Leibniz-Preis für Bremer Klimawissenschaftlerin
Veronika Eyring hat einen der weltweit renommiertesten Wissenschaftspreise bekommen.
Höchste Auszeichnung für die Bremer Klimaforschung: Professorin Veronika Eyring vom Fachbereich Physik/ Elektrotechnik der Universität Bremen und dem DLR hat für ihre herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der Klimamodellierung den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis 2021 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten. Der renommierteste deutsche Wissenschaftspreis ist mit 2,5 Millionen Euro dotiert.
Frau Eyring, Sie erhalten diesen großartigen Preis für Ihre Forschung auf dem Gebiet der Klimamodellierung. Erklären Sie uns kurz, woran Sie genau forschen?
Den Klimawandel in dem komplexen System Erde mit all seinen Wechselwirkungen und Rückkopplungen genauer zu verstehen und vorherzusagen, das ist mein Forschungsgebiet.
Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist eindeutig und wirkt sich bereits heute auf viele Aspekte von Gesellschaft, Wirtschaft und Ökosystemen aus. Diese Auswirkungen werden in diesem Jahrhundert noch sichtbarer und gravierender werden – in welchem Ausmaß hängt davon ab, wie viel zusätzliche Treibhausgase von der Menschheit ausgestoßen werden. Die zukünftige Entwicklung des Klimawandels hängt aber auch davon ab, wie stark das System ‚Erde‘ auf diese Emissionen reagiert.
Um die Entwicklungen und entsprechende Szenarien vorherzusagen, werden weltweit computergestützt Klima- und Erdsystemmodelle entwickelt. Mit unserer Forschung reduzieren wir Unsicherheiten in Klimavorhersagen. Dies erreichen wir, indem wir Modelle und Beobachtungsdaten mittels innovativer Methoden und Verfahren der künstlichen Intelligenz kombinieren.
Was macht ihre Forschung so wichtig für die Menschheit?
Klimamodelle zeigen uns sehr klar, dass die Reduktion von Treibhausgasen dringend notwendig ist, um einen weiteren Temperaturanstieg zu verringern.
Wir führen gerade ein gewagtes Experiment mit unserem Planeten durch. Mit der virtuellen Welt des Klimamodells können wir aufzeigen, wie eine Zukunft mit und ohne Klimaschutz aussehen wird. Damit liefern wir wichtige Grundlagen für politische Handlungsoptionen und einen nachhaltigen Klimaschutz.
Mit welchen Methoden arbeiten Sie?
Aktuell werten wir im Rahmen des „Coupled Model Intercomparison Project“ (CMIP) – ein Projekt des Weltklima-Forschungsprogramms – eine neue Generation von Klima- und Erdsystemmodellen aus.
Im Rahmen eines großen internationalen Forschungsverbunds leite ich die Entwicklung des „Earth System Model Evaluation Tools“ (ESMValTool). Durch die Entwicklung dieser Software konnte die routinemäßige Auswertung und Bewertung der komplexen Erdsystemmodelle mit Beobachtungsdaten kontinuierlich verbessert und erweitert werden. Ein vielversprechender Ansatz beruht auf der Idee, alle CMIP-Modelle zu nutzen, um Zusammenhänge zwischen heute beobachteten und zukünftigen Klimaänderungen aufzudecken. Die Erkenntnisse daraus sind essentiell, um die Modelle kontinuierlich zu verbessern und ein entscheidender Schritt, die Unsicherheiten in den Vorhersagen der zukünftigen Klimaentwicklung weiter zu verringern.
Mit diesen Arbeiten liefert mein Team am Institut für Physik der Atmosphäre des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und mein Lehrstuhl für Klimamodellierung am Institut für Umweltphysik der Universität Bremen maßgebliche Beiträge zu CMIP, das ich von 2014 bis 2020 geleitet habe. Und die Erkenntnisse fließen auch in den sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC ein, für den ich gerade als koordinierende Leitautorin zum Thema „Menschlicher Einfluss auf das Klimasystem“ tätig bin.
„Klimamodelle zeigen uns sehr klar, dass die Reduktion von Treibhausgasen dringend notwendig ist, um einen weiteren Temperaturanstieg zu verringern.“
Welches sind drängende und wichtige Fragen in Ihrem Forschungsfeld?
