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Startup Cellumation: Die Legosteine der Fördertechnik

Erfolgreiches Startup aus dem Uni-Umfeld: Die BIBA-Ausgründung cellumation GmbH hat ein völlig neuartiges Fördersystem entwickelt

Uni & Gesellschaft

Zur richtigen Zeit mit der richtigen Idee die richtigen Leute begeistern – und schon ist der Erfolg programmiert? So einfach ist der Weg für eine Ausgründung aus dem Wissenschaftsbereich dann doch nicht. Die junge Bremer Firma cellumation GmbH, ein Startup aus dem Bremer Institut für Produktion und Logistik (BIBA), hat genau das geschafft. Im Logistik-Bereich ist ihre Fördertechnik-Entwicklung – der celluveyor – eine Innovation, die auf sehr großes Interesse stößt.

Omnidirektional und hexagonal. Diese beiden Worte spielen eine zentrale Rolle, wenn man die Erfindung celluveyor des Bremer Startups cellumation GmbH nachvollziehbar erklären will. Die Anordnung der Räder ermöglicht omnidirektionale Bewegungen des so benannten Transportsystems. Und hexagonal bedeutet sechseckig. So ist die einzelne Zelle des Systems gestaltet, die sich mit weiteren Zellen zu einer beliebigen Förderstraße zusammensetzen lässt.

Klick – klick – klick: Denkbar einfach lassen sich die Module miteinander verbinden. „Wir sprechen deshalb auch von den Legosteinen der Fördertechnik“, schmunzelt Dr.-Ing. Hendrik Thamer, Geschäftsführer der 2017 gegründeten cellumation GmbH. Hochflexibel, funktional, platzsparend und innovativ: Manche Presseberichte über den celluveyor bezeichnen diesen auch schon als „Revolution“.

Das Video zeigt die Funktionsweise des Celluveyor.
© cellumation

Die Entwicklung aus Bremen passt in eine Welt, in der die Logistik einen Boom erlebt hat. Bei der Paketlogistik kann man aufgrund der rasant steigenden Online-Bestellungen – die zusätzlich durch die Corona-Pandemie angetrieben wurden – beinahe schon von einen Tsunami sprechen. „Viele Menschen kennen die Bilder aus großen Hallen, in denen lange Bänder mit Paketen laufen. Geradeaus funktioniert das auch immer ganz gut, bei Richtungsänderungen, an Knotenpunkten oder Kreuzungen kommt es aber gerne auch mal zum Stau“, sagt Hendrik Thamer.

Erfindergeist aus dem BIBA

Es sei schon verrückt: man forsche in der Logistik an Pack-Robotern und der Paketzustellung durch Drohnen, „aber bei der Fördertechnik hat sich im Großen und Ganzen seit 1900 nicht wirklich viel verändert.“ Aber nun – dank des Erfindergeistes im BIBA, wo bereits seit 1981 intelligente Produktions- und Logistiksysteme erforscht werden.

Hier trafen Hendrik Thamer und Claudio Uriarte aufeinander. Nach seinem Informatik-Studium in Oldenburg hatte Thamer am BIBA als wissenschaftlicher Mitarbeiter begonnen und parallel dazu im Bereich künstliche Intelligenz in der Logistikautomatisierung promoviert; 2014 übernahm er im Institut die Position des Abteilungsleiters für Robotik und Automatisierung. Uriarte studierte in Chile Maschinenbau, qualifizierte sich dann in Deutschland als Entwicklungs- und Patentingenieur, leitete seit 2009 viele Entwicklungsprojekte und legte durch seinen Innovationsgeist die Grundlage für viele technische Innovationen am BIBA.

Erfolgreiche Gründer: Die beiden cellumation-Chefs Claudio Uriarte (links) und Hendrik Thamer starten mit ihrer Firma mittlerweile international durch.
© cellumation GmbH

Zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen griffen die beiden 2012 eine Idee von Claudio Uriarte auf: Er sollte in einem Forschungsvorhaben eine hochflexible Förderfläche entwickeln, die sich in alle Richtungen bewegen lässt. „Auf dem Markt gab es aber keine geeignete Technologie“, erinnert sich Uriarte heute. „Aus dem Projekt wurde deshalb nichts.“

Einige Monate später sah der heutige cellumation-Technikchef (Chief Technical Officer/CTO) dann einigen Robotern beim Fußballspielen zu „Die Fußballroboter bewegten sich ohne Probleme frei in alle Richtungen. Da dachte ich mir: Wenn wir die auf den Kopf stellen, müssten sich auf den Rollen doch ideal Pakete und andere Gegenstände mit flachem Untergrund transportieren lassen!“ erinnert er sich.

Jahrelang harte Arbeit bei der Produktentwicklung

Die Idee war geboren, aber bekanntlich ist der Kopf schneller als die Hände. „Eine Erfindung auszuarbeiten und zu konzipieren, sie weiterzuentwickeln und zur Patentreife zu bringen, Hardware zu bauen und Software zu programmieren – das bedeutet jahrelange harte Arbeit“, machen Thamer und Uriarte unisono klar. Und man braucht tatkräftige Hilfe auch von anderer Seite: Durch das Institut, durch Existenzförderung, durch Beratungsangebote. All das hatten die heutigen cellumation-Chefs, die immer wieder die Unterstützung durch das BIBA, die Patentverwertungsagentur InnoWi, die Transferstelle UniTransfer der Universität, Angebote des Landes, bremische Startup-Netzwerke und vieles mehr betonen.

