DIGITAL HUB INDUSTRY: Effizienter Technologietransfer Made in Bremen
Auch die Uni ist dabei: Hub-Manager Frank Bittner verrät im Interview, was es mit dem bremischen Gemeinschaftsprojekt auf sich hat
Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Automatisierung, Internet der Dinge, Cloud Computing, Cybersicherheit: Die Liste der Digital-Themen wird für Wirtschaftsunternehmen immer länger. Erforscht und entwickelt werden diese Technologien in der Wissenschaft. Die große Herausforderung war schon immer, das aktuelle Wissen so schnell und präzise wie möglich in die ökonomische Praxis zu bringen. Wie also gelingt effizienter Technologietransfer? Zum Beispiel durch den Bremer DIGITAL HUB INDUSTRY, in dem die Universität Bremen eine wichtige Rolle spielt. Ein Interview mit Hub-Manager Frank Bittner.
Herr Bittner, seit etwas mehr als zwei Jahren ist der DIGITAL HUB INDUSTRY Bremen e.V. im Technologiepark der Universität Bremen angesiedelt. Was ist das für eine Einrichtung?
Der DIGITAL HUB INDUSTRY ist der Treffpunkt für Unternehmen, die im Bereich Digitalisierung Unterstützung und Fachkräfte suchen. Die Firmen treffen hier auf die klugen Köpfe aus der Wissenschaft – die Forscher, die Talente, die Studierenden, die einen Arbeitgeber suchen oder vielleicht selbst ein Unternehmen gründen wollen. Auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit der Wirtschaft, mit den Anwendern, in Kontakt treten wollen.
Was passiert hier in diesem topmodernen NEOS-Gebäude, das Sie 2022 im Technologiepark bezogen haben?
Der Hub gestaltet hier im NEOS viele verschiedene Dinge. Hier finden zum Beispiel viele Veranstaltungen statt. Heute zum Beispiel eine Konferenz des Wasserstoff-Projekts hyBit: Die hyBit-Arbeitsgruppe sitzt hier im Gebäude, und nun treffen sich die Forschenden mit Menschen aus der Wirtschaft. Alle Fragen der Digitalisierung in diesem großen Wasserstoff-Konsortium, das zum Beispiel eines Tages die Stahlerzeugung im bremischen ArcelorMittal-Werk auf „grüne Füße“ stellen könnte, werden hier bei uns im DIGITAL HUB INDUSTRY diskutiert und entwickelt. Bei uns finden die Unternehmen die Ansprechpartner aus der Wissenschaft.
Noch mehr sind wir auf kleine und mittelständische Unternehmen fokussiert, die oft gar keine Kapazitäten für Digitalisierung haben, sich aber dennoch dringend diesem Thema widmen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Sie erhalten hier fokussiert und konzentriert die richtige Hilfe und die richtigen Ansprechpartner, um sich für die Zukunft aufzustellen.
Wer hat sich hier alles versammelt?
Viele verschiedene Akteure aus dem Umfeld von Universität, Wissenschaft und Wirtschaft. Hier ist zum Beispiel BRIDGE untergekommen, die zentrale Anlaufstelle zum Thema Existenzgründung aus Bremer Hochschulen. Auch EXIST hat hier Räume, das sind Bundesprogramme für Gründerstipendien und Forschungstransfer. Das Mittelstands-Digitalzentrum, eine Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums, hat hier seine Geschäftsstelle; ebenso das Transferzentrum für Künstliche Intelligenz Bremen/Bremerhaven. Das Starthaus der Bremer Aufbau-Bank, ein Gründungsfinanzierer, ist hier; oder ESA-BIC, der Business-Incubator der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Das sind alles Akteure, die mit Startup-Förderung zu tun haben. Dann haben wir aber auch bereits existierende Startups hier oder solche, die ein Startup werden wollen …
… die Liste wird schon lang und droht dieses Interview zu sprengen …
… dabei bin ich noch lange nicht fertig: Wir haben hier zudem aus der Wirtschaft groß gewordene Unternehmen wie Encoway oder MicroFab, die es als Uni-Ausgründungen zu Erfolg gebracht haben, den 3D-Druck-Spezialisten Materialise oder OHB Digital Service, die das Digitale für den bremischen Satellitenbauer erledigen. Schließlich universitäre Forschungsgruppen wie die Arbeitsgruppe Industriemathematik von Professor Christoph Büskens und „seine“ Ausgründung Topas, die Arbeitsgruppe Nachrichtentechnik von Professor Armin Dekorsy mit ihrem Industrial Radio Lab oder die AG Resiliente Energiesysteme von Torben Stührmann mit ihren Wasserstoff-Projekten. Ich muss hier mehr Akteure weglassen, als ich genannt habe. Insgesamt agieren hier mehr als 500 Menschen. Wichtig ist: Sie sind nicht mehr über das ganze Bundesland verstreut. Sie sitzen jetzt alle hier in einem tollen neuen Gebäude mit kurzen Wegen und vielen Möglichkeiten.
