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„Biochemisch sind wir wie eine Art Lollipop“

Akademischer Mittelbau im Fokus: Dr. Mario Waespy aus dem Fachbereich Biologie/Chemie

Campusleben

Glykobiochemie. Das klingt im ersten Moment sehr speziell, dabei verrät das Wort doch beinahe schon alles: Es geht um Glyko – also Zucker – an der Schnittstelle von Biologie und Chemie. Dr. Mario Waespy hat in der gleichnamigen Arbeitsgruppe am Fachbereich Biologie/Chemie auf diesem Gebiet schon beeindruckende Forschungserfolge erzielt. An der Universität Bremen ist er bereits seit 2004 – erst als Student, dann als Doktorand, jetzt als Post-Doc.

Die Naturwissenschaften klagen seit Jahren über Nachwuchsmangel. Gut, dass ein Chemielehrer im Schulzentrum Bremen-Mitte Mario Waespy in den Jahren 2001 bis 2004 für die Naturwissenschaften „gerettet“ hat: „Eigentlich schwirrten mir damals Berufe wie Bürokaufmann oder Hotelmanager im Kopf herum“, erinnert sich der Biochemiker an seine Oberstufen-Schulzeit. „Aber im Leistungskurs Chemie hat der Lehrer den Stoff so interessant und spannend präsentiert, dass es richtig viel Spaß gemacht hat.“ Und so wurde der heutige Post-Doc in der Arbeitsgruppe von Professor Sørge Kelm dann doch noch in die „richtige“ Richtung gelenkt. Die Universität Bremen sagt „Danke“!

Denn mit Mario Waespy ist ein Nachwuchswissenschaftler im Fachbereich Biologie/Chemie erfolgreich, der eine Wissenschaftskarriere zunächst gar nicht geplant hatte. Erst studierte er von 2004 bis 2010 Chemie an der Bremer Uni – „ein Studiengang, in dem der Anteil der Biochemie überschaubar war“, so Waespy. Doch im Rahmen seiner Diplomarbeit nutzte er die Freiheiten, die es damals noch für Abschlussarbeiten gab („Masterstudiengänge sind meiner Meinung nach im Vergleich zum damaligen Diplomstudiengang stärker verschult“) und kam mit dem Forschungsthema von Sørge Kelm in Kontakt: der Glykobiochemie. Seither lässt ihn die Wissenschaft rund um dieses spezielle Gebiet der Biochemie nicht mehr los.

Die aus der Kälte kommen: Mario Waespy holt sein „Arbeitsmaterial“ aus Tanks, die die Zellen zur langfristigen Lagerung mit flüssigem Stickstoff kühlen.
© Christian Arend / Universität Bremen

Forschungsgebiet Schlafkrankheit

„Unsere Zellen sind von verschiedenen Glykanen umgeben, also Zucker,“ erklärt der 37-Jährige sein Fachgebiet. „Biochemisch sind wir wie eine Art Lollipop.“ Die Charakterisierung der Interaktionen von Zuckermolekülen mit Proteinen sind Gegenstand der Arbeiten in der AG Kelm. Seine Diplomarbeit und auch die Promotion hatten ansatzweise auch mit seiner Herkunft zu tun: Mario Waespy ist in Kolumbien geboren, lebt aber seit seinem 2. Lebensjahr in Deutschland. In Südamerika und Zentralafrika gibt es Parasiten – die Trypanosomen – , die dort die sogenannte Chagas- bzw. Trypanosomiasis (Schlafkrankheit) bei Menschen verursachen. Gegen diese Krankheit gibt es bislang keine wirklich effektiven und nebenwirkungsfreien Therapien. Die vergleichsweise unzureichende Forschungs-Infrastruktur in den betroffenen Ländern verhindert echte Fortschritte im Kampf gegen die Krankheit. „Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO hat anerkannt, dass diese eine vernachlässigte Tropenkrankheit ist“, so der Post-Doc.

Ein bestimmtes Enzym dieser Parasiten beschäftigt den Biochemiker seither: „Ich habe eine ganz spezielle Funktion dieser interessanten Enzyme gefunden und weiter untersucht, die möglicherweise Ansatzpunkte für neue Therapien, Medikamente oder Wirksubstanzen in sich birgt.“ Dabei erforscht er nicht die Parasiten selbst im Labor, sondern die Zusammenhänge auf molekularer Ebene: „Wir schauen uns Enzyme oder Proteine und deren biologische Funktionen an. Sowas kann man natürlich nicht direkt mit einem herkömmlichen Licht-Mikroskop sehen.“ Eher ist also der Rechner sein Arbeitsinstrument.

„Entweder man hat Glück oder man ist im richtigen Projekt.“

Gutachter aus dem Ausland

Biochemische Tests mit photometrischer Bestimmung, Kalibrierungsgrade und Konzentrationsermittlung, Enzymkinetiken … wenn Mario Waespy seine Forschungen erklärt, wünscht man sich bald, man hätte in Chemie besser aufgepasst. Fakt ist: Der Bremer ist mit seiner Forschung in einem Feld, in der die wissenschaftliche Gemeinschaft eher klein ist, sehr erfolgreich. Die Gutachter seiner Arbeiten waren angetan. Die musste er sich teilweise in Großbritannien, Südamerika und Afrika suchen, weil dort die Expertinnen und Experten für dieses Fachgebiet arbeiten.