Fast sechs Jahre lang arbeiteten die beiden heutigen cellumation-Chefs zusammen mit vielen weiteren engagierten Kolleginnen und Kollegen am celluveyor. „Wir haben am BIBA viele Freiheiten genossen und konnten viel ausprobieren, um das System zu entwickeln. Aber wir mussten diese Arbeit oft in Nachtschichten und am Wochenende erledigen, weil wir primär ja zunächst einmal unseren eigentlichen Jobs nachgehen mussten“, so Thamer. Zunächst aus Resten und Ersatzteilen entstanden die Prototypen des neuartigen Fördersystems. Noch heute hängt einer davon im Besprechungsraum der cellumation GmbH an der Wand.

Beliebige Transportwege einfach zusammenklicken

Kern des celluveyor ist die sechseckige Zelle mit drei einzelnen Rädern, die sich gezielt ansteuern lassen. Die Zellen lassen sich wie Legosteine einfach an jeder der sechs Seiten „zusammenklicken“. Dadurch kann das Fördersystem praktisch beliebig aufgebaut werden, ebenso angepasst an die die räumlichen Gegebenheiten auch an die unterschiedlichen Materialfluss-Aufgaben. „Egal welcher Transportweg gebaut wird: Die Hardware ist völlig unabhängig von der Anwendung immer die gleiche“, sagt Claudio Uriarte. „Die Steuerung der Zelle erfolgt ausschließlich durch die Software. Eine intuitive grafische Benutzeroberfläche ermöglicht den Anwenderinnen und Anwendern die Programmierung, ohne dass man spezielle Kenntnisse braucht.“

Tolle Logistik-Lösung: Auf den celluveyor-Rollen lassen sich ideal Pakete und andere Gegenstände mit flachem Untergrund transportieren.
© cellumation GmbH

Wer ein Handy oder ein Tablet bedienen kann, kann auch das System steuern. Einfach im Aufbau, leicht einzurichten und zu nutzen und dabei platzsparend: Sowas kommt in der Logistik-Branche an.

Wer ein Handy oder ein Tablet bedienen kann, kann auch das celluveyor-System steuern.

Zeit und Geld für die Entwicklung bis zur Produktreife und die Gründung der eigenen Firma bekamen Logistik-Experten durch das zweistufige EXIST-Forschungstransferprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), das speziell auf Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ausgerichtet ist. Im Mai 2017 erfolgte die Gründung der GmbH als Abschluss der ersten Phase, danach ging es um die reale Aufnahme der Geschäftstätigkeit und die Suche nach Investoren.

Geldgeber für den Wachstumskurs

„Wir wollen ja letztlich mit unserem Produkt in die Serienfertigung, mussten dazu aber erst mal etliche Zellen selbst produzieren und auch erste Kunden finden – und natürlich auch Geldgeber, die an uns glauben und mit denen wir auf Wachstumskurs gehen können“, erinnert sich Hendrik Thamer. Die ersten Schritte machte die cellumation GmbH noch im BIBA, Anfang 2019 zog man dann in eigene Räume in Technologiepark um: Büro, Halle, kleine Werkstatt und zum Start gesamt sechs Leute.

Heute, knapp zwei Jahre später, hat sich die Belegschaft bereits verachtfacht, und cellumation sucht nach weiteren Flächen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Wir sind sehr stolz auf das, was wir bisher erreicht haben – und haben noch große Pläne.“, fasst Hendrik Thamer die ersten beiden Jahre der Selbständigkeit zusammen. Denn der celluveyor erfüllt tatsächlich viele Erwartungen, die die Logistikbranche an ein modernes Fördersystem hat.

„Wir sind sehr stolz auf das, was wir bisher erreicht haben – und haben noch große Pläne.“

Durch „Systemintegratoren“ – Dienstleister, die für Logistikfirmen neue technische Entwicklungen erwerben und sie bei Ihnen in den Logistikzentren technisch einbauen – ist cellumation unter anderem mit dem Paketdienstleister DHL und dem Druck- und Industriekonzern Arvato Bertelsmann Supply Chain Solutions ins Geschäft gekommen. Als Investor ist die spanische Firma Vector Conveyors eingestiegen, die viel Know-How in Themenbereichen wie Produktion und industrielle Anforderungen in die cellumation GmbH eingebracht hat und nun auch die celluveyor-Zellen in Serie herstellt.

Highlight in spanischer Fernsehshow

Nicht zuletzt dank dieses Partners hat es der celluveyor sogar schon in die „Prime time“ des spanischen Fernsehens geschafft. Im Februar 2020 war die Entwicklung aus Bremen dort eines der Highlights der äußerst beliebten Fernsehshow „El Hormiguero“, die sich um Wissenschaft, Kultur, Comedy und Politik dreht. „Zur besten Sendezeit konnten wir dort vor begeisterten Zuschauerinnen und Zuschauern vorführen, wie der celluveyor ein Durcheinander von rechteckigen Einzelteilen durch Drehen und Schieben blitzschnell zu einem Filmplakat zusammenfügt.“ Dass bei diesen Verbindungen nach Südeuropa neben dem Chilenen Claudio Uriarte mittlerweile auch Hendrik Thamer fließend Spanisch spricht, versteht sich bei cellumation von selbst.

Link zur Website

Kurzfilm über den celluveyor

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