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Marsvisionen: Ein nachhaltiges Leben zwischen den Sternen

Interview mit Dr. Christiane Heinicke aus der „Humans on Mars“-Initiative

Forschung / Nachhaltigkeit / Weltraum

Von Atemluft bis zum Mars-Ackerbau – im Gespräch mit Dr. Christiane Heinicke, über die Herausforderungen und Lösungen für ein nachhaltiges Leben auf unserem Nachbarplaneten.

Wenn in ca. 40 Jahren die Raketen für die erste menschliche Mission zum Mars bereitstehen, werden Sie dann soweit sein, alles notwendige Wissen und Material für das Leben und Überleben auf dem Mars bereitstellen zu können?

Wir sind ja zum Glück nicht die Einzigen, die daran arbeiten, eine Mission zum Mars zu ermöglichen. Das wäre auch gar nicht möglich, dafür ist eine derartige Mission zu komplex. Davon abgesehen bin ich optimistisch, dass es nicht noch 40 Jahre dauern wird, bis der erste Mensch zum Mars fliegt.

Sie haben schon Entwürfe für die ersten Behausungen erstellt. Warum sollen die Menschen auf dem Mars in Röhren und Zylindern leben?

Die Form der Behausung ist eigentlich egal, wichtig ist aber, dass sie dem Druckunterschied zwischen innen (1 bar, wie auf der Erde) und außen (6mbar Umgebungsdruck auf dem Mars) standhalten kann. Das können Formen ohne Ecken und Kanten am besten. Man kann sich das wie bei einem Luftballon vorstellen. Wenn er aufgeblasen wird, wird er rund. Insofern wären Kugeln eigentlich die besten Häuserformen. Zylinder sind aber der Kompromiss, bei dem man auch Möbel an die Wand stellen kann.

Woher beziehen die dort lebenden Menschen die Atemluft?

Häuser auf dem Mars, sog. Habitate, haben ja keine Fenster zum Öffnen. Da würde die kostbare Luft rausströmen. Stattdessen muss die Luft (und Wasser auch) mit Hilfe eines sogenannten Lebenserhaltungssystems wieder aufbereitet werden: Es wird das ausgeatmete CO2 aus der Luft absorbiert und gleichzeitig neuer Sauerstoff produziert. Das kann man physiko-chemisch machen, also z.B. über Absorber und Sauerstoff-Tanks, oder über Elektrolyse. Oder man setzt bioregenerative Lebenserhaltungssysteme ein, in denen Kohlendioxid durch Photosynthese in Sauerstoff umgewandelt wird.

Werden sie ihre Lebensmittel von der Erde mitnehmen oder müssen sie sich auf dem Mars selbst versorgen? Wie werden sie das tun? Ackerbau und Viehzucht sind ja wohl kaum möglich?

Ja und ja. Ich vermute, dass es auf eine Mischung von Nahrungsmitteln hinauslaufen wird, die auf dem Mars hergestellt werden - das spart Masse beim Start und ermöglicht frisches Gemüse - und auf der Erde - wie zum Beispiel eben um die Crew mit Fleisch zu versorgen.

In den Gebäuden wird es Labore geben. Aber was und wie werden Menschen auf dem Mars ansonsten arbeiten?

Das hängt vom konkreten Missionsszenario ab. Die Überlegungen reichen von einer reinen Forschungsstation ähnlich wie in der Antarktis, wo neben den Forscher:innen nur Personal lebt, das für den Betrieb der Station notwendig ist, bis hin zu größeren Siedlungen, in denen früher oder später u.a. auch Tourist:innen leben werden.

Glauben Sie, dass die Menschheit ihre Mars-Mission kooperativ angehen wird oder wird es einen gnadenlosen Wettbewerb zwischen den USA und China bzw. zwischen Elon Musk und Jeff Bezos geben?

Ich hoffe auf Ersteres. Wobei Konkurrenz bekanntlich das Geschäft belebt und vielleicht dazu führt, dass wir eben nicht 40 Jahre auf den Flug zum Mars warten müssen.

Nachhaltigkeit steht im Zentrum der Initiative „Humans on Mars“ – könnte das nicht ein Nachteil im Wettbewerb mit staatlichen und privatwirtschaftlichen Raumfahrtagenturen sein, die sich der Forschung vor allem mit dem Ziel der „Eroberung“ des Weltraums bzw. anderer Planteten stellen?

Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Wir wollen uns nicht an einem Wettbewerb beteiligen, der die Zerstörung der einzigartigen Umwelt auf dem Mars als unvermeidlichen Kollateralschaden hinnimmt. Unser Ziel ist vielmehr aufzuzeigen, dass und wie Menschen auf dem Mars auf nachhaltige Art und Weise leben können. Unsere Hoffnung ist, so dazu beizutragen, dass die Fehler auf der Erde nicht auf anderen Planeten wiederholt werden.

Wie kann das gelingen: Die Besiedlung des Mars durch uns Menschen ohne Ausbeutung des Planeten? In der gesamten Geschichte aller Expansionen war es doch immer anders.

Wir werden die vor Ort vorhandenen Ressourcen auf dem Mars brauchen, um Menschen am Leben zu halten, keine Frage. Aber die Methoden, an denen wir arbeiten, zielen darauf ab, möglichst verantwortungsvoll und schonend mit den sehr knappen Ressourcen umzugehen. Ein Ansatzpunkt dabei ist beispielsweise, keine Energie darauf zu verschwenden, ein tolles, glänzendes Produkt herzustellen, sondern eines, dass “nur” funktional ist aber dafür einen Bruchteil an Energie in der Herstellung braucht.

Ein wichtiger Teil, um Leben auf dem Mars überhaupt zu ermöglichen, ist ja die Materialforschung. Haben Sie ein Beispiel für einen Bereich, in dem sich jetzt schon ein tatsächlicher oder potentieller Nutzen für uns „Erdlinge“ abzeichnet?

Eine spannende Herausforderung des Mars ist, dass es keine fossilen Brennstoffe auf dem Mars gibt. Die einzige Quelle für Kohlenstoff ist die Atmosphäre - in Form von CO2. Stellen Sie sich einmal vor, wir schaffen es, aus diesem atmosphärischen Kohlenstoff Plastik herzustellen - mit der gleichen Technologie hätten wir auf der Erde nicht nur eine neue, bioregenerative Form der Plastikherstellung, sondern nebenbei einen Weg gefunden, den CO2-Gehalt in unserer Atmosphäre zu senken. Der „Martian Mindset“ soll uns schon jetzt helfen, bevor Menschen überhaupt zum Mars fliegen, Wege und Technologien zu finden, von denen wir auf der Erde profitieren können.

Über Christiane Heinicke und die Humans on Mars“ Initiative

Die „Humans on Mars“-Initiative erforscht innovative Lösungen für die nachhaltige Erkundung des Mars durch den Menschen. Die Geophysikerin Christiane Heinicke leitet dabei die Entwicklung von Habitaten für den Nachbarplaneten. Die zylindrischen Module sollen nicht nur funktional, sondern auch für die psychische Gesundheit der Crew ausgelegt sein. Die Initiative, bestehend aus etwa 60 Wissenschaftler:innen verschiedener Fachbereiche und entwickelt Technologien, die auch auf der Erde anwendbar sind. Die Forschung konzentriert sich dabei auf menschliche Aspekte und umfasst bioregenerative Lösungen, Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, Lebenserhaltungssysteme sowie die Nutzung lokaler Ressourcen, z.B. für die Produktion von Ersatzteilen vor Ort.

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