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Atmen im All: Künstliche Photosynthese als Schlüsseltechnologie?

Dr. Katharina Brinkert erklärt, wie ihre Forschung nicht nur neue Perspektiven für die Raumfahrt eröffnen könnte, sondern auch vielversprechende Wege für eine effizientere Energiegewinnung auf der Erde bereithält

Forschung / Weltraum

Raumfahrtmissionen sehen sich einigen bedeutenden Herausforderungen gegenüber. Dazu gehört auch die nachhaltige Erzeugung von Sauerstoff und anderen Chemikalien in einer Umgebung, die unseren irdischen Bedingungen diametral entgegengesetzt ist. In diesem Kontext erforschen Dr. Katharina Brinkert und ihr Team neue Lösungsansätze: Im Fokus ihrer Arbeit steht die Photoelektrokatalyse – ein elektrochemischer Prozess, der die Beschleunigung und Steuerung chemischer Reaktionen direkt mittels Sonnenlicht ermöglicht. Ihre Forschung könnte nicht nur eine Optimierung der Lebensbedingungen von Astronaut:innen im Weltraum, sondern auch die Beantwortung grundlegender Fragen zur effizienten Sonnenenergienutzung auf der Erde ermöglichen.

Wie genau funktioniert die Photoelektrokatalyse?

Die Photoelektrokatalyse ist ein Prozess, der die Prinzipien der natürlichen Photosynthese nachahmt. Sie vereint Grundsätze der Photochemie und -physik sowie der Elektrokatalyse. Im Wesentlichen verwenden wir Halbleiter, wie sie auch in Bildschirmen zum Einsatz kommen, als künstliche Lichtabsorber, ähnlich wie Pflanzen Chlorophyll nutzen. Diese Halbleiter sind mit Elektrokatalysatoren versehen, die bestimmte Reaktionen katalysieren können. Abhängig von der Art der Ladung, die durch die Lichtabsorption freigesetzt und auf den Elektrokatalysator übertragen wird (Elektronen oder Löcher), können Reduktions- oder Oxidationsreaktionen durchgeführt werden. Wenn Protonen reduziert werden, können wir zum Beispiel Wasserstoff erzeugen, während bei der Oxidation von Wasser Sauerstoff produziert wird.

Man könnte also sagen, dass Sie sich damit beschäftigen, wie die künstliche Photosynthese auf anderen Planeten funktionieren kann?

Genau. Wir vertiefen unser Verständnis der künstlichen Photosynthese, indem wir die Prinzipien der natürlichen Photosynthese nachahmen – ein Ansatz, der als Biomimetik bekannt ist. Unsere Forschung an der künstlichen Photosynthese konzentriert sich darauf, genau die Prozesse in der Pflanze nachzuahmen und zu verstehen, welche für die Produktion von Sauerstoff und anderen energiereichen Verbindungen wie beispielsweise Wasserstoff wichtig sind. Langfristig haben wir das Ziel, sie mit Hilfe von Sonnenlicht im Weltraum zu erzeugen.

Und warum nutzten Sie dafür keine natürliche Photosynthese?

Die Entscheidung für die künstliche Photosynthese basiert auf der Notwendigkeit, anpassungsfähige Technologien für den Weltraumeinsatz zu entwickeln. Zwar haben wir dort die Sonnenenergie, sowie CO2 und, wenn wir es bereitstellen, ebenfalls Wasser. All diese Ressourcen sind sowohl auf dem Mars als auch auf dem Mond vorhanden. Allerdings ist die Umsetzung der Photosynthese auf diesem Planeten eine deutlich größere Herausforderung als auf der Erde. Die Photosynthese ist ein biologischer Prozess, bei dem Pflanzen, Algen und einige Bakterien Lichtenergie verwenden, um Kohlendioxid und Wasser in Glukose und Sauerstoff umzuwandeln. Dieser Prozess ist eng mit den spezifischen Umweltbedingungen auf der Erde verbunden, und es gibt mehrere Gründe, zum Beispiel Gravitation, Atmosphäre und Temperatur, warum Photosynthese auf anderen Planeten nicht unbedingt in der gleichen Weise funktionieren würde. Zudem spielt das Lichtspektrum eine Rolle, denn Pflanzen auf der Erde sind an die spezifischen Wellenlängen des Sonnenlichts angepasst. Auf dem Mond und auf dem Mars ist das Sonnenlichtspektrum ein anderes, was die Effizienz der Photosynthese beeinflusst. Zudem produziert die natürliche Photosynthese als Energieträger Stärke, die jedoch nicht unseren Energieanforderungen in der Gesellschaft genügt.

Warum ist die Produktion von Sauerstoff und anderen chemischen Verbindungen für Raumfahrtmissionen so entscheidend?

