Labore im Notbetrieb
Coronakrise: Wie sich Forschende in den Naturwissenschaften mit ihren Teams organisieren.
Ruhig ist es zurzeit auf dem Campus. Als Vorsichtsmaßnahme gegen das neuartige Coronavirus sind die Uni-Gebäude geschlossen. Doch nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können komplett im Homeoffice arbeiten. Neben den nötigsten Verwaltungsaufgaben, die oft nur an der Uni erledigt werden können, müssen sich auch die Forschungslabore neu organisieren.
Die erste Woche war hart. Als Professorin Juliane Filser erfuhr, dass die Universität Bremen binnen weniger Tage in den Notbetrieb versetzt wird, musste sie erstmal schlucken. „Wir haben viele Tier- und Algen-Kulturen sowie Mikroorganismen, die versorgt werden müssen. Dazu unsere Langzeitversuche im Biogarten. Für uns steht jahrelange Forschungsarbeit auf dem Spiel“, sagt die Wissenschaftlerin. Sie leitet die Arbeitsgruppe Allgemeine und Theoretische Ökologie an der Universität. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Gruppe erforschen, wie neuartige Substanzen sich auf Ökosysteme auswirken – eine wichtige Grundlage für die Zulassung neuer Chemikalien.
Gips und Aktivkohle für die Springschwänze
Das Problem: Die Pflege der Kulturen erfordert Fingerspitzengefühl. „Das lernt man nicht mal eben so“, stellt Filser klar. Die Wasserflöhe beispielsweise leben in einem Medium aus 26 aufeinander abgestimmten Substanzen. Für die nur wenige Millimeter großen Springschwänze müssen Platten aus Gips und Aktivkohle gegossen werden, damit sie genug Feuchtigkeit haben und von Schadstoffen verschont bleiben.
Vor diesem Hintergrund war eine Vorgabe des Notbetriebs für Filser und ihr Team besonders schwer zu erfüllen: Sie durften nur zwei Personen nennen, die zu bestimmten Zeiten die Labore betreten dürfen. Mit einem mulmigen Gefühl nominierte Filser die beiden erfahrensten Technischen Angestellten. Prompt meldete sich eine von ihnen krank.
E-Mail-Marathon
Vom Homeoffice aus organisierte Filser eine Ausnahmegenehmigung für eine dritte Person. „Ich habe volles Verständnis für die Vorsichtsmaßnahmen und bin mir bewusst, dass alle gerade ihr Bestes geben. Aber nach dieser Woche E-Mail-Marathon war ich total platt“. Dass der eingeschränkte Zugang in die Labore viel Organisationsgeschick fordert, hat auch Dr. Thomas Nakel erlebt. In der Arbeitsgruppe Molekulare Genetik unter Leitung von Professorin Rita Groß-Hardt ist er derzeit auch für die Versorgung der Pflanzen zuständig. „Wir haben zwei große Räume voller Pflanzen, das sind mehrere tausend“, sagt der Molekularbiologe.
Biologische Sicherheitsstandards
Das 15 Personen starke Labor war schon vor Schließung der Universität in einen Schichtbetrieb mit drei Personen pro Schicht gewechselt, um Infektionen zu vermeiden. “Durch die Schließung der Universität sind wir nun im absoluten Notbetrieb. Es ist gerade so möglich, die vorgeschriebenen biologischen Sicherheitsstandards einzuhalten und die Pflanzenlinien zu erhalten damit wir nach der Krise weitermachen können.“
Er sowie seine Kolleginnen und Kollegen hoffen, dass die Labore bald wieder geöffnet werden können. „Den derzeitigen Schaden können wir partiell abfedern. Sollte die Situation allerdings mehrere Monate andauern, sind Forschungsprojekte gefährdet.“ Das Team forscht an der sexuellen Reproduktion von Pflanzen – insbesondere, an Dreielternpflanzen die entstehen, wenn zwei Spermien mit einer Eizelle verschmelzen. Die Erkenntnisse könnten eines Tages helfen, neuartige Nutzpflanzen zu züchten, die beispielsweise besonders gut mit Klimaveränderungen zurechtkommen.