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„Ich werde mit Begeisterung und aus Überzeugung Rektorin sein“

Professorin Jutta Günther hat das Amt an der Universität Bremen am 1. September 2022 übernommen.

Campusleben / Nachhaltigkeit

Sie kommt aus einer Arbeiterfamilie und kam nach einer Ausbildung über den zweiten Bildungsweg in die Wissenschaft. Im Jahr 2014 wurde Jutta Günther als Professorin für Wirtschaftswissenschaft an die Universität Bremen berufen. Seit dem 1. September 2022 ist die 55-Jährige nun Rektorin. Im Interview erzählt sie, was ihr in ihrem neuen Amt besonders wichtig ist, welche Bedeutung Universitäten für sie haben – und sie verrät, ob sie einen Lieblingsort auf dem Campus hat.

Frau Günther, was bedeutet Ihnen die Universität Bremen, an der sie nun schon über acht Jahre lang tätig sind?

Meine Berufung an die Universität Bremen im Jahr 2014 war mein sogenannter Erstruf. Bremen hat mich zur Professorin gemacht, das verbindet mich mit der Universität auf besondere Weise. Ich hatte keine klassisch-professorale Karriere geplant. Ursprünglich wollte ich nicht fernab im „Elfenbeinturm“ wissenschaftlich arbeiten. Und genau das ist die Universität Bremen nicht – ein „Elfenbeinturm“. Ich konnte mich mit meinem Team wissenschaftlich kreativ entfalten und in die Lehre einbringen. An der Universität Bremen lässt sich etwas bewegen. Wir sind eine mittelgroße Universität und zukunftsgewandt. Kürzlich hat sich der Akademische Senat sehr klar zu den Zielen der Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Klimaneutralität bekannt. Das hat mich beeindruckt. An dieser Universität werde ich mit Begeisterung und aus Überzeugung Rektorin sein.

„Es geht nur gemeinsam und es geht nicht nur um die Großforschungsprojekte – alle Statusgruppen und Initiativen tragen bei.“

Die Universität Bremen ist stark in der Klimaforschung. Auf dem Campus und in der Lehre spielen die Themen Klima und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Sie wollen die Themen als Rektorin vorantreiben. Was sind hier die nächsten wichtigsten Schritte für Sie und das gesamte Rektorat?

Wir sind dabei, das Leitbild der Universität weiterzuentwickeln. Im Mittelpunkt stehen die an der Universität tätigen Menschen. Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Klimaneutralität – kurz NKK – werden das neue Leitbild prägen. Zugleich erarbeitet die Kommission für NKK eine Nachhaltigkeitsstrategie. Als neue Rektorin möchte ich NKK gemeinsam mit den Hochschulen des Landes stärken. Wir haben noch in meiner Zeit als Konrektorin beim Bundesministerium für Bildung und Forschung den Verbund BreGoSBremen Goes Sustainable – beantragt. Wir möchten vor der eigenen Haustür beginnen, die Hochschulen nachhaltig zu machen. Es geht um Biodiversität, Energieeffizienz, Müllvermeidung und vieles mehr. Die vier Hochschulen und ihre Kooperationspartner:innen arbeiten eng zusammen. Einen solchen Schulterschluss gab es noch nie. BreGoS ist aber nur ein Beispielprojekt von vielen, die wir vorantreiben. Es muss klar sein: Es geht nur gemeinsam, und es geht nicht nur um die Großforschungsprojekte – alle Statusgruppen und Initiativen tragen dazu bei.

Blick auf den Universitäts Boulevard
Auf dem Boulevard der Universität Bremen ist man mitten im Unileben, sagt Jutta Günther.
© Alasdair Jardine / Universität Bremen

Sie sind über den zweiten Bildungsweg in die Wissenschaft gekommen. Was genau haben Sie vorher gemacht und was hat Sie motiviert, in die Wissenschaft zu gehen?

Als Schülerin habe ich mich für Chemie und Physik begeistert. Da ich nicht wie meine Eltern und Großeltern Landwirtin werden wollte, aber nicht studieren sollte, wollte ich wenigstens in einer Apotheke arbeiten. Die Ausbildung dort war zunächst eine kaufmännische, anschließend wurde ich pharmazeutisch-technische Assistentin. Danach ging es weiter im Forschungslabor an der FU Berlin und in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Aber ich wollte immer studieren, was ich dann auf dem zweiten Bildungsweg getan habe. Inzwischen interessierten mich sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Themen, aber auch die Betriebswirtschaftslehre und zu Beginn der 90er Jahre natürlich die Transformation im Osten Deutschlands und Europas – ein epochales Ereignis mit unendlich vielen Forschungsthemen. Ich wollte auf jeden Fall mehr wissen und selbst zum Wissensstand beitragen. So wurde ich Wissenschaftlerin. Eins fügte sich an das andere, aber es gab auch Brüche und Niederlagen. Die haben meinen Weg durchkreuzt, mich aber nicht aufgehalten.

