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Materialforschung für Erde und Mars: Wie Daniel Meyer Bauteile widerstandsfähiger macht

Daniel Meyer fand seinen Weg von der Biologie zur Produktionstechnik eher zufällig. Heute erforscht er, wie sich Metalloberflächen durch gezielte Bearbeitung verbessern lassen – Wissen, das nun sogar für die Marsforschung der Uni Bremen wichtig wird

Forschung

Vom Biologiestudenten zum Experten für Metallbearbeitung: Daniel Meyer optimiert mit innovativen Methoden die Eigenschaften von Bauteilen – ein Wissen, das nicht nur in der Industrie gefragt ist, sondern auch in der Marsforschung der Universität Bremen.

Wie der Zufall so spielt: Daniel Meyer kam nach Bremen, um Biologie zu studieren. Einen Job fand er aber als studentische Hilfskraft am Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien – IWT. „Da sollte ich unter anderem die Kühlschmierstoffe an den vielen Werkzeugmaschinen untersuchen – milchähnliche Emulsionen, die bei Zerspanprozessen eingesetzt werden.“ Die Expertise des Biologiestudenten war gefragt, um den Zustand der Schmierstoffe zu überprüfen.

Bald wurde sein Interesse auch an den anderen Vorgängen im Institut und im Fachbereich Produktionstechnik geweckt. Er hatte Einblicke in verschiedene Verfahren wie Drehen, Fräsen, Bohren und Schleifen, lernte neue technische Geräte und faszinierende Forschung kennen. Doch zunächst schloss er sein Biologiestudium ab und arbeitete anschließend am Zentrum für Humangenetik der Universität Bremen in der Krebsforschung. 2006 stieg er dann am heutigen Leibniz-IWT als wissenschaftlicher Mitarbeiter ein.

Vom Biologiestudenten zum Ingenieur

Daniel Meyer wurde dort von seinem damaligen Chef Professor Ekkard Brinksmeier zum Ingenieur ausgebildet. Für ihn eine 180-Grad-Wende: „Ein ungewöhnlicher Weg – als würde ein 100-Meter-Läufer plötzlich zum Stabhochsprung wechseln.“ Während man in der Biologie im Labor mit Chemikalien und Zellen arbeitet, beschäftigte sich Meyer in den fünf Jahren bis zu seiner Promotion intensiv mit verschiedenen Fertigungsprozessen.

Portrait Daniel Meyer
Daniel Meyer ist stolz darauf, dass er in der ingenieurwissenschaftlichen Habilitation wieder seine biologische Expertise mit einbringen konnte.
© Patrick Pollmeier / Universität Bremen

Dabei ging es etwa um das präzise Bohren, was besonders in der Luftfahrt von großer Bedeutung ist. „In so ein Flugzeug müssen sehr viele Löcher sehr genau gebohrt werden“, erklärt Meyer. Auftraggeber solcher Forschungsprojekte waren oft große Unternehmen wie Airbus oder deren Zulieferer. Neben dem Bohren arbeitete er auch mit Fräs-, Dreh- und Schleifwerkzeugen.

Optimierung von Werkstoffeigenschaften

Im Leibniz-IWT liegt der Fokus meist auf der Bearbeitung von Materialien wie Stahl, Titan oder Nickelbasislegierungen. „Wenn wir sie durch Drehen, Fräsen oder Bohren in Form bringen, dann verändern wir auch die Eigenschaften des Materials“, erklärt Meyer. Diese Veränderungen sind teils sichtbar, etwa durch raue oder glatte Oberflächen. Doch es gibt auch unsichtbare Effekte: Die Oberflächen können durch die Bearbeitung härter werden und dadurch bei Belastung – etwa Schwingungen – länger halten. Diese komplexen Zusammenhänge untersuchte Meyer eingehend.

Besonders stolz ist er darauf, dass er in der Habilitation wieder seine biologische Expertise mit einbringen konnte. Denn Kühlschmierstoffe, die in der Fertigung eine große Rolle spielen, beeinflussen die Bearbeitungsprozesse und somit auch die Eigenschaften der Werkstücke. Dies spiegelt sich auch im Titel seiner Habilitationsschrift wider: „Fertigungsbedingte Werkstoffmodifikation – Folge der Interaktion von Prozess und Material.“ Ein einzigartiges Thema, mit dem sich bis dahin noch niemand so umfassend beschäftigt hatte.

Daniel Meyer und ein anderer Mann sind zu sehen, wie sie am Laptop arbeiten.
Daniel Meyer (weißes Hemd) erforscht Fertigungsprozesse, bei denen eine metallische Oberfläche durch spezielle Bearbeitungen erheblich widerstandsfähiger gemacht werden kann.
© Patrick Pollmeier / Universität Bremen

Eine Veranschaulichung der Forschung von Daniel Meyer verdeutlicht, wie sich Materialeigenschaften durch Bearbeitung verändern: Wenn man eine Büroklammer mehrfach hin- und herbiegt, wird der Biegepunkt warm, und irgendwann bricht die Büroklammer an dieser Stelle. „Wir haben also über eine Verformung die Materialeigenschaften verändert, denn dort, wo das Material bricht, hat es sich zuvor verfestigt und ermüdet“, erklärt Meyer. Gerade in sicherheitsrelevanten Bereichen ist es wichtig, dass Bauteile lange halten und nicht vorzeitig brechen. Durch gezielte Bearbeitung kann man bestimmte Eigenschaften in das Material einbringen, die seine Lebensdauer verlängern – etwa eine höhere Härte, eine glattere Oberfläche oder optimierte Druckeigenspannungen.

