„Diversität ist eine empirische Tatsache“
Zum CSD am 26. August hat up2date. mit Nele Kuhn gesprochen, was Diversität für die Uni Bremen bedeutet
Ob in der Zusammenstellung von Teams oder der geschlechtersensiblen Sprache – Diversität ist in aller Munde. Doch was heißt Diversität überhaupt? Nele Kuhn leitet die Arbeitsstelle Diversität an der Universität Bremen. Anlässlich des Christopher Street Day (CSD) am 26. August, bei dem die Uni das erste Mal mit einem eigenen Wagen vertreten ist, hat up2date. mit ihr im Interview darüber gesprochen, was Diversität denn eigentlich für die Uni Bremen bedeutet.
Diversität ist ja ein breiter Begriff. Was versteht die Universität Bremen darunter?
Generell gilt: Diversität ist eine empirische Tatsache – sowohl Studierende als auch Mitarbeitende sind divers. Daher bedeutet Diversität für die Uni Bremen die Anerkennung der Verschiedenartigkeit ihrer Studierenden und Mitarbeitenden. Darin liegen die Ziele begründet, die Vielfalt ihrer Studierenden und Beschäftigten zu fördern und die Benachteiligung einzelner Gruppen zu reduzieren, um mehr Chancengerechtigkeit zu ermöglichen. Die Universität orientiert sich hierbei am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG. Gemäß diesem müssen folgende sechs Merkmale beziehungsweise Gruppen geschützt werden: Geschlecht, Alter, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, sexuelle Identität sowie von Rassismus betroffene Menschen. Hinzu kommt an Hochschulen die Dimension des sozioökonomischen Hintergrunds, also zum Beispiel der Bildungshintergrund der Eltern von Studierenden oder deren finanzielle Situation.
Warum ist Diversität an einer Universität allgemein wichtig?
Es ist wichtig, weil Universitäten darin ihrer organisationalen Verantwortung nachkommen, einen Umgang mit der Diversität ihrer Studierenden und Mitarbeitenden zu entwickeln und in ihren universitären Gestaltungsaufgaben zu berücksichtigen. Denn aufgrund der Verschiedenartigkeit gehen manche Studierende und Mitarbeitende durchs System und erfahren keine oder nur sehr wenige Hürden; andere sind strukturell benachteiligt, zum Beispiel aufgrund einer Beeinträchtigung, ihres Geschlechts oder rassistischen Zuschreibungen. Wir müssen also davon ausgehen, dass nicht alle die gleichen Bildungs- oder Karrierechancen oder Zugänge haben. Dies wird auch an einem weiteren Aspekt der Repräsentanz von Teilen der Gesellschaft an deutschen Hochschulen deutlich: So ist beispielsweise der Anteil der Frauen auf Professuren sowie der Wissenschaftler*innen of Color oder mit Beeinträchtigung zu niedrig. In einer qualitativ hochwertigen Forschung und Lehre darf die Vielfalt an Wissensbeständen, Forschungsperspektiven und Erfahrungshintergründe allerdings nicht beschränkt werden. Die Beschränkung setzt sich auch beispielsweise in einer Literaturliste fort, wenn nur die Werke weißer, heterosexueller Männer aufgelistet werden und somit diverse Forschungsperspektiven und Erfahrungshintergründe nicht berücksichtigt und diskutiert werden.
Was macht die Uni Bremen konkret, um Diversität und Chancengleichheit zu fördern?
Da bestimmte Personengruppen strukturell benachteiligt sind, müssen wir diese Benachteiligung im Sinne einer „fairen Ungleichbehandlung“ ausgleichen. Dafür gibt es an Hochschulen zum Beispiel für Studierende mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen den Nachteilsausgleich bei Prüfungen. Dazu berät die Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung, kurz KIS. Außerdem gibt es verschiedene Mentoring- und Empowerment-Programme rund um das Thema Promotion und wissenschaftliche Laufbahngestaltung für Frauen* vom Referat Chancengleichheit / Antidiskriminierung. Ein anderes Beispiel ist das Projekt go diverse, das unter anderem Fortbildungsworkshops zu Gender- und Diversitätskompetenzen für Personalauswahlverfahren anbietet. Das Projekt BALLON unterstützt Lehrende bei der Gestaltung barrierefreier Lehre. Bei der Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt – Expertise und Konfliktberatung, kurz ADE, können sich von Diskriminierung betroffene Menschen beraten lassen. Ab etwa Herbst dieses Jahres wird es auch die Möglichkeit für trans*, inter* und nicht-binäre Studierende geben, die Änderung ihres Vornamens und/oder des Geschlechtseintrags an der Uni bereits vor der amtlichen Änderung durchzuführen. So wollen wir Diskriminierungen abbauen, da diese Studierenden sonst in Seminaren unter anderem häufig mit ihrem Deadname – also dem abgelegten Vornamen – oder auch dem falschen Geschlecht angesprochen werden.
Am 26. August ist Christopher Street Day (CSD) in Bremen. Was für Aktionen hat die Uni anlässlich dieses Tages geplant?
Die Uni Bremen unterstützt die Demonstration zum CSD Bremen in diesem Jahr erstmals durch einen eigenen bunten Wagen und Musik. Alle, die sich engagieren und Haltung zeigen wollen, sind herzlich willkommen, dem Wagen und Umzug zu folgen. Eine Anmeldung ist dafür nicht notwendig – wer möchte, kommt um 12 Uhr am Altenwall Richtung Osterdeich einfach beim Truck vorbei. Der als rauch-, drogen- und alkoholfrei definierte Wagen bietet Platz für 40 Menschen sowie weitere durch Rotation. Außerdem wird die Progress-Flag das erste Mal auf dem Campus gehisst. Auch Aufkleber und Postkarten gibt es dieses Jahr wieder. Diese sind beim Infodesk im VWG auf Nachfrage verfügbar. Die Universität setzt damit ein Zeichen für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt sowie gegen Homo-, Queer- und Transfeindlichkeit auf dem Campus und darüber hinaus.
Die Beratungsstellen und Angebote der Universität Bremen
ADE – Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt – Expertise und Konfliktberatung
KIS – Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung
Mentoring und Workshop Programme für Frauen* vom Referat Chancengleichheit / Antidiskriminierung
Projekt „go diverse: Gender- und diversitätskompetente Personalauswahl“