Forschung mit Zwillingen: Wie Selbstbewusstsein entsteht.
Jana Instinske hat anhand von Daten aus der Zwillingsforschung untersucht, welche Rolle Gene und Umwelteinflüsse beim Selbstbewusstsein spielen
Woher kommt es, dass manche Menschen eine positive Einschätzung von sich selbst haben, andere dagegen mit einem geringeren Selbstbewusstsein ausgestattet sind? Die Psychologie hat dieses Thema schon von vielen Seiten beleuchtet. Zu welchen Teilen die sozialen Prägungen einfließen und was uns von unseren Eltern vererbt wurde, darüber gibt es keine Klarheit. Die Psychologin Jana Instinske hat sich in ihrer Masterarbeit bei Professor Christian Kandler mit dem Thema beschäftigt und dabei die Daten von Zwillingen untersucht. Dafür hat sie den diesjährigen Preis der Fachgruppe Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik (DPPD) erhalten.
Sie haben Ihre preisgekrönte Masterarbeit im Fach Persönlichkeitspsychologie geschrieben und dafür Zwillingsforschung betrieben. Was haben Sie herausgefunden?
In meiner Masterarbeit habe ich die Idee aufgegriffen, dass Menschen, die sich als Person vergleichsweise gerne mögen, tendenziell auch ihre persönlichen Kompetenzen sowie ihre eigenen Kontrollmöglichkeiten äußerer Umstände höher einschätzen. Darauf basierend habe ich untersucht, ob gemeinsame genetische Faktoren dazu beitragen, dass solche individuellen Selbstbewertungen über verschiedene Aspekte hinweg tendenziell eher hoch oder gering ausfallen. Dabei habe ich herausgefunden, dass es bereits genetisch angelegt scheint, ob Menschen eine generell positive oder negative Sichtweise auf sich selbst haben. Man kann es sich so vorstellen, dass es einen gemeinsamen, genetisch verwurzelten Kern gibt, der unterschiedlichen Aspekten der Selbstbewertung zugrunde liegt. Dennoch können die spezifischen Ausprägungen einzelner Selbstbewertungen auch von dieser Kern-Tendenz abweichen.
Kann man also sagen: Wenn jemand besonders selbstbewusst ist, liegt das auch zum guten Teil an seinen Genen?
Teilweise. Was man vor allen Dingen auf Basis meiner Arbeit sagen kann, ist, dass es zu einem guten Teil an den Genen liegt, wenn Menschen über verschiedene Bereiche hinweg gleichermaßen besonders selbstbewusst sind. Also wenn Menschen sich selbst gerne mögen, sind diese Menschen tendenziell auch eher davon überzeugt, Kontrolle über ihr Leben zu haben. Und dieser Zusammenhang ist zu einem gewissen Grad durch gemeinsame genetische Einflüsse gestiftet. Allerdings heißt das natürlich nicht, dass alles durch die Gene vorbestimmt ist Denn neben den genetischen Einflüssen spielen auch Umwelteinflüsse eine Rolle in der Entwicklung von unterschiedlichen Selbstbewertungen. Solche Umwelteinflüsse können zum Beispiel alltägliche Erfahrungen im persönlichen Freundeskreis, oder Erfolgs- bzw. Misserfolgserlebnisse im Berufsleben sein.
Lässt sich nach Ihrer Arbeit der Anteil von genetischen und Umwelteinflüssen besser quantifizieren?
Generell sind ja so gut wie alle Persönlichkeitsmerkmale, in unterschiedlichen Maßen, genetisch beeinflusst. Daher ist das Besondere an meiner Arbeit eher, dass ich mir angeschaut habe, inwiefern die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen durch genetische oder Umwelteinflüsse bedingt sind. Zur Quantifizierung solcher Einflüsse helfen uns vor allen Dingen die Informationen von Zwillingen. Eineiige Zwillinge sind sich in ihrer genetischen Ausstattung komplett identisch, sodass Unterschiede innerhalb von eineiigen Zwillingspaaren ausschließlich auf individuelle Umwelterfahrungen zurückgeführt werden können.