Eigenspannungen und ihre Bedeutung

Ein einfaches Beispiel für Eigenspannungen lässt sich sogar in der Küche beobachten: Schneidet man Karotten längs auf, nehmen die dünnen Sticks oft eine leicht gebogene Form an – ähnlich wie Bananen. „Das ist ein Resultat der Eigenspannungen“, erklärt Meyer. „Solche Spannungszustände gibt es auch bei Metallen, und das kann man gezielt beeinflussen.“ So können schon bei der Bearbeitung der Werkstoffe deren spätere Eigenschaften entscheidend gestaltet werden, um sie für die Herausforderungen ihrer Einsatzbereiche zu optimieren. „Dadurch, dass wir durch verschiedene Fertigungsprozesse die äußersten 50 Mikrometer einer metallischen Oberfläche beeinflussen – das entspricht ungefähr dem Durchmesser eines menschlichen Haares – können wir diese erheblich widerstandsfähiger machen.“

Besonders in Branchen, in denen die Langlebigkeit von Bauteilen eine zentrale Rolle spielt, könnten seine Forschungsergebnisse von großer Bedeutung sein. Etwa für die Windenergie. „Wenn ein Windrad sich dreht, werden unzählige Bauteile immer wieder schwingend belastet – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr“, macht er die Beanspruchung deutlich. Im Automotor wiederum bedeuten mehrere tausend Umdrehungen pro Minute auch mehrere tausend Lastfälle. Und in der Luftfahrt werden Bauteile zum Beispiel bei Start und Landung extrem belastet. Überall sind schon die Fertigungsprozesse entscheidend, dass man sich hinterher darauf verlassen kann, dass die verwendeten Bauteile im Einsatz fehlerlos funktionieren.

Neue Herausforderungen auf dem Mars

Seine Kenntnisse aus verschiedenen Gebieten kommen Daniel Meyer jetzt in der Forschungsinitiative Humans on Mars, an der er beteiligt ist, sehr gelegen. Er ist am Antrag für den Exzellenzcluster „Die Marsperspektive: Ressourcenknappheit als Grundlage eines Paradigmas der Nachhaltigkeit“ der Universität Bremen beteiligt. Die spezielle Expertise des Biologen und Produktionstechnikers fließt in das interdisziplinäre wissenschaftliche Team ein, dessen Forschung nun dazu beitragen könnte, der Universität Bremen erneut den Exzellenzstatus zu sichern.

„Stellen wir uns vor, dass sich Menschen über einen längeren Zeitraum auf dem Mars aufhalten. Denen wird man nicht alles auf ihre Reise mitgeben können, was sie dort brauchen“, sagt Daniel Meyer. „Dort wird es keine Hochregallager mit allen möglichen Ersatzteilen geben. Nachschub braucht zwei Jahre, bis er auf dem Mars ist.“ Wenn also etwas schnell ersetzt werden muss, werden sich die Menschen auf dem Mars das Fehlende selbst herstellen müssen.

Daniel Meyer hält einen Forschungsgegenstand in die Kamera
Daniel Meyer ist an der Forschungsinitiative „Humans on Mars“ beteiligt und leitet die Planungen für die „Research Area Processing“.
© Patrick Pollmeier / Universität Bremen

Im Forschungsverbund wurden bereits aussichtsreiche Verfahren entwickelt, um mit auf dem Mars vorhandenen Ressourcen auszukommen. „Viel ist da oben nicht. Die Frage lautet also zugespitzt: Wie macht man aus Marsstaub Rohmaterialien?“ Wenn es dann darum geht, aus diesem Rohmaterial Bauteile zu erzeugen, kommt Daniel Meyer mit seiner Expertise ins Spiel. Er leitet innerhalb des Clusters die Planungen für die „Research Area Processing“ und weiß: „Die Rohmaterialien auf dem Mars werden verunreinigt sein. Komplett reine Materialien wie auf der Erde wird es dort nicht geben.“

Die Aufgabe „seiner“ Research Area ist es nun, vor diesem Hintergrund Prozesse neu zu entwickeln, anzupassen und so zu beherrschen, dass man aus den Rohmaterialien dann funktionierende Bauteile erzeugen kann. „Wir werden Prozesse auf die dortigen Rahmenbedingungen anpassen müssen – und Lösungen finden, die auf dem Mars funktionieren.“ Das schöne dabei sei, dass man bei dieser Forschungsarbeit auch viel zum Nutzen auf der Erde lerne, was man ohne diese Marsinitiative vielleicht nicht lernen würde: „Zum Beispiel für das Recycling. Wir werden in Zukunft immer mehr Stoffe wiederverwerten müssen. Dabei entstehen zunehmend unreine Stoffe. Wie wir mit ihnen trotzdem effizient arbeiten können, erforschen wir jetzt schon in unserem Marsprojekt.“

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