„Universitäten sind die allererste Adresse der Erkenntnis.“

Schaut man sich Ihren Lebenslauf an, sind Sie als Wirtschaftswissenschaftlerin sehr erfolgreich. Als Rektorin werden Sie sich nun anderen Aufgaben widmen. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?

Weil es mich fasziniert, nicht nur das eigene Arbeitsgebiet, sondern eine ganze Universität strategisch weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen. Universitäten sind die allererste Adresse der Erkenntnis. Hier werden Selbstverständlichkeiten hinterfragt, um die Wahrheit gerungen, Studierende zur kritischen Reflektion ermutigt, technische Probleme gelöst und gesellschaftliche Herausforderungen adressiert. Eine Universität, an der all das in wissenschaftlicher Freiheit geschieht, ist eine große Errungenschaft der Gesellschaft, die sie trägt. An der Spitze einer solchen Einrichtung zu stehen, die mir selbst genau diesen wissenschaftlichen Freiraum geschenkt hat, ist ein Privileg.

„Wenn wir mehr Frauen in Spitzenpositionen haben wollen, braucht es auch einen gesellschaftlichen Wandel.“

Frauen sind in der Wissenschaft immer noch unterrepräsentiert. Die Universität Bremen tut viel für die Gleichstellungs- und Frauenförderung. Der Anteil der Professorinnen liegt zurzeit mit 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 27 Prozent. Sie selbst sind über das Professorinnenprogramm berufen worden. Was sind für Sie die entscheidenden Punkte, dass mehr Frauen in die Wissenschaft kommen – und dortbleiben?

Wir haben in der Frauenförderung viel erreicht. Sie ist heute unter anderem fester Bestandteil der Förderkriterien aller großen Forschungsfördereinrichtungen. Studien belegen, dass gemischte Teams kreativer und produktiver sind. Da fragt man sich, warum wir nicht schon viel weiter sind. Das BMBF-Professorinnenprogramm, in dem meine Berufung nach Bremen erfolgte, ist gut und richtig. Aber das eigentliche Ziel, ein solches Programm nicht mehr zu benötigen, scheint ein Mammutprojekt zu sein. Ich glaube, der entscheidende Punkt ist das gesellschaftliche Grundverständnis. Der Hauptanteil der Care-Aufgaben wird weiterhin ganz überwiegend von Frauen wahrgenommen. Wenn wir über die Teilbarkeit von Spitzenpositionen diskutieren, denken wir da als erstes an zwei Männer? Vermutlich nicht. Ich möchte das ohne Wertung sagen und niemandem ein Rollenverständnis aufschwatzen. Aber wenn wir mehr Frauen in Spitzenpositionen haben wollen, braucht es mehr als Förderrichtlinien, es braucht auch gesellschaftlichen Wandel.

Die Universität Bremen bietet seit einigen Jahren neue Karrierewege in der Wissenschaft: Nachwuchsforschende können sich bereits während ihrer frühen Post-Doc-Phase für eine Stelle als sogenannte Lecturer oder Researcher bewerben – eine neue Kategorie neben der Professur. Wie ist hier der Stand und welche Priorität hat für Sie dieses Thema im Rektorat?

Mit diesen neu geschaffenen Positionen ist die Universität Bremen bundesweit mutig vorangegangen. Wir sammeln seit gut zwei Jahren Erfahrungen mit diesen Stellen im sogenannten Mittelbau. Die Lecturer und Researcher arbeiten in Forschung und Lehre eigenständig und es gibt eine Perspektive auf eine dauerhafte Beschäftigung. Die Förderung und Qualifizierung junger Wissenschaftler:innen ist auch dem neuen Rektorat sehr wichtig. Die zuständige Konrektorin kommt aus dem Mittelbau – übrigens auch ein Novum „Made in Bremen“.

Abschließend noch eine persönliche Frage: Haben Sie einen Lieblingsort hier auf dem Campus?

Ich mag den Fußweg und die kleine Brücke am Kuhgraben, gleich hinter dem Max-Planck-Institut auf dem Campus. In einer der Gästewohnungen des Max-Planck-Instituts habe ich 2014 in meinen ersten Wochen in Bremen gewohnt. Eine nette Ecke. Zudem liebe ich die Glashalle im Zentralbereich und den Boulevard. Wenn man sich dort aufhält, ist man mitten im Leben der Universität Bremen.

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