Forschung zum Anbeißen
Biologin Barbara Reinhold-Hurek verbessert gemeinsam mit namibischen Forschenden den Anbau von Hülsenfrüchten
23 Prozent. So viele Kinder leiden im Norden Namibias an Nährstoffmangel. Besonders Eiweiß fehlt. Abhilfe schaffen könnte die Bambara-Erdnuss – auch Erderbse genannt. Von Kleinbauern in der Gegend wird sie bereits angebaut, allerdings oft nur mit niedrigen Erträgen. Zusammen mit Partnern vor Ort arbeitet die Universität Bremen daran, den nachhaltigen Anbau der Hülsenfrucht in der Region durch angepasste Bakterien zu verbessern und aus der Erderbse ein innovatives Produkt für den heimischen und den internationalen Markt zu machen.
Frau Reinhold, wie schmeckt die Bambara-Erdnuss?
Fantastisch! Es ist eine extrem geschmacksreiche Bohne mit einem Aroma, das an Bohnen und Erbsen erinnert, die wir kennen. Gleichzeitig hat sie eine Nussigkeit, so zwischen Erdnuss und Bohne, und das fand ich großartig.
In Europa dürfte die Erderbse relativ unbekannt sein. Warum ist das so?
Es handelt sich um eine rein afrikanische Kulturpflanze; ein typisch kleinbäuerliches Produkt, das keine großen Vermarktungsketten kennt. Zumindest nicht in Namibia. Selbst in der Hauptstadt Windhoek ist sie nicht unbedingt geläufig und verbreitet.
Was ist das Besondere an dieser Hülsenfrucht?
Die Erderbse ist eine lokale Pflanze, die recht trockenheitstolerant ist und gut auf nährstoffarmen Böden gedeiht. Sie hat fantastische Nährwerte mit hoher Ballaststoffmenge, sehr guter Aminosäure Zusammensetzung und viel Eiweiß, also ein ganzheitliches Lebensmittel.
Was genau ist das Ziel des Forschungsprojekts SusTec?
Unser Projekt zielt darauf ab, den nachhaltigen Anbau der Bambara-Erdnuss vor Ort durch angepasste symbiontische Bakterien zu verbessern. Das ist Pionierarbeit: Obwohl der Ertrag von Sojabohnen bereits seit Jahrzehnten mit Bakterien verbessert wird und so ohne Stickstoffdünger auskommt, wird diese Art von Biodünger in Namibia noch gar nicht eingesetzt.
Schlussendlich möchten wir diese zu wenig untersuchte und wenig entwickelte Kulturpflanze in innovative Produkte umwandeln – sowohl für den lokalen Markt als auch für potenzielle Exportprodukte, etwa als Fleischersatzfeldfrucht für die vegetarische und vegane Küche.
Was würde eine solche Verbesserung für die Menschen bedeuten?
Mehr Einkünfte! Weniger Hunger, bessere Ernährung und mehr Einkünfte. Einfach die Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Subsistenzwirtschaft könnte sich in eine Subsistenzproduktion verwandeln, die Jobs generieren würde.
Wir planen, den gesamten Kreislauf zu analysieren und zu optimieren: Von der sicheren und effizienten Produktion auf kleinbäuerlichen Betrieben über die Formulierung gesunder, innovativer proteinreicher Nahrungsmittel bis hin zu Verkauf und Marketing.
Speziell die Unterernährung der Kinder wollen wir durch die Entwicklung einer robusten lokalen Wertschöpfungskette für eines unserer geplanten Produkte – ein eiweißreiches Porridge – bekämpfen.
Wie hat sich das Projekt ergeben und wie wichtig ist die Kooperation mit namibischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern?
Wichtig ist, dass man die Leute vor Ort nach ihren Wünschen und Ideen fragt. Aus vielen Gesprächen mit Stakeholdern wie Kleinbauern und Wissenschaftlern hat sich dann das Projekt entwickelt.
Auch bei der Umsetzung sind wir auf die Unterstützung vor Ort angewiesen: Wir brauchen Versuchsfelder in dem Gebiet, in dem die Bauern arbeiten. Es hat ja keinen Zweck, wenn man es in Windhoek macht, obwohl 800 Kilometer weiter oberhalb die Böden und das Klima ganz anders beschaffen sind.
Durch den direkten Bezug zur Community hoffen wir außerdem, einen wichtigen Forschungstransfer in die Gesellschaft zu leisten. Es ist wichtig, dass wir das Wissen um unsere Forschung weitergeben. Es ergibt beispielsweise keinen Sinn, dass wir in den kommenden Jahrzehnten die Bakterien hier in Bremen vorbereiten und per Express nach Namibia schicken. Das muss sich dort verstetigen.
Insgesamt wollen wir nicht unsere Vorstellungen überstülpen, sondern vor Ort gemeinsam auf Augenhöhe das Projekt entwickelt. Dazu arbeitet unser internationales Team aus Mikrobiologen, Pflanzenzüchtern, Lebensmittel- und Ernährungsspezialisten an der Universität Bremen, dem Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven, der University of Namibia und der Namibia University of Science and Technology zusammen.
Gibt es bereits konkrete Ergebnisse?
Normalerweise nutzen Bauern Bohnen, die sie irgendwann mal bekommen haben und die sie selbst vermehren, die aber keine eigentlichen Sorten sind. Diese Früchte liefern von Jahr zu Jahr komplett andere Erträge. Unsere Partnerin in Namibia, Professorin Lydia Horn, die selbst Pflanzenzüchterin ist, hat drei verschiedene Haupttypen von Erderbsen-Sorten erstellt und von Kleinbauern testen lassen. Für diese drei Sorten möchten wir jetzt die passenden Anbaumethoden mit den passenden Bakterien generieren. Die ersten Tests zeigen, das wir verschiedene Bakterien brauchen, um perfekte Symbiose ablaufen zu lassen. Das ist ein erstes Zwischenergebnis.
Anschließend können die Bauern auswählen, was sie anpflanzen, was sie verkaufen und was sie selbst essen möchten. Eine erste Saison von Feldexperimenten hatten wir schon, wo wir positive Ergebnisse unserer Bakterien auf die Ernte sehen. Das müssen wir jetzt wiederholen und optimieren. Aber es sieht vielversprechend aus.