„Es scheint bereits genetisch angelegt zu sein, ob Menschen eine generell positive oder negative Sichtweise auf sich selbst haben.“
Kommt es oft vor, dass Zwillinge sich durch ihre Lebensweisen total unterschiedlich entwickeln?
Das kommt natürlich immer auf das genaue Merkmal an, das man betrachtet. Aber generell kann ein guter Teil der Entwicklung von Zwillingen auch auf individuelle Erfahrungen bzw. Lebensweisen zurückgeführt werden, die dann zu Unterschiedlichkeit beitragen. Es ist eigentlich beruhigend, dass wir auch solche unterschiedlichen Entwicklungen zwischen Zwillingen sehen. Sonst würde es bedeuten, dass beispielsweise unser Selbstkonzept von Geburt an komplett festgelegt ist. Dann könnte jemand, dessen genetische Ausstattung eher für eine tendenziell negative Sichtweise auf die eigene Person spricht, ganz viele positive Erfolgserlebnisse haben und würde trotzdem kein höheres Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erlangen. Zum Glück also scheint die genetische Ausstattung eher die Voraussetzung anzulegen, die aber durch individuelle Erfahrungen ergänzt wird.
Schauen Sie nach Ihrer Arbeit anders auf Zwillinge als zuvor?
So würde ich das vielleicht nicht sagen, aber es gibt jetzt auf jeden Fall weitere Fragen, die mich im Hinblick auf Zwillinge sehr interessieren. Zum Beispiel hat sich in meiner Arbeit auch gezeigt, dass die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Selbstbewertungen vom überwiegend bestehenden Muster manchmal abweichen. Im Einzelfall ist es also durchaus möglich, dass jemand ein hohes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hat und trotzdem ein geringes Selbstwertgefühl. Solche Abweichungen scheinen vorwiegend durch individuelle Erfahrungen, die nicht von Zwillingen geteilt sind, zu entstehen. Daher interessiert es mich jetzt nach meiner Arbeit, welche individuellen Erlebnisse das genau sind, die zur Unterschiedlichkeit von Zwillingen in verschiedenen Selbstbewertungen beitragen. Damit beschäftige ich mich nun, unter anderem, im Rahmen meiner Promotion.
Haben Sie in Ihrem Verwandten- oder Bekanntenkreis Zwillinge? Sind die inzwischen vorsichtiger im Umgang mit Ihnen?
Aus meinem privaten Umfeld kenne ich tatsächlich keine Zwillinge. Aber wenn es so wäre, würde ich denen gegenüber betonen, dass es in der verhaltensgenetischen Forschung, wie ich sie jetzt in meiner Arbeit gemacht habe, gar nicht so sehr um die Untersuchung von Zwillingen im Einzelnen geht. Vielmehr geht es darum, die Besonderheiten von Zwillingen hinsichtlich ihrer geteilten genetischen Ausstattung und ihrer teilweise geteilten Erfahrungen zu nutzen, um generell abzuleiten, inwieweit genetische bzw. Umwelteinflüsse Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Menschen insgesamt erklären. Dafür ist es natürlich gut, die Informationen von möglichst vielen Zwillingen einzubeziehen. Deswegen bin ich dankbar, dass ich zahlreiche Informationen von Zwillingen aus einem größeren Forschungsprojekt von Christian Kandler nutzen konnte.
Weitere Informationen
Der Preis der Fachgruppe der Differentiellen Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologischen Diagnostik (DPPD) wird vom Pearson Verlag gestiftet. Die Zeremonie der Preisverleihung wird am Montag, dem 25. September, von 13 bis 15 Uhr, auf der diesjährigen DPPD-Tagung in Salzburg stattfinden.