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Fake News – was sollen wir denn noch glauben?

Unwahrheiten verbreiten sich schnell – vor allem im Netz. Professor Cornelius Puschmann erforscht, warum Social-Media-Kanäle dabei besonders erfolgreich sind.

Uni & Gesellschaft

Studien zeigen, dass sich Unwahrheiten auf Social-Media-Kanälen rasant verbreiten. Dabei sind es oft politische Nachrichten, die verändert und vermehrt als glaubwürdige Berichterstattung verstanden werden. Warum ist das so? Und wie kann man Fake News überhaupt als solche identifizieren?

Meist ist es relativ einfach, Fake News – also falsche Tatsachenbehauptungen ohne jeden Wahrheitsgehalt – zu erkennen. Hier helfen Faktenchecks und Quellensuche. Darüber hinaus existieren aber auch Behauptungen, die sich in einer Grauzone bewegen und gar nicht so einfach als wahr oder falsch zu erkennen sind. So wird im Netz zum Beispiel behauptet, die Corona-Pandemie sei nur „herbeigetestet“. Sprich: Nur wegen der vielen Tests falle die Krankheit überhaupt auf, die meisten Menschen würden sie ohne Symptome überstehen. „Für Wissenschaft und Politik sind solche Behauptungen, die meist kuriose Interpretationen, aber nicht unbedingt Fälschungen von Fakten sind, eine Herausforderung“, sagt Cornelius Puschmann, Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Digitale Kommunikation an der Universität Bremen.

Professor Cornelius Puschmann forscht beim Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung an der Universität Bremen, mit dem Schwerpunkt Digitale Kommunikation.
© Beate C. Koehler

Aufklärung und Medienkompetenz wichtigstes Mittel gegen Desinformation

„Insbesondere auf Social-Media-Plattformen verbreitet sich Desinformation schnell. Dies hängt mit den Algorithmen zusammen, die das Nutzerverhalten erfassen und beeinflussen“, erklärt der Wissenschaftler. Das Ziel der Plattformen bestehe in der Regel darin, die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf ihr zu halten, um sie dauerhaft mit Werbebotschaften zu versorgen. Dass politische Nachrichten beziehungsweise Desinformation ebenfalls im Content vorhanden sind, sei von den Plattformen allerdings nicht gewünscht. Durch den Konsum von derartigen Informationen könne bei bestimmten Nutzergruppen ein Radikalisierungspotential geweckt werden. „Eine Art Nebenwirkung von Social Media“, so Puschmann. Hier brauche es verstärkte Regulierung. Da aber das Recht auf freie Meinungsäußerung das höchste Gut in der Demokratie ist und eine Zensur – selbst wenn diese ‚guten Zwecken‘ dienen sollte – keineswegs sein darf, seien Aufklärung und Medienkompetenz die wichtigsten Mittel gegen Desinformation.

Kontrollinstanzen sind wichtig und werden ausgehandelt

Immer stärker wird der Druck staatlicher Instanzen auf Plattformen im Netz, fragliche Inhalte von sich aus zu kennzeichnen. Aber auch diese Pflicht löst nicht alle Probleme. Wer darf und soll kennzeichnen, ob etwas wahr oder falsch ist? Könnte da nicht auch Satire unter die Räder kommen? Oder radikaldemokratischer politischer Aktivismus? Professor Puschmann erklärt, dass so womöglich die Macht der Großkonzerne sogar noch wachsen könne. Er beschreibt einen Vorfall, der sich kürzlich ereignet hat. Amazon, der größte Server-Hosting-Dienst weltweit, verwehrte der Plattform „Parler“ aufgrund ihrer extremen Inhalte die Nutzung seines Cloud-Dienstes Amazon Web Services (AWS). Auch der Google Playstore und der Apple Store zogen mit und boten die Parler-App nicht mehr zum Download an, um ein Exempel im Kampf gegen Desinformation und Fake News zu statuieren.

