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„Bremer Schnack“: Sprecht ihr schon „bremisch“?

Eine Annäherung an den Bremer Dialekt aus sprachwissenschaftlicher Sicht.

Uni & Gesellschaft / Studienstart

Gehen wir um’n Pudding, up’n Swutsch oder kaffeesieren? Du bist neu nach Bremen gezogen und verstehst nur Bahnhof? Keine Sorge, so geht es vielen Neu-Bremer:innen. up2date. hat den Linguisten und gebürtigen Bremer Dr. phil. Andreas Jäger gefragt, was für ihn „Bremer Schnack“ bedeutet.

Folgende Begriffe werden dir wahrscheinlich im Alltag in Bremen begegnen:

Das Schild mit dem Hashtag MOIN steht in den Bremer Wallanlagen.
Bild 1/19 Moin - Guten Morgen, guten Tag! (Sagt man aber auch abends, im Grunde immer.)
© Lena Wenke / Universität Bremen
Zwei junge Männer sitzen im Wohnzimmer auf dem Sofa und unterhalten sich
Bild 2/19 Schnacken / wir müssen mal wieder schnacken - sprechen, reden, erzählen
© Adobe Stock / zinkevych
Eine Cappuccino-Tasse steht auf einem Tisch, im Hintergrund ist ein Stück Apfelkuchen zu sehen.
Bild 3/19 Kaffeesieren – einen Kaffee trinken gehen
© Adobe Stock / Vitaliy Hrabar
Ein Post-it-Zettel mit einem Fragezeichen vor einem blauen Hintergrund
Bild 4/19 Nech? - kann ans Satzende angehängt werden und bedeutet so etwas, wie „nicht wahr?“
© Adobe Stock / ytemha34
Der Marktplatz in Bremen mit dem Bremer Rathaus, dem Bremer Dom und der Bürgerschaft.
Bild 5/19 Bremen und umzu – Bremen und das direkte Umland
© Adobe Stock / Mikhail Markovskiy
Das Haus Schütting am Bremer Marktplatz
Bild 6/19 Buten un binnen – draußen und drinnen (angelehnt an den Wahlspruch der Bremer Kaufleute „buten un binnen – wagen un winnen“, also „draußen und drinnen – wagen und gewinnen“) Butenbremer – Bremer:innen, die nicht mehr in Bremen wohnen
© Lena Wenke / Universität Bremen
Zwei Hände, die ineinander verschränkt sind
Bild 7/19 Da nich für – keine Ursache
© Adobe Stock / Prostock-Studio
Ein kleiner Vanillepudding liegt auf einem Teller und ist mit Karamellsoße übergossen.
Bild 8/19 Um’n Pudding gehen – eine Runde um den Block drehen
© Adobe Stock / Peter
Die Sielwallkreuzung in Bremen am Abend.
Bild 9/19 Wollen wir up’n Swutsch – ziehen wir um die Häuser?
© Lena Wenke / Universität Bremen
Graue gemütlich Hausschuhe mit Fellbesatz
Bild 10/19 Puschen – Hausschuhe / Komm in die Puschen - beeile dich
© Adobe Stock / vasanty
Eine ältere Frau hält verwirrt Ihr Mobiltelefon ans Ohr
Bild 11/19 Tüdelich – unbeholfen, durcheinander, verwirrt / Jemanden betüdeln – jemanden mütterlich umsorgen
© Adobe Stock / Yakobchuk Olena
Ein Kaugummi klebt an der Sohle eines Turnschuhs
Bild 12/19 Das backt - das ist klebrig
© Adobe Stock / lufeethebear
Ein Golden Retriever Welpe und eine Babykatze liegen zusammengekuschelt unter einer Decke.
Bild 13/19 Lüttsch – klein / Nen Lüttschen heben – einen Kurzen trinken
© Adobe Stock / Ermolaev Alexandr
Aus einer umgefallenen Kaffeetasse läuft Kaffee auf den hellen Teppich.
Bild 14/19 Plörre - zu dünner Kaffee, der nicht schmeckt / Ich hab geplörrt – ich habe etwas verschüttet
© Adobe Stock / Pixelot
Fünf eingepackte Pfefferminzstangen in rot-weißem Papier liegen auf einem Tisch.
Bild 15/19 Bremer Babbeler – Kräuterbonbon Stange (Bremer Spezialität) / Halt den Babbel – halt den Mund
© Lena Wenke / Universität Bremen
Ein junger Mann steht vor der Uni Mensa, über der Schulter hängt ein Jutebeutel mit dem Uni Bremen Logo. Er begrüßt zwei Studentinnen, die aus der Mensa kommen.
Bild 16/19 Büddel – Jutebeutel
© Matej Meza / Universität Bremen
Regen an der Fensterscheibe, im Hintergrund sind verschwommen Häuser zu erkennen.
Bild 17/19 Wat für’n Schmuddelwedder – So ein schlechtes Wetter.
© Lena Wenke / Universität Bremen
Ein Mann mit Schal und Mütze steht im Wohnzimmer und umarmt sich frierend selbst.
Bild 18/19 Frostködel - jemand die/der schnell friert
© Adobe Stock / Catalin Pop
Zwei junge Frauen umarmen sich herzlich
Bild 19/19 Lass dich knuddeln – lass dich umarmen
© Adobe Stock / fizkes

Herr Jäger, gehören solche Begriffe und Redewendungen aus Ihrer Sicht zum „Bremer Schnack“?

