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Digitale Hilfe gegen Bluthochdruck und Übergewicht

Wie der Gesundheitswissenschaftler Dr. Kufre Okop ältere Menschen in Südafrika und Deutschland unterstützt

Forschung

Übergewicht, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten in Deutschland inzwischen als Volkskrankheiten. Gleichzeitig ist es durch digitale Angebote so einfach wie nie, etwas für die eigene Gesundheit zu tun: Smartwatches liefern einen Überblick über Gesundheitsdaten wie Blutdruck und Puls, und Online-Sportkurse bringen das Fitnessstudio ins eigene Wohnzimmer. Doch gerade diejenigen, für die solche Angebote besonders sinnvoll wären, nutzen sie kaum: ältere Menschen. Wie sich das ändern lässt, untersucht der Gesundheitswissenschaftler Dr. Kufre Okop als Fellow am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst.

Mehr als 9.500 Kilometer liegen zwischen Kapstadt, wo Kufre Okop normalerweise arbeitet, und Delmenhorst – dem Ort, an dem er zwischen Dezember 2023 und August 2024 lebt. In vielerlei Hinsicht könnten die beiden Städte kaum unterschiedlicher sein. Doch einige Entwicklungen ähneln sich nicht nur an diesen, sondern an vielen Orten der Welt. Übergewicht, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen zu, die Digitalisierung schreitet voran. Und in beiden Fällen sind ältere Leute besonders betroffen: Krankheiten treffen sie eher, gleichzeitig sind viele von ihnen digital abgehängt.

Kufre Okop, Gesundheitswissenschaftler am Department für Medizin der Universität von Kapstadt, arbeitet an der Schnittstelle dieser beiden Probleme. Dabei kooperiert er mit Professor Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS und Sprecher des Leibniz-WissenschaftsCampus Digital Public Health. Okop untersucht partizipative Strategien, unter anderem aus der Citizen Science, um gemeinsam mit älteren Menschen digitale Gesundheitsangebote zu entwickeln. „Sie sollen in die Lage versetzt werden, digitale Plattformen zur Prävention von chronischen Krankheiten und zur Gesundheitsförderung zu nutzen“, sagt er.

Das Hanse-Wissenschaftskolleg – Treffpunkt für Forschende aus aller Welt

Kufre Okop gehört zu den 15 Fellows aus aller Welt, die aktuell am Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) leben und arbeiten. Beim Hanse-Wissenschaftskolleg handelt es sich um eine Stiftung, die wissenschaftliche Forschung und den internationalen Austausch zwischen Forschenden fördern möchte. Forschende, die bereits ihre Doktorarbeit abgeschlossen haben, können sich hier als Fellow bewerben. Das bedeutet konkret, dass sie für einen Zeitraum zwischen drei und zehn Monaten intensiv an einem Thema forschen, ohne sonstige Arbeitsverpflichtungen. Einige von ihnen arbeiten wie Kufre Okop mit Forschenden der Universitäten Bremen und Oldenburg zusammen. Alle Fellows erhalten bei Bedarf ein Stipendium, außerdem stellt ihnen das HWK kostenlos eine Wohnung zur Verfügung. Ein Glücksfall für Okop, der mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Delmenhorst ist.

Wissenschaft im Dialog mit Bürger:innen und Sozialarbeiter:innen

Zahlen des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigen, um was für eine große Personengruppe es in Kufre Okops Forschung geht: Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2023 nutzt etwa ein Drittel der Befragten über 60 Jahren in Deutschland das Internet nie. Mit ihnen möchte Kufre Okop in den Dialog treten. „Mir ist es wichtig, digitale Angebote nicht nur für Ältere, sondern auch mit ihnen zu entwickeln“, sagt er. Aktuell, in der ersten Projektphase, bedeutet das konkret, dass Okop sich regelmäßig mit einer kleinen Gruppe von etwa zehn Personen über 55 trifft. Von ihnen möchte er wissen: Warum nutzen sie das Internet kaum oder gar nicht? Und in welchen gesundheitlichen Fragen wünschen sie sich Unterstützung?

