Die Frühstudentin
Adela Talipov sammelt schon während ihrer Schulzeit Einblicke in das Unileben
Immer freitags wechselt Adela Talipov zwischen der Universität und dem Gymnasium hin und her: Im Rahmen eines Frühstudiums besucht die 16-jährige Schülerin eine Vorlesung zur Experimentalphysik. Für sie eine perfekte Gelegenheit, frei und ohne Druck Uniluft zu schnuppern.
Wenn sie über das Frühstudium an der Universität Bremen spricht, ist Adela Talipov ein Punkt besonders wichtig. „Man muss kein Genie sein, um daran teilzunehmen“, sagt sie. Viel bedeutender seien Neugier und Interesse. Und das gilt bei ihr besonders den naturwissenschaftlich-technischen Fächern. Am Gymnasium Vegesack geht die 16-Jährige in die 11. Jahrgangsstufe und hat Mathematik und Physik als Leistungskurse gewählt. Erste Einblicke in die Forschung an der Universität Bremen hatte sie bereits bei einer Schülerakademie im vergangenen Sommer bekommen. Da lag der Gedanke an ein Frühstudium nahe.
Einblicke in die Experimentalphysik
Bei einem Infotag erfuhr Adela Talipov mehr über das Angebot und suchte sich aus den Lehrveranstaltungen eine Vorlesung zur Experimentalphysik aus. Dabei spielten nicht nur fachliche, sondern auch praktische Überlegungen eine Rolle. „Ich wollte möglichst wenig Unterricht in der Schule verpassen“, sagt sie. So dreht sich bei ihr am Freitag alles um die Physik: Nach ihrer Vorlesung von acht bis zehn Uhr fährt sie zurück nach Vegesack – zum Physikunterricht in der fünften Stunde. Ganz ohne versäumten Unterricht geht es dennoch nicht. Den Stoff in den Fächern Geographie und Wirtschaft muss sie selbstständig nachholen.
Die Vorlesung hört sie zusammen mit regulären Studierenden und anderen Frühstudierenden. Dabei lernt sie unter anderem, wie sich der Radius und die Frequenz von Schwingungen bestimmen lassen. Das Thema mag für manche abstrakt klingen, begegnet einem im Alltag aber häufig, etwa bei schwingenden Schaukeln oder der Tonerzeugung von Musikinstrumenten. Am Ende des Semesters könnte Adela Talipov zu dem Stoff eine Prüfung ablegen und die Leistung in einem späteren Studium anrechnen lassen. Aktuell zieht sie das aber nicht in Erwägung. „Ich möchte mir keinen zusätzlichen Stress machen, sondern vor allem herausfinden, wie das Studium abläuft und ob es für mich infrage kommt.“
Hilfe von Mitstudierenden, Schule und Uni
Einen großen Unterschied zum Schulunterricht sieht sie darin, dass der Lernstoff in einem schnelleren Tempo behandelt wird. Außerdem bauen manche Inhalte auf Grundlagen auf, mit denen sie in der Schule noch nicht in Berührung gekommen ist, wie zum Beispiel der Integralrechnung. „Das sieht vielleicht auf den ersten Blick etwas einschüchternd aus, ist aber eigentlich gar nicht so kompliziert“, sagt sie. Wenn sie dennoch einmal etwas nicht versteht, kann sie ihren Physiklehrer um Hilfe bitten. Außerdem unterstützen sie und die anderen Frühstudierenden sich gegenseitig.
An der Universität Bremen wurde sie auch auf das Projekt „DroPS“ (Drop Tower Project for School Students) aufmerksam. Am Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) erhalten Jugendliche der Oberstufe die Möglichkeit, Experimente im Fallturm durchzuführen. Adela Talipov tat sich hierfür mit den anderen physikbegeisterten Frühstudierenden zusammen. Mit ihrer Versuchsidee bauen sie auf ihrem Wissen zur Experimentalphysik auf: Sie möchten mit starken Schallwellen experimentieren, wie sie etwa von Musikboxen produziert werden. Solche Schallwellen können Wasser in Schwingung versetzen – doch was passiert, wenn man das Experiment in der Schwerelosigkeit durchführt? Sechs Monate haben die Jugendlichen Zeit, um dieser Frage gemeinsam mit Forschenden der Universität auf den Grund zu gehen.
Rat an Studieninteressierte: „Macht das auf jeden Fall!“
Gemeinsam mit anderen Jugendlichen an ihrer Schule nimmt Adela Talipov außerdem am CanSat-Wettbewerb teil, bei dem die Schüler:innen eigene Minisatelliten bauen und mit ihnen Messungen durchführen. Dazu kommen für sie noch der reguläre Unterricht an der Schule, ihr Engagement in der Schülervertretung und ein Nebenjob als Kellnerin. Genug Zeit zum Entspannen und für ihre Freundinnen und Freunde bleibt ihr trotzdem. Deshalb möchte sie ihr Frühstudium auch in den kommenden Semestern fortsetzen. „Physik finde ich interessant, aber ich würde es nicht als einziges Fach studieren“, zieht sie Bilanz. Besonders spannend findet sie das Zusammenspiel von verschiedenen Disziplinen wie Mathematik, Physik und Chemie. Entsprechend plant sie auch schon, Veranstaltungen aus der Chemie oder den Materialwissenschaften zu belegen. „Macht das auf jeden Fall“, rät sie anderen Jugendlichen, die mit der Idee eines Frühstudiums spielen. „Man lernt nicht nur mehr über verschiedene Studienfächer, sondern trifft auch viele interessante Menschen.“