Der DIGITAL HUB INDUSTRY ist ein Verein. Wer sind die Betreiber?
Einrichtungen, denen sehr stark an einem effizienten, funktionierenden Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft beim Thema Digitalisierung gelegen ist. Gründungsmitglied ist natürlich die Universität Bremen, dazu die Senatsressorts für Umwelt, Klima und Wissenschaft und für Wirtschaft, Häfen und Transformation. Außerdem die WfB Wirtschaftsförderung Bremen, das Unternehmen Encoway, das Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) und bremen digitalmedia, der Interessenverband der Medien- und Informationstechnologie-Unternehmen des Landes Bremen. Ganz neu haben wir auch TOPAS aufgenommen, die schon erwähnte Ausgründung aus der Industriemathematik.
Das NEOS-Gebäude mit seinen 16.000 m² wurde von einem privaten Investor gebaut. Es ist auf allen Ebenen und mit allen Räumen so gebaut und konzipiert, dass man sich möglichst oft über den Weg läuft und überall schnell Möglichkeiten und Ressourcen zum Austausch und zur gemeinsamen Arbeit findet. Die Unternehmen, die Universität und der DIGITAL HUB INDUSTRY sind Mieter. Der Betrieb des DHI wird in den ersten fünf Jahren vom Land Bremen bezahlt.
Die Senatsressorts Wirtschaft und Wissenschaft haben Millionenbeträge für den DIGITAL HUB INDUSGTRY lockergemacht. Was erhofft sich das Land Bremen davon?
Der Hub soll der Stärkung des Standortes dienen. Es geht aber auch darum, dass über die Unternehmen an die Forschung und Entwicklung Anforderungen herangetragen werden: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität sollen hier erfahren, was die bremische Wirtschaft im Bereich Digitalisierung wirklich braucht, und dies dann zielgerichtet entwickeln – sowohl was Geräte oder Prozesse angeht, als auch, wie die Lehre gestaltet werden muss.
Für die Universität als Bildungseinrichtung des Landes wiederum macht der DIGITAL HUB INDUSTRY den Studienstandort attraktiver, gerade in den Ingenieur- und Informationswissenschaften. Wenn Studierende hier erfahren, dass sie hier nicht nur zu spannenden, zukunftsfähigen Themen studieren können, sondern auch gleich für den Weg nach dem Studium attraktive Angebote finden, dann ist das für junge Menschen hochinteressant.
Noch ist der DHI jung. Gibt es dennoch schon plakative Beispiele, wie die Universität in die Wirtschaft wirkt?
Ein schönes Beispiel ist das Startup aisencia. Ursprung der Firma ist ein universitäres Forschungsprojekt, das sich mit KI-basierter Bilderkennung beschäftigt hat. Nach dem Ende des Projekts hat aisencia die Erkenntnisse für die Hautkrebserkennung optimiert und mithilfe von BRIDGE, EXIST und dem Starthaus hier im Haus die Unternehmensgründung vollzogen.
Ein anderes schönes Beispiel ist die erst vor einem Jahr hier gegründete Firma Marble Imaging. Sie ist ebenfalls sehr schnell gewachsen und eine Etage höher gezogen. Die Firma baut mit weiteren europäischen Unternehmen den ersten europäischen Satellitenverbund auf, um die Erde täglich mit sehr hoher Auflösung zu überwachen und die Echtzeit-Daten für schnelle Entscheidungen in Bereichen wie Ernährungssicherheit, umweltfreundliche und nachhaltige Energiewende, Klimawandel, Infrastruktur und Mobilität, globale Sicherheit und vieles mehr zu nutzen. Wichtig auch: In den beiden genannten Fällen bleibt in Bremen generiertes Wissen hier und wandert nicht an andere Standorte oder gar in andere Länder ab!
„Als Hub und als Bundesland Bremen spielen wir jetzt in der Bundesliga“! Hub-Manager Frank Bittner zur jüngsten Aufnahme in die de:hub-Initiative des Bundes
Der Bremer DIGITAL HUB INDUSTRY ist jetzt in die de:hub-Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums aufgenommen worden und darf sich als de:hub Smart Manufacturing bezeichnen. Was bedeutet das?
Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass wir als Hub und als Bundesland Bremen jetzt in der Bundesliga spielen. Darauf sind wir sehr stolz! Mit der Aufnahme in diese Initiative sind wir eng mit 24 weiteren Hubs vernetzt, haben einen kurzen Draht zum Bundeswirtschaftsministerium und auch ganz andere Möglichkeiten, um internationale Kontakte aufzubauen. Wenn es künftig zum Beispiel für die schnelle Fortentwicklung eines Startups hilfreich ist, könnte auch mal ein Vertreter dieses Startups mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf eine Konferenz in Portugal fliegen, um dort konkrete Kontakte zu knüpfen. Das sind ganz andere Möglichkeiten, die sich uns nun eröffnen – aber dazu muss man erstmal zum auserwählten Kreis dazugehören. Das tun wir jetzt.