sind hier generell sehr kinderreich. Familie und Beruf lassen sich hier aber gut miteinander vereinbaren – auch, weil darauf geachtet wird.“ Dass man als Wissenschaftlerin mit Kindern oft eine „Abendschicht“ von 20 bis 23 Uhr einlegen müsse, lasse sich bei dieser Familienkonstellation nicht vermeiden.
„Familie und Beruf lassen sich hier gut miteinander vereinbaren – auch, weil darauf geachtet wird.“
In der Regel ist sie zwei Tage in der Woche in Bremen präsent. Allerdings nicht mehr, seitdem Corona auch den Universitätsbetrieb beeinflusst: „Mit Zoom-Videokonferenzen und Screencasts kann ich meine Lehre digital abhalten. Das wird auch im Wintersemester so sein – da habe ich mich früh festgelegt, damit alle wissen, woran sie sind und worauf sie sich vorbereiten müssen.“ Zu Anfang sei es schon ungewohnt gewesen, eine Vorlesung wie das Pflichtmodul „Grundlagen der Sprachdidaktik“ für 180 Studierende vor einem Bildschirm halten zu müssen, „aber das hat sich eingespielt.“
Seit 2018 ist Sarah L. Fornol auch Mitherausgeberin eines wissenschaftlichen Magazins. Im Friedrich-Verlag erscheint „Grundschule Deutsch“, eine Publikation, mit der die neuesten didaktischen Erkenntnisse aus Forschung und Praxis einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden. Lehre und Forschung „Made in Bremen“ – das geht auch in der Grundschuldidaktik sehr gut.