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Digitale Ethik: Wie Technologie unsere Werte herausfordert

Björn Haferkamp erzählt im Interview, warum Digitale Ethik alle betrifft

Forschung / Uni & Gesellschaft / KI

Ob Künstliche Intelligenz in der Medizin, automatisierte Entscheidungsprozesse in Behörden oder der Einfluss sozialer Medien auf unser Verhalten – die Digitalisierung stellt uns vor zahlreiche ethische Fragen. Wie können wir Technologie so gestalten und nutzen, dass sie auch unseren Werten entspricht? Mit dieser und weiteren Fragen zur Digitalen Ethik beschäftigt sich Björn Haferkamp am Institut für Philosophie der Universität Bremen. Am 8. Mai können Interessierte bei seinem Vortrag im Rahmen von Data Train der U Bremen Research Alliance (UBRA) mehr dazu erfahren.

Herr Haferkamp, was genau bedeutet Digitale Ethik?

Das Forschungsfeld der Digitalen Ethik ist an sich nicht neu. Früher wurden dafür Bezeichnungen wie Computer-Ethik, Internet-Ethik oder Daten-Ethik in dem Forschungsbereich gebraucht. Vor 20 Jahren sind viele Menschen im Alltag aber auch noch davon ausgegangen: Ich schalte den Computer aus und habe nichts mehr mit Internet zu tun. Heute zieht sich die Digitalisierung in vielen Bereichen durch unser Leben, sodass wir nicht mehr einzelne Forschungsfelder separat betrachten können, sondern die Bereiche unter dem übergreifenden Begriff der Digitalen Ethik zusammenfassen. Grundsätzlich geht es in der Forschung darum, ethische Problemstellungen im Rahmen der Digitalisierung kontextbezogen zu analysieren und daraus ethisch vertretbare Lösungsansätze zu generieren.

Womit beschäftigen Sie sich in dem Forschungsfeld?

Die Bandbreite der Themen, die die Philosophie und Digitalisierung betreffen, ist äußerst vielfältig. Aktuell steht Künstliche Intelligenz (KI) im Fokus, insbesondere durch die Entwicklung von Large Language Models wie Chatbots. KI spielt in der Medizin und Pflege bereits seit längerem eine große und auch vielversprechende Rolle. Die Hoffnung ist dort, dass mit dem Einsatz von KI, zum Beispiel Krankheiten besser diagnostiziert und therapiert werden könnten. Eine ethische Fragestellung ist dabei, ob wir mit dem Einsatz von KI dem Menschen als Individuum noch gerecht werden, da KI zu Stereotypisierungen führen kann. In der Medizin könnte dies für einige Patient:innen nachteilig sein, wenn sie von den Normwerten abweichen, die die KI etabliert hat. Eine andere Frage ist, ob Ärzt:innen sich noch trauen werden, Diagnosen und Therapievorschläge der KI abzulehnen, wenn sie zu einer anderen Einschätzung kommen, auch oder gerade wenn die KI statistisch gesehen oft Recht hat. Am Ende geht es darum, wie mit solchen Situationen umgegangen werden kann und wer die Verantwortung trägt. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von KI für automatisierte Prozesse in Behörden, zum Beispiel zum Erstellen von Bescheiden in der Sozialhilfe und ähnlichen Bereichen, und inwieweit das rechtlich und ethisch vertretbar ist.

Ein Portraitfoto von einem Mann
Björn Haferkamp beschäftigt sich mit der Digitalen Ethik und lehrt am Institut für Philosophie der Universität Bremen.
© privat

Das könnte für einige auf den ersten Blick etwas abschreckend wirken: Eine KI, die entscheidet, wie viel Sozialhilfe einem Menschen zusteht. Inwieweit können öffentliche Einrichtungen aktuell Automatisierungen mithilfe von KI nutzen?

Rechtlich ist der Einsatz von KI bzw. automatisierten Prozessen in Behörden zulässig, solange Entscheidungen oder Ergebnisse eindeutig nachvollziehbar sind – etwa bei Berechnungen auf Basis fester Faktoren. Da, wo KI Entscheidungen unterstützt, müssen die Daten und Modelle jedoch zuverlässig sein. Die Ergebnisse können nur so gut sein wie die eingegebenen Daten. Nach dem Prinzip „garbage in – garbage out“ führen fehlerhafte oder unvollständige Daten zu ungenauen Ergebnissen.

Auf das Rechtswesen bezogen wäre eine ethische Fragestellung, ob eine KI Richter:innen ersetzen kann, da sie vermeintlich objektivere Urteile fällt. Da jedoch ein Urteil komplex und von vielen Faktoren abhängig ist, ist dies aktuell keine realistische Einsatzmöglichkeit von KI. Die Digitale Ethik beschäftigt sich daher mit der Herausforderung, wie sich die fortschreitende Digitalisierung mit demokratischen Werten sowie mit Freiheits- und Verantwortungsbegriffen vereinbaren lässt.

Wer sollte sich generell mit der Digitalen Ethik beschäftigen? Richten sich die Fragestellungen an Entscheider:innen, die zum Beispiel unsere Gesetzgebung beeinflussen?

Nicht nur, wir alle sollten uns mit ethischen Fragen zur Digitalisierung auseinandersetzen. Sie betrifft unseren Alltag ständig: von der Preisgabe unserer Daten an Apps über die Nutzung von Chatbots bis hin zum Konsum sozialer Medien. Wir sollten uns bewusst fragen: Wie wollen wir mit der fortschreitenden Digitalisierung umgehen? Welche Rolle sollen Social-Media-Apps oder KI in unserem Leben spielen? Darauf basierend müssen wir bewusste Entscheidungen treffen – etwa, wie lange wir in einem sozialen Netzwerk scrollen oder welche Daten wir in KI-Systeme eingeben. Als Gesellschaft verfügen wir bereits über eine ausgeprägte Ethikkompetenz. Diese müssen wir aus meiner Sicht nun auf den Kontext der Digitalisierung anwenden und einüben – beispielsweise durch frühe Medienbildung in Schulen, um eine bewusste und reflektierte Nutzung digitaler Technologien zu fördern.

Data Train

Björn Haferkamps Vortrag „Digital Ethics“ findet am 8. Mai um 10 Uhr digital im Rahmen von Data Train statt, dem fächerübergreifenden Graduiertenprogramm für Forschungsdatenmanagement und Data Science der U Bremen Research Alliance (UBRA). Die englischsprachige Veranstaltungsreihe „Starter Track“ vermittelt Grundlagen zu Data Science, Big Data, Statistik, Informatik und Forschungsdatenmanagement-Prinzipien. Dieser Track steht allen offen, die sich in diesen Bereichen weiterbilden wollen. Neben Björn Haferkamps Vortrag finden regelmäßig bis Juni 2025 weitere Veranstaltungen statt. Ab Mai können sich Interessierte für den Operator Track „Data Scientist“ anmelden, mit Workshops zu quantitativen Analysemethoden, maschinellen Lernmethoden, Deep-Learning-Methoden, Datenvisualisierung und visuellen Analysen. Weitere Informationen zu den einzelnen Vorträgen und Kursen gibt es auf der Webseite der UBRA.

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