Raumfahrtmissionen stehen vor der Herausforderung, in einer extremen Umgebung wie dem Weltraum autark zu sein. Die Produktion von Sauerstoff und anderen Verbindungen spielt eine entscheidende Rolle, da sie die Grundlage für die Lebenserhaltungssysteme der Raumfahrzeuge und -stationen bildet. Ein konkretes Beispiel ist die kontinuierliche Bereitstellung von atembarer Luft, die durch die Sauerstoffproduktion gewährleistet wird. Ohne diese autarke Versorgung wäre eine Langzeitmission im Weltraum nicht möglich. Bei Weltraummissionen, sind nachhaltige Methoden zur Sauerstoffproduktion und CO2-Recycling von größter Bedeutung. Astronaut:innen auf der ISS haben zwar bereits funktionierende Sauerstoffproduktionssysteme, allerdings erfolgt hier die Produktion durch Elektrolyse von Wasser, welche durch externe Solarzellen betrieben wird und erhebliche Energiemengen erfordert. Unsere Forschung zielt darauf ab, alternative Methoden zu entwickeln, die diese Prozesse in der Schwerelosigkeit effizienter und nachhaltiger gestalten. Die Autarkie in Bezug auf lebenswichtige Ressourcen wie Sauerstoff und Wasserstoff ist essentiell für Langzeitmissionen und die Erschließung des Weltraums. Daher ist die Produktion von Sauerstoff und anderen chemischen Verbindungen nicht nur eine technologische Herausforderung, sondern auch eine grundlegende Voraussetzung für das Überleben und den Erfolg zukünftiger Raumfahrtmissionen.

Katharina Brinkert und ihr Team führen die Experimente in Mikrogravitation im Fallturm des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen durch.
© ZARM

Wie kann ein auf Sonnenlicht angewiesenes System im extremen Marswinter, wo die Sonneneinstrahlung deutlich geringer ist als auf der Erde, effizient funktionieren? Gerade in dieser Jahreszeit, wenn die Sonne für längere Perioden nicht verfügbar ist, scheint die Herausforderung besonders groß zu sein.

Das ist ein wichtiger Punkt, denn für die Systeme, die auf Sonnenenergie angewiesen sind, müssen natürlich effiziente Speichermechanismen für die Energie mitgedacht werden. Die Speichermechanismen sind übrigens nicht nur für den Marswinter relevant, sondern spielen ganzjährig eine Rolle. Auf dem Mars müssen sie dabei vergleichsweise viel Energie speichern, da die Sonneneinstrahlung hier grundsätzlich deutlich geringer ist als auf dem Mond oder der Erde.

Inwiefern könnte die Technologie, die Sie für Raumfahrtmissionen entwickeln, nicht nur auf dem Mars, sondern auch hier auf der Erde dazu beitragen, Energie effizienter zu nutzen?

Unsere Forschung zur künstlichen Photosynthese und Photoelektrokatalyse hat das Potenzial, nicht nur die Raumfahrttechnologie Anwendung zu finden, sondern auch Fortschritte in Bezug auf Energieeffizienz und die grüne Energiewende hier auf der Erde zu bringen. Der Schlüssel liegt in der effizienten, direkten Nutzung von Sonnenenergie, insbesondere für die Produktion von Brennstoffen wie Wasserstoff. Dies ist vor dem Hintergrund des wachsenden Bedarfs an grünen Treibstoffen besonders wichtig. Da dieser wiederum auf erneuerbare Energiequellen angewiesen ist, könnten die Ergebnisse unserer Forschung dazu beitragen, die Effizienz von Sonnenergieumwandlung und -speicherung zu verbessern. Somit würden nicht nur Raumfahrtmissionen von dieser Technologie profitieren, sondern auch die Entwicklung umweltfreundlicher Energiesysteme und die Reduktion der CO2-Emissionen auf unserem Planeten.

Wenn wir in die Zukunft blicken, wie sehen Sie die Rolle der Photoelektrokatalyse in unserem täglichen Leben, sei es auf der Erde oder bei zukünftigen Raumfahrtmissionen?

Ein Blick in die Zukunft bleibt natürlich spekulativ, da wir noch daran arbeiten, die Stabilität unseres Systems so zu erhöhen, dass es bessere Effizienzleistungen gibt. Wir arbeiten außerdem mit Modellen, die beispielsweise die Effizienzen auf dem Mond und Mars voraussagen, was uns bei der Optimierung hilft. Ein weiterer Aspekt, den wir bei diesem Ausblick berücksichtigen müssen, ist die Frage der Finanzierung für die direkt mit Sonnenlicht betriebenen Systeme. Hier können bessere technologische und ökonomische Modellierungen helfen, zum Beispiel günstigere und nachhaltigere Materialien zu finden. Grundsätzlich bieten sich jedoch vielfältige Möglichkeiten für interessante Fragestellungen in der katalytischen Grundlagenforschung, da wir unter anderem auch untersuchen, wie sich Gravitation und niedrige Temperaturen auf die elektrochemische Produktion von chemischen Verbindungen auswirkt.

Auf der anderen Seite könnten auch konkrete Anwendungen gefunden werden. Beispielsweise wäre der Einsatz in Wüsten- und/oder Polarregionen denkbar, wo wir ohne vorhandene Infrastruktur lokal mit Hilfe von Sonnenlicht etwa Düngemittel durch in der Luft vorhandenen Stickstoff produzieren können. In Polarregionen könnte aufgrund der klimatischen Bedingungen effizient CO2 aus der Atmosphäre gewonnen werden, um vor Ort Brennstoffe zu generieren.

Über Katharina Brinkert und die „Humans on Mars“ Initiative:

Die Initiative Humans on Mars erforscht innovative Lösungen für die nachhaltige Erkundung des Mars durch den Menschen. Dass diese auch auf der Erde von enormem Nutzen sein könnten, zeigt die Forschung der Arbeitsgruppe „Photoelektrokatalyse” unter der Leitung von Katharina Brinkert, die sich mit der Herstellung von Sauerstoff und anderen Chemikalien durch künstliche Photosynthese beschäftigt. Dazu finden Experimente in Mikrogravitation im Fallturm des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) an der Universität Bremen statt.

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