Wir fragen uns, welche Prozesse für die Unsicherheiten in den Klimavorhersagen verantwortlich sind. Warum zeigt sich beispielsweise bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre eine große Spanne von 2 bis 5 Grad Temperaturerhöhung in den verschiedenen Modellen? Und wie ändert sich dabei die Effektivität der Pflanzen Kohlenstoff über Photosynthese aufzunehmen? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir neue Ansätze in der Klimamodellierung verfolgen.
Kleinskalige Prozesse, stellen Sie sich zum Beispiel Wolkenbildung vor, müssen in komplexen Modellen näherungsweise dargestellt werden. Deshalb liegt ein Potential in hochaufgelösten Simulationen, in denen man auch kleinskalige Prozesse explizit berechnen kann. Solche Simulationen sind jedoch sehr rechenintensiv. Durchbrüche erwarte ich deshalb insbesondere aus der Kombination von verschiedenen Ansätzen, nämlich hochaufgelösten Modellsimulationen, Beobachtungsdaten und maschinellen Lernverfahren.
Inwieweit hilft KI bei der Vorhersage von Klimaentwicklungen?
Mit dem in 2020 gestarteten Synergy Grants des Europäischen Forschungsrats „Understanding and Modelling the Earth System with Machine Learning“ (USMILE) habe ich als „corresponding Principal Investigator“ eines interdisziplinären Teams meine Forschungsarbeiten auf das Gebiet der künstlichen Intelligenz (KI) erweitert. Unser Team entwickelt maschinelle Lernverfahren, um das Verständnis und die Modellierung des Erdsystems weiter zu verbessern.
Wir können hochaufgelösten Simulationen, die nur für kurze Zeiträume, etwa Tage oder Monate zur Verfügung stehen, mit Beobachtungsdaten als Information nutzen, um Neuronale Netze zu trainieren. Diese können dann im Erdsystemmodell zum Einsatz kommen und eine sehr viel bessere Darstellung von beispielsweise Wolken auch in einem grob-aufgelösten Modell ermöglichen, als das bisher möglich war. Darüber hinaus arbeiten wir daran, Klimaschwankungen und Extremereignisse wie Dürren mit Methoden wie Deep Learning auf kausale Zusammenhänge hin zu untersuchen.
Maschinelles Lernen hat hier ein außerordentliches Potenzial, die Klimaforschung voranzubringen und neue Forschungsfelder zu erschließen. Wir erhoffen uns durch die Brücke zwischen Physik und maschinellem Lernen die Modellierung und Analyse des Erdsystems zu revolutionieren und langfristig zu robusteren Klimaprojektionen beizutragen.
In einer Zeitung werden Ihre beiden ehemaligen Physiklehrer am Gymnasium in Bad Neustadt zitiert. Sie seien schon als Schülerin den Dingen besonders intensiv auf den Grund gegangen. Hat sich da schon eine herausragende Wissenschaftskarriere angedeutet?
Ich hatte zwei großartige Lehrer, die ab der zehnten Klasse mit ihrem anspruchsvollen Unterricht meine Liebe für die Physik geweckt haben. Und mir war sehr schnell klar, dass ich Physik studieren wollte. Nach dem Abitur war ich immer noch überzeugt und habe mich dann an der Universität Erlangen-Nürnberg eingeschrieben.
Was genau hat Sie an der Physik und an der Klimamodellierung gereizt?
Insbesondere fasziniert mich die theoretische Physik. Mein eigentlicher Berufsplan kristallisierte sich 1995 heraus, als ich ein Thema für meine Doktorarbeit suchte. Schon damals warnten internationale Klimaforscherinnen und -forscher vor dem vom Menschen verursachten Klimawandel. Das hat meine Aufmerksamkeit geweckt.
Mich fasziniert, dass wir das komplexe System Erde mit all seinen physikalischen und biogeochemischen Prozessen, Wechselwirkungen und Rückkopplungen so akkurat am Computer nachbilden können. Und dass wir mit diesen Modellen, die auf physikalischen Naturgesetzen beruhen, die Zusammenhänge des Erdsystems besser verstehen.
Neue Ideen und Methoden zu entwickeln, und immer mehr über das Erdsystem herauszufinden und zu lernen, das ist eine faszinierende Tätigkeit, die ich nach wie vor sehr genieße. Besonders erfüllend ist für mich, dass unsere Forschung zudem wichtige Information für Gesellschaft und Politik liefert.