Für Nachwuchswissenschaftler fallen die Stellen nicht vom Himmel, das ist auch bei Mario Waespy so. „Entweder man hat Glück oder man ist im richtigen Projekt“, fasst er die Suche nach der Weiterbeschäftigung zusammen. Denn just zum Ende seiner Promotion initiierten Professor Kelm und seine Kollegin Ursula Mirastschijski – wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centrum für Biomolekulare Interaktionen der Universität Bremen und Fachärztin für Plastische und Ästhetische Chirurgie (damals am Klinikum Bremen-Mitte) – ein Forschungsprojekt, in dem es um eine neue Therapie zur Behandlung von chronischen Wunden ging. „Als Chemiker habe ich in dem Projekt die notwendigen organischen Synthesen übernommen“, sagt Waespy. „Zunächst einmal war das für mich eher ein Job – eine Möglichkeit, noch an der Universität und in Bremen zu bleiben, meinen Lebensunterhalt zu verdienen und weiter zu forschen. Aber dann hat sich das Projekt so gut entwickelt und mich so begeistert, dass ich mit viel Herzblut dabei bin.“

Enzyme oder Proteine und deren biologische Funktionen interessieren den Post-Doc der Universität. Die Ergebnisse wertet er am Rechner aus.
© Christian Arend / Universität Bremen

Erst halbe Stelle – später die Projektleitung

So kann eine Karriere als Post-Doc verlaufen: 2016 mit einer halben Stelle in diesem Projekt gestartet, führten erste positive Ergebnisse ein Jahr später zu einer Förderung durch die VW-Stiftung. Ein Folgeantrag hatte dann 2018 zur Folge, dass Mario Waespy sogar die Projektleitung übernehmen konnte und damit eine volle Stelle hat. Anfang 2021 soll ein weiterer Antrag auf Fortführung folgen

Im Fachbereich ist der junge Wissenschaftler dank seiner Forschungsergebnisse mittlerweile anerkannt und mit mehreren Professorinnen und Professoren im Kontakt. „Es ergeben sich immer wieder Vorhaben, an denen ich mitarbeiten kann – zwar zeitlich begrenzt, aber mit dem Ergebnis, dass ich am Fachbereich bleiben und weiter forschen kann.“ Auch aus privaten Gründen – Mario Waespy hat eine Familie gegründet und fühlt sich in Bremen wohl – möchte er gerne weiter in der Hansestadt leben. „Phasen der Unsicherheit oder auch Stress hat man in jedem Beruf, natürlich auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Aber wenn man sich darüber zu sehr einen Kopf macht, kommt man nicht voran.“

„Ich suche noch Lehrveranstaltungen!“

Besser sei es, gut zu arbeiten, zu publizieren, sein Netzwerk auszubauen und „sich in Position zu bringen, wo immer sich neue Dinge ergeben“, beschreibt er seinen Weg als WiMi. Gerne würde er auch noch mehr in der Lehre arbeiten, speziell in der Grundlehre, „denn die hat einen hohen Stellenwert und macht sich gut im Lebenslauf. Aber gerade da kommt man schwer ran. Man könnte sagen: Ich suche noch Lehrveranstaltungen!“

„Phasen der Unsicherheit oder auch Stress hat man in jedem Beruf, natürlich auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter.“

Die Karriere bis hin zur Habilitation und vielleicht sogar Professur fortzusetzen, hat Mario Waespy durchaus im Hinterkopf. „Um einen Lehrstuhl zu bekommen, müsste ich eines Tages aber auch aus Bremen weggehen, was ich mir im Moment noch nicht vorstellen kann“, so der Biochemiker. „Dazu kommt, dass die sehr gute interdisziplinäre Vernetzung der Arbeitsgruppen aus den verschiedenen Fachbereichen fast schon so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal der Uni Bremen ist. In diesem Maße ist das nicht häufig an Universitäten zu finden, und dadurch entsteht hier eine hervorragende wissenschaftliche Umgebung für Nachwuchsforscher wie mich.“ Natürlich könne er nach einer Habilitation auch als Privatdozent arbeiten. Das Promotionsrecht – also die Ausbildung von Doktoranden – würde ihm dann zustehen und ihn auch reizen. Bereits jetzt kümmert er sich um viele Aufgaben, die auch im Rahmen einer Habilitation zu bewältigen wären.

Bälle in der Luft halten – je mehr desto besser

Zurzeit kümmert sich der Nachwuchswissenschaftler im frühen Stadium um ein weiteres Vorhaben: „Man muss mehrgleisig fahren!“ Es geht dabei um Mitochondrienforschung, „die Kraftwerke unserer Zellen.“ Auf einem sehr hohen Niveau wollen Expertinnen und Experten mehrerer Fachbereiche und externe Institute hier eine neue Richtung verfolgen und einen neuen Forschungsschwerpunkt etablieren. Das Wichtigste für Mario Waespy: Er ist dabei. „Man muss die Bälle in der Luft halten“, beschreibt er sein Leben als WiMi, „je mehr desto besser!“

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