Das Feedback der Älteren bildet die Grundlage für die zweite Projektphase, in der Kufre Okop eine digitale Anwendung entwickelt. „Nehmen wir beispielsweise die Erfassung und professionelle Auswertung von Gesundheitsdaten wie Blutdruck und Puls“, erläutert er. „Diese Maßnahme könnte den älteren Menschen helfen, zu Hause einen Überblick über ihren Gesundheitszustand zu bekommen und schneller einen Arzttermin zu vereinbaren, wenn sich die Werte verschlechtern.“ Wenn die Idee bei den Älteren grundsätzlich auf Zustimmung stößt, geht er in einem zweiten Schritt auf ihre Vorbehalte ein. Wer etwa aus Datenschutzgründen vor einer Smartwatch zurückschreckt, könnte die Daten mit Messgeräten erheben und dann per Mail oder in einer App zur Auswertung zur Verfügung stellen.

Kufre Okop
„Mir ist es wichtig, digitale Angebote nicht nur für Ältere, sondern auch mit ihnen zu entwickeln“, sagt Kufre Okop. Daher trifft er sich regelmäßig mit einer kleinen Gruppe von etwa zehn Personen über 55.
© Matej Meza / Universität Bremen

In der Zusammenarbeit mit Kufre Okop brachten die älteren Menschen außerdem ein weiteres Thema ins Gespräch: das ausreichende Trinken. Dies ist ohnehin wichtig, wird aber durch den Klimawandel und die damit einhergehenden hohen Temperaturen umso bedeutsamer. Auch zu diesem Thema arbeitet der Wissenschaftler mit seiner Gruppe an einer digitalen Lösung. Das Feedback der älteren Menschen ergänzt Okop durch Gespräche mit anderen Forschenden und Sozialarbeitenden. All diese Informationen fließen in die Entwicklung einer konkreten mobilen Anwendung in der dritten Projektphase ein. „Diese Anwendung testen wir dann mit einer größeren Personengruppe“, erläutert er. Und zwar im Living Lab des BIPS – einem Reallabor in Bremen-Osterholz, in dem Forschende gemeinsam mit Bürger:innen an Lösungen für Herausforderungen im Gesundheitssektor arbeiten.

Deutschland und Südafrika: ähnliche Probleme, unterschiedliche Lösungen

Den Austausch mit den Älteren, die Entwicklung und Testung einer digitalen Anwendung – alle diese Schritte führt Kufre Okop nicht nur in Deutschland, sondern auch in Südafrika durch. Doch wozu überhaupt? „Wir möchten zeigen, dass es für ähnliche Probleme unterschiedliche Lösungen geben kann“, erläutert er. Bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas spielen etwa je nach Kultur unterschiedliche Schönheitsideale eine Rolle. Auch sind gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse nicht überall gleich verfügbar und erschwinglich. „Die unterschiedlichen digitalen Lösungen, die wir in Deutschland und Südafrika entwickeln, können beispielhaft zeigen, inwiefern digitale Anwendungen kulturübergreifend funktionieren und wo sie an bestimmte kulturelle und soziale Hintergründe angepasst werden müssen“, sagt der Wissenschaftler.

Was mit seiner Zeit in Delmenhorst begonnen hat, wird Kufre Okop noch einige Zeit beschäftigen: Sein Projekt ist nach seiner Zeit am HWK noch auf ein bis zwei weitere Jahre angelegt. In dieser Zeit wird der Wissenschaftler die gemeinsam entwickelte digitale Gesundheitsmaßnahme in weiteren Gemeinden in Deutschland und Südafrika testen. Während seines Aufenthalts am HWK hat er ein umfangreiches Netzwerk und Kooperationen mit Forschenden aus verschiedenen Bereichen und Disziplinen aufgebaut und arbeitet mit Forschenden des BIPS und des Leibniz-Wissenschaftscampus Digital Public Health zusammen. Und das ist auch eines der Ziele des Hanse-Wissenschaftskollegs: Beziehungen zwischen Forschenden zu schaffen, die länger dauern als über ihren Aufenthalt hinweg.

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