Das wäre aus sprachwissenschaftlicher Sicht etwas zu einfach. Es handelt sich hier um Begriffe, die sich auch in Wörterbüchern wie „Sprechen Sie Bremisch?“ oder ähnlicher Literatur finden würden. Diese sagen aber nichts darüber aus, wie häufig die Begriffe tatsächlich verwendet werden. Ich bin in Bremen aufgewachsen und kenne die Redewendungen und Begriffe, aber sie als typisch „bremisch“ zu bezeichnen, finde ich schwierig. Ich würde sagen, sie stammen aus dem norddeutschen Regiolekt, also die Art und Weise zu sprechen, die man überall als typisch norddeutsch erkennen würde – zumindest lassen sie sich nicht exklusiv nur dem stadtbremischen Gebiet zuordnen.

Was hat es mit dem norddeutschen Regiolekt auf sich?

Dieser ist darauf zurückzuführen, dass die Norddeutsche Tiefebene ursprünglich ein niederdeutsches Gebiet war, wo es eine Menge an Variation innerhalb des Plattdeutschen gab. Bis ins 16. Jahrhundert wurde hier nur Plattdeutsch gesprochen und auch die Schriftsprache sowie alle Dinge des öffentlichen Lebens wurden ganz selbstverständlich auf Plattdeutsch geregelt. Aufgrund von Machtverhältnissen ist dann das Hochdeutsch in die Region gekommen und es hat eine Art Mischung der Sprachen stattgefunden, das sogenannte Missingsch. Heutzutage sprechen übrigens die allermeisten Personen in Norddeutschland eine Form des Standarddeutschen, welches sich durchgesetzt hat, da es von offiziellen Personen mit Strahlkraft gesprochen und mit Prestige verbunden wurde. Man kann sich die schnellere Umsetzung und Etablierung des Hochdeutschen in den Städten daran erklären, dass dort mehr Leute mit Einfluss wohnten als auf dem Land und diese auch schon immer Schmelztiegel waren. Auch heute findet das noch Widerhall und erklärt, warum fast nur noch Personen Plattdeutsch sprechen, die auf dem Land wohnen.

Woran erkenne ich, woher jemand kommt innerhalb eines Regiolekts?

Man kann das über Selbstreflexion triggern, wenn man merkt, dass die Menschen anders reden, vielleicht nicht fundamental anders, sondern nur ein bisschen anders. Wer zum Beispiel aus Süddeutschland kommt, würde sprachliche Unterschiede zwischen Hamburger:innen und Bremer:innen vermutlich nicht heraushören. Wer aber aus der Region kommt, kann die feinen Unterschiede wahrnehmen. Es geht also immer um die Nähe und die Distanz, je dichter man dran ist, desto mehr nimmt man wahr, das ist Hörgewohnheit. Unterschiede machen wir häufig an lautlichen Markern fest, die immer wieder auftauchen. In Bremen und weiter westlich geht man „rübo“, (der letzte Laut klingt eher wie das „o“ in Topf oder Norden) in Hamburg „rübä“, aber letzteres sagt man in Rostock oder Kiel auch. Dialektgrenzen sind also nie Stadt- oder geografische Grenzen, trotzdem verbindet man einfachheitshalber auffällige Merkmale zum Beispiel im lautlichen Bereich in der Regel mit der größten Stadt in der Gegend. So entstehen Vorstellungen von einer stadtspezifischen Sprache, wie zum Beispiel dem „Bremer Schnack“.

„Meine persönliche Definition von Bremer Schnack wäre: Die Menge aller Ausdrücke, bei denen das höchste oder exklusive Verständnis nur innerhalb Bremens gewährleistet ist.“

Wie würden Sie denn „Bremer Schnack“ aus sprachwissenschaftlicher Sicht definieren?

Ich habe beobachtet, dass vielen Personen, die sich nicht intensiv mit Sprache beschäftigten, meistens gar nicht die Wichtigkeit von Sprache bewusst ist und wie viel Identität sie stiftet. Viele haben mal etwas aufgeschnappt und bilden sich aufgrund dessen eine dezidierte Meinung wie „das ist richtige oder falsche Sprache“. Aber wer definiert das? Sprache ist kein kodifizierter Standard und es kann daher auch keine „falsche“ oder „richtige“ Sprache geben. Es gibt aber andererseits auch viele Begriffe aus dem Bereich Sprache, mit denen Leuten etwas verbinden, die aber keiner so richtig definieren kann. Ich glaube, Bremer Schnack ist auch so etwas. Meine persönliche Definition von Bremer Schnack wäre: Die Menge aller Ausdrücke, bei denen das höchste oder exklusive Verständnis nur innerhalb Bremens gewährleistet ist.

Das ist sehr abstrakt. Was genau bedeutet das und welche Begriffe oder Redewendungen könnten da zum Beispiel drunter fallen?

Darunter verstehe ich Begriffe und Redewendungen, die man meistens nur verstehen kann, wenn man aus Bremen kommt. Das ist insgesamt eine recht kleine Menge. Dazu zählen würde ich zum Beispiel alles, was städtische Traditionen hat, die sich dann versprachlicht haben. Ein Beispiel ist der Ausspruch „Ischa Freimaak“, der sich auf die bremische Institution Freimarkt bezieht. Die Wortverschmelzung „ischa“ anstelle von „ist ja“, findet sich aber in der Umgebung Bremens auch wieder. Neu-Bremer:innen werden bestimmt auch über einige Ausdrücke stolpern, die eine Stadtreferenz haben und die einem zu Beginn nicht bekannt sind. Schwierig kann es werden, wenn man sich zum Bespiel am „Papageienhaus“ (das Hochhaus nahe des Hauptbahnhofs mit den bunten Fensterrahmen) oder an der „umgedrehten Kommode“ (der alte Wasserspeicher auf dem Stadtwerder) treffen möchte. Stadtspezifische Begriffe sind auch Namen von kulinarischen Besonderheiten, wie Bremer Knipp, Bremer Klaben, Schnoor Kuller oder Bremer Babbeler. Knipp gibt es allerdings im Umland auch.

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