„Wer sich radikalisieren möchte, wird es außerhalb der Mainstream-Plattformen tun. Die Aktivität verlagert sich zunehmend auf Plattformen wie Telegram, Parler oder Gab, da es dort kaum systematische Regulierung der Inhalte gibt.“

„Fraglich ist natürlich die Berechtigung dieses Vorgehens, da die Unternehmen sich zugleich einer gesetzlichen Pflicht widersetzen, für die eigenen Inhalte geradezustehen – wie dies etwa im Presserecht geregelt ist“, so der Medienwissenschaftler. „Dies wäre mit viel Aufwand verbunden. Die Unternehmen wollen aber mit ihren Ressourcen haushalten“, so Puschmann. „Was die Plattformbetreiber jedoch jetzt schon leisten, ist das Entfernen und ein algorithmisches Herunterstufen von ‚problematischen Informationen‘. In einer gezielten Suche äußern sich diese Maßnahmen insofern, als dass bestimmte Posts entweder gar nicht mehr oder nur sehr schwer aufzufinden sind.“

Ampel-Prinzip für mehr Transparenz

Als weitere Kontrollinstanzen machen sich auch einzelne journalistische Initiativen wie beispielsweise Correctiv, netzpolitik.org oder Abgeordnetenwatch mit viel Herzblut bemerkbar, indem sie Fakten checken, gründlich recherchieren oder auf Desinformations-Kampagnen hinweisen. Auf europäischer Ebene beschäftigt sich bereits seit einem knappen Jahrzehnt das European Digital Media Observatory (EDMO) mit der Eindämmung von Desinformationskampagnen. Diesem Ansatz folgten auch einzelne Journalistinnen und Journalisten, als sie im Jahr 2019 das Start Up „News Guard“ gründeten und der Desinformation einen algorithmischen Schritt voraus sein wollten. Das von ihnen entwickelte Browser-Tool geht algorithmisch vor und kennzeichnet diverse Nachrichtenanbieter nach einem Ampel-Prinzip in vertrauenswürdige und nicht vertrauenswürdige Webseiten. Doch die Geschwindigkeit, mit der Desinformationen verbreitet werden, ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen.

Radikalisierung ist unvermeidbar, doch sie wird übersichtlicher

Die gute Nachricht ist, dass Plattformanbieter den Wahrheitsgehalt ihrer Berichterstattung langfristig überprüfen müssen, um sich durch Werbung finanzieren zu können. Das musste auch der Datengigant Youtube in jüngster Vergangenheit feststellen, als er durch dessen Werbepartner auf rechtsradikales Material auf seiner Plattform aufmerksam gemacht wurde. Die Werbepartner stellten Youtube vor die Wahl, entweder die Inhalte entfernen zu lassen oder aus der Werbefinanzierung auszusteigen. Seitdem sichtet Youtube regelmäßig Videos, die von Nutzerinnen und Nutzern als problematisch bezeichnet werden. Dieser Vorfall verdeutlich auch, dass die Verbreitung von Desinformation langfristig kanalisiert werden könnte und sich nur auf Plattformen verbreitet, die es sich finanziell erlauben können, keinen inhaltlichen Regularien Folge leisten zu müssen.

„Anteil insgesamt gering“

Eine wichtige Botschaft, die sich aus der Forschung von Professor Puschmann ergibt, ist jedoch, dass das Netz keineswegs ein Hort von Lüge und Unwahrheit ist. „Im Vergleich zur konventionellen Berichterstattung gibt es relativ wenige Desinformationen. Es handelt sich nur um einen geringen Anteil des Gesamtinformationsflusses im Social-Media-Bereich“, fasst Puschmann seine Studien zusammen.

Es komme weiterhin vor allem darauf an, wie die User Medien nutzen. „Auch für Social Media gilt, dass sich nicht die Medien die Menschen suchen, sondern jede Person Verantwortung für die medialen Inhalte trägt, die sie aufruft oder denen sie folgt“.

Mehr Information:

Professor Cornelius Puschmann erforscht die Verbreitung von Fake News und Verschwörungstheorien über digitale Kommunikationskanäle und beteiligt sich dabei am wissenschaftlichen Austausch im Data Science Center (DSC).

dsc-ub.de

@DSC_unibremen auf Twitter

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