Forschungsnahes Studium prägte den Weg
Akademischer Mittelbau im Fokus: Lisa-Marie Vortmann aus dem Cognitive Systems Lab
Schon früh in eine Universität reinschnuppern – das hat sich für Lisa-Marie Vortmann ausgezahlt. Bereits als 17-Jährige nahm sie an der Uni Osnabrück an kognitionswissenschaftlichen Vorlesungen dabei. Das prägte ihren Lebensweg: Heute arbeitet die 26-Jährige als Doktorandin im Cognitive Systems Lab (CSL) von Informatik-Professorin Tanja Schultz.
Noch kein Abi, aber schon in der Universität? Lisa-Marie Vortmann hat das erlebt. Denn während der Schulzeit in der Kleinstadt Bramsche gab es für Oberstufen-Schülerinnen und -Schüler die Möglichkeit, an der Uni Osnabrück schon mal in reguläre Veranstaltungen rein zu schnuppern. „Die Studienberatung hatte mir empfohlen, dass ich mir mal den Studiengang Cognitive Science angucke“, erinnert sie sich heute. „Ich hatte schon damals eine große Affinität zu Technik, Mathematik und logischem Denken. Psychologie oder Neurowissenschaften hätte dazu aber auch gut gepasst. Ich habe lange überlegt, ob ich das mache.“
Aber dann wurde es eben doch Cognitive Science. Ein Studium in Osnabrück, dass Lisa-Marie Vortmann als sehr interdisziplinär erlebt hat mit einem Fokus auf das Zusammenspiel von Gehirn und Technik. Informatik, Psychologie, Neurobiologie, Neuroinformatik und vieles mehr standen auf dem Lehrplan. „Was mich besonders gereizt hat, war der hohe Informatikanteil. Ich habe zum Beispiel Programmieren gelernt und wusste damals schon, dass das später sicher zu den Grundfertigkeiten gehört, die man haben muss.“
Schon früh eigene Forschungsfragen bearbeitet
Es machte Spaß – Bachelor und Master waren die Folge. „Mein Studium war sehr forschungslastig. In Studienprojekten oder in den Abschlussarbeiten mussten schon eigene Forschungsfragen bearbeitet werden. Das fand ich gut.“ Aber die junge Studentin wollte nicht nur lernen, sie wollte auch Wissen weitergeben. Deswegen war sie auch in mehreren Kursen als Tutorin aktiv. „Schon im 3. Semester stand ich selbst vor Studierenden. Ich fand – und finde! – es immer noch hochinteressant, aber auch herausfordernd, Wissen möglichst verständlich weiterzugeben.“
Hört man Lisa-Marie Vortmann bei der Schilderung ihrer Studien- und Universitätskarriere zu, fällt immer wieder ein Wort: Spaß. Man spürt, dass die Freunde an der Materie und der Arbeit bei ihr die Energie freisetzen, sich tiefer in die Thematik einzuarbeiten und das erworbene Know-how auch anderen zu vermitteln. Kein Wunder also, dass sie 2018 mit nur 23 Jahren ihren Master in der Tasche hatte – ein Semester unter der Regelstudienzeit. Der Titel der Masterarbeit: „Erkennung von geteilter Aufmerksamkeit anhand von EEG-Daten.“ Wie bitte? „Konkret ging es um die geteilte visuelle Aufmerksamkeit, zum Beispiel, wenn ich zwei verschiedene Dinge gleichzeitig beobachten muss – wie etwa im Straßenverkehr.“
Das klingt alles schon sehr nach dem, was sie aktuell im Cognitive Systems Lab (CSL) der Universität Bremen macht. Ein ehemaliger Kommilitone, der bereits im CSL tätig war, machte sie auf eine Doktorandenstelle in der Hansestadt aufmerksam. „Das passte einfach vom Thema her. Es geht auch hier um Aufmerksamkeitsforschung, bei der ich mit EEG Daten – gewonnen durch Brain Computer Interfaces – arbeiten kann.“ Besonders interessant sei für sie gewesen, dass sie nun noch tiefer in die Informatik einsteigen könne. „Attention Aware Interaction Systems for Augmented Reality“, so lautet der Titel ihres aktuellen Drittmittel-Projekts. Klingt für Laien herausfordernd – für sie ist es hochinteressant.
