"Was nützt der beste Roboter, wenn ihn keiner haben will?“
Soziologe Uwe Engel über die Akzeptanz von künstlicher Intelligenz in der Gesellschaft
Wie künstliche Intelligenz unser Leben in Zukunft verändern wird, hat eine interdisziplinäre Projektgruppe vom Sozialwissenschaftlichen Methodenzentrum der Universität Bremen in einer repräsentativen Umfrage untersucht. Ein Ergebnis: Viele Menschen stehen dem Einsatz von Robotern und KI im persönlichen Umfeld skeptisch gegenüber. Wie sollten Forschung und Entwicklung darauf reagieren?
Während ich diesen Text im Homeoffice schreibe, surrt Staubi — unser Staubsaugroboter — leise über den Wohnzimmerboden und saugt Staubmäuse, Krümel und anderen Schmutz ein. Methodisch fährt er das ganze Zimmer ab. Alles ganz automatisch. Schon heute kommen Serviceroboter oder virtuelle Sprachassistenten in Haus und Garten zum Einsatz. Doch Staubi und Co. sind nur der Anfang. Ob im Pflegeheim, im Büro, im Supermarkt oder an der Universität: Roboter und künstliche Intelligenz (KI) werden immer stärker Teil unseres Alltags. Bald könnten sie alte und gebrechliche Menschen pflegen, neue Kolleginnen und Kollegen einstellen, Regale befüllen oder Schulkinder und Studierende unterrichten.
„Künstliche Intelligenz gilt als Zukunftstechnologie“, sagt Professor Uwe Engel der das Sozialwissenschaftliche Methodenzentrums an der Universität Bremen seit der Gründung 2007 bis 2020 geleitet hat. „Sie wird Einzug in unsere Gesellschaft halten.“ Zusammen mit seinem Team erforscht er, wie künstliche Intelligenz unser Leben verändern wird. Dazu hat er in einer repräsentativen Umfrage 216 Bremerinnen und Bremer befragt. Eine zentrale Frage sollte klären, auf welche soziale und ethische Akzeptanz KI und Roboter in verschiedenen Lebensbereichen in der Bevölkerung treffen.
Drei von vier Menschen haben ein positives Roboterbild
„Grundsätzlich haben drei von vier Menschen ein positives Bild von Robotern“, erläutert der Soziologe, „und weniger als zehn Prozent bezweifeln, dass Roboter gut und notwendig für die Gesellschaft sind. Allerdings: Robotern in Haushalt, in Pflegeheimen oder im Bildungs- und Dienstleistungsbereich stehen die meisten Befragten skeptisch gegenüber.“ Stattdessen würden die Menschen den Einsatz der Maschinen vorrangig in Logistik, Industrie, Weltraum und Meeresforschung sehen. Menschen sind Robotern und KI gegenüber skeptischer, je direkter sie mit ihnen in Kontakt kommen, wie Engel sagt.
Diese Formel zeige sich in der Umfrage dem Forscher zufolge beispielhaft im Bereich „Pflege“. „Über die Hälfte der Befragten erwarten, dass sich künftig Menschen und Roboter in Pflegeeinrichtungen die Betreuung der Patientinnen und Patienten teilen werden. Gefragt nach ihrer Meinung dazu, fanden 37 Prozent den Einsatz von Pflegerobotern „nicht so gut“ und 23 Prozent „überhaupt nicht gut“. Im Zweifel würden die Befragten Assistenzroboter eher für sich selbst akzeptieren, als für Angehörige. „Aber“, betont der Sozialwissenschaftler, „wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage bereits tatsächlich vom Thema „Pflege“ betroffen sind und es somit für sie ein relevantes Problem ist, sinkt die Zustimmungsquote zur Roboter-Unterstützung von circa ein Drittel auf ein Viertel und darunter.“
Mangelndes Vertrauen in ethische Grundsätze der Roboter
Eine Erklärung: Im eigenen Alltag spiele Kommunikation eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse der Umfragen zeigten, dass die Haltung vorherrsche, die zwischenmenschliche Kommunikation könne nicht durch eine Kommunikation zwischen Mensch und Maschine ersetzt werden, „so intelligent diese Maschine auch sein mag“. Die Skepsis der Menschen speise sich nur teilweise aus Sorge vor unsicherer, fehleranfälliger Technik. Genauso wichtig seien Zweifel, dass bestimmte ethische oder normative Standards eingehalten werden. Engel: „Besonders deutlich wurde dieser Aspekt bei der Frage ,Personalauswahl‘: Die Vorstellung dahinter ist, dass die Vorauswahl der passenden Arbeitnehmerinnen und -nehmer in Zukunft automatisiert ablaufen soll.“ Bei der Umfrage kam heraus: Sobald Zweifel existieren, dass eine KI wirksam vor Diskriminierung schützen kann, wollten die Befragten, dass weiterhin Menschen die Personalentscheidung treffen.
Schlüsselwörter: Transparenz und Bildung
Überrascht haben den Wissenschaftler diese Ergebnisse nicht. „Wir haben Fragen gestellt, die sich auf das Jahr 2030 beziehen. Daher kann es noch keine eigenen Erfahrungswerte geben.“ Er ist der Ansicht, dass die Ergebnisse andere wären ,hätten die Menschen bereits größere Berührungspunkte mit Maschinen wie beispielsweise Pflegerobotern. „Die kommenden Jahre, in denen es um die Entwicklung von Robotern für den häuslichen Einsatz geht, werden außerordentlich wichtig für die Akzeptanz werden.“ Für Professor Engel ist die Frage nach Akzeptanz dieser neuen Technologien der zentrale Punkt. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass KI und Roboter entwickelt werden. Daraus entsteht der Druck, dass diese Technologie auch tatsächlich von der Gesellschaft angenommen wird. Was nützt der am besten entwickelte Roboter, wenn ihn keiner haben will?“
Die Frage der ethischen und sozialen Akzeptanz müsse bei den Entwicklerinnen und Entwicklern „ganz hoch angesiedelt“sein, hebt der Soziologe hervor. Er fordert, die Bevölkerung stark in Forschung und Entwicklung mit einzubeziehen und in den Diskurs einzubinden. „Das ist das verlässlichste Mittel, dass die Technologie auf Dauer akzeptiert wird.“ Um die Akzeptanz von Robotern und KI im persönlichen Umfeld zu steigern, sei neben Transparenz Bildung ein weiteres Schlüsselwort. „Was man immer wieder erlebt: Für viele Menschen ist gerade KI eine Black Box, sie wissen gar nicht, was das genau ist.“ Engel wünscht sich für Deutschland eine Schulungsoffensive für die breite Bevölkerung. „Wir müssen erklären, was sich hinter dem Begriff KI verbirgt und welche Absichten hinter den Algorithmen stecken.“
Bei mir zuhause piept es laut: Staubi ist fertig und zurück auf seine Station gefahren, um den Akku wieder aufzuladen. Das Fach mit dem eingesammelten Schmutz allerdings muss ich später selbst ausleeren. Das kann er noch nicht.
Informationen zur Umfrage
Unter dem Titel „Blick in die Zukunft — Wie künstliche Intelligenz (KI) das Leben verändern wird“ hat das Sozialwissenschaftliche Methodenzentrum an der Universität Bremen zwei Umfragen durchgeführt. Darin haben 297 Personen aus der Wissenschaft und Politik Bremens und eine repräsentative Auswahl von 216 Personen aus Bremen und umzu Fragen zu unterschiedlichen Zukunftsszenarien für KI und Roboter beantwortet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Robotik, Kognitionswissenschaften, Informatik, Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissenschaften waren an der Umfrage beteiligt.