Arbeit mit der erweiterten Realität
Worum es geht: Augmented Reality – auf Deutsch „erweiterte Realität“ – erlaubt es, virtuelle Gegenstände in die reale Welt einzublenden. „Man kann so zum Beispiel ein Möbelstück, das man kaufen will, bereits in der späteren realen Umgebung anschauen“, erläutert Lisa-Marie Vortmann. Das bringe aber auch einen erhöhten „sensorischen Input“ mit sich. „Dabei ist unsere Aufmerksamkeit sowieso schon die ganze Zeit damit beschäftigt, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.“ Wenn noch mehr Signale dazu kämen, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, stärker abgelenkt zu werden? „Es gibt ja Science-Fiction-Szenarien, bei denen wir alle mit Info-Brillen a la Google Glass herumrennen, in denen dann eine Vielzahl von Informationen aufploppt. Können wir die alle überhaupt verarbeiten?“
Doch es gibt „realistischere Szenarien“, so die Nachwuchswissenschaftlerin, in denen Augmented Reality eine wichtige Hilfe werden könne – beispielsweise in der Medizin oder der Industrie. „Unsere Aufgabe ist es nun hinzubekommen, dass die Nutzenden nicht abgelenkt werden, sondern die optimale Unterstützung im richtigen Maß erhalten.“ Dafür brauche das System einerseits Information über die Aufgabe des Nutzers oder der Nutzerin, andererseits aber auch Informationen über den aktuellen Aufmerksamkeitszustand. Wohin wird gerade geschaut? Denkt man gerade über etwas nach? Wird man gerade abgelenkt? „Bei meiner Forschung geht es darum, dass wir entweder über Daten aus der Blickverfolgung oder aus Hirnstrom-Daten den Aufmerksamkeits-Zustand der Nutzenden klassifizieren und diese Informationen dann nutzen, um das System anzupassen.“
Interaktion zwischen Gerät und Benutzer verbessern
Die Probandinnen und Probanden mit denen sie arbeitet, haben also oft eine EEG-Kappe auf oder sind mit einem Eyetracker für die Blickverfolgung ausgerüstet. Aber nicht zwingend: Auch mit Smartphone-basierter Augmented Reality arbeitet die Doktorandin. „Bei all diesen Sachen wollen wir eben die Interaktion zwischen Gerät und Benutzer verbessern, indem das Gerät eine Art ‚Aufmerksamkeits-Bewusstsein‘ für den Benutzer bekommt.“ Spannende und zum Teil auch sehr aufwändige Forschung, die ein klares Ziel hat: „Die Technologie an sich ist schon sehr vielversprechend, aber im Moment noch zu wenig auf die Nutzenden angepasst. Das hinzukriegen, daran arbeiten wir.“
Ihr Projekt führt sie mehr oder minder alleine durch – angeleitet durch ihren „Supervisor“ Felix Putze. Ihre volle Stelle als Doktorandin, die sie für drei Jahre bekommen hat, wurde gerade noch einmal um ein halbes Jahr verlängert. Ihre Promotion ist kumulativ angelegt, speist sich also aus einer Vielzahl von Fachartikeln, die sie während ihrer Zeit am CSL schreibt. „Ich habe diese dann bei Journals oder internationalen Konferenzen eingereicht. Schade war natürlich, dass Corona dazwischenkam. Das hat mich nicht nur eineinhalb Jahre ins Home-Office gezwungen, sondern auch die Teilnahme an internationalen Konferenzen verhindert – die fanden meist virtuell statt. In China war ich noch, Hawaii wurde dann als Präsenzveranstaltung leider schon abgesagt.“
Viel Spaß und Interesse an der Lehre
Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit hat sich Lisa-Marie Vortmann auch weitergebildet. „Vergangene Woche war ich beispielsweise in einem Seminar, in dem es um die Drittmitteleinwerbung von Postdocs ging. Sowas ist natürlich für die spätere Karriere toll“, sagt sie. Das gelte auch für das hochschuldidaktische Zertifikat, dass von den Universitäten Bremen, Oldenburg und Osnabrück gemeinsam angeboten wird. Es ist eine Art Ausbildung für die akademische Lehre. „Im vergangenen Semester durfte ich zum ersten Mal eine Lehrveranstaltung für Master-Studierende organisieren. Thema war das ‚Advanced Machine Learning‘“. Wegen Corona musste das Seminar virtuell durchgeführt werden. Die Inhalte wurden mit Videos zur Verfügung gestellt, einmal pro Woche eine Online-Fragestunde gemacht, dazu Online-Tutorien angeboten. „Ich hatte dabei quasi die Schirmherrschaft und habe alles auf die Beine gestellt: Inhalte, Ablauf, Organisation.“
„Nach der Promotion sehe ich mich weiterhin an der Universität – an welcher, wird sich zeigen.“
Gut beraten von Kolleginnen und Kollegen
Im Frühjahr 2022 will Lisa-Marie Vortmann ihre Dissertation abschließen. Dass sie weiterhin als Wissenschaftlerin arbeiten will, steht für sie fest: „Die Kombination von Lehre und Forschung ist für mich der richtige Weg.“ An ihrem Institut werde sie von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen gut beraten, in welche Richtung sie gehen könnte und was sie dort erwartet. „Nach der Promotion sehe ich mich weiterhin an der Universität – an welcher, wird sich zeigen.“
Hilfreich ist für sie, dass sie als Frau in einem äußerst nachgefragten Fachgebiet arbeitet. Wissenschaftlerinnen sind in ingenieur- und informationstechnischen Berufen sehr gerne gesehen. „Und selbst wenn sich bei mir eine Lücke ergeben sollte, ist das kein Problem für mich. Die weiß ich gut zu füllen!“ Die junge Nachwuchswissenschaftlerin hat auch außerhalb der Universität Bemerkenswertes erreicht – beispielsweise als Spielerin einer Tennis-Leistungsmannschaft. Außerdem trainiert sie Kinder-, Jugend- und Erwachsenen-Anfängergruppen. Zehn Jahre macht sie das schon, ebenfalls mit Erfolg: „Damit kann man auch gutes Geld verdienen. Für mich wird das allerdings ein Nebenjob bleiben!“
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Webseite Cognitive Science Lab