Mathematik: Keine Panik vor Zahlen
Angst vor Mathe? So geht es vielen, doch schon in der Grundschule kann die Freude am Fach geweckt werden.
Bei vielen Menschen ruft schon der Gedanke an Zahlen Schweißausbrüche hervor. Manch eine oder manch einer hat in der Schulzeit mit Mathe keine guten Erfahrungen gemacht und erinnert sich nur sehr ungern daran. Wie bringt man schon jungen Schülerinnen und Schülern bei, dass Mathe Spaß machen kann? Mit dieser Frage beschäftigen sich Dagmar Bönig, Professorin für Mathematikdidaktik, und ihre Studentin Inka Barthel.
Inka Barthel ist ein Glücksfall für ihre künftigen Schülerinnen und Schüler. Die Studentin studiert im dritten Mastersemester Grundschullehramt und Inklusive Pädagogik und wird später auch Mathematik unterrichten. Dass die 24-Jährige in ihrer eigenen Schulzeit mit diesem Fach schlechte Erfahrungen gemacht hat, erweist sich jetzt als Vorteil, wenn es darum geht, Grundschulkindern die Angst vor Mathe zu nehmen. Denn sie weiß genau, was Mathelehrer falsch machen können, nämlich „nicht auf die Kinder eingehen und nicht darauf eingehen, was die Kinder können.“ Für sie steht fest: Bei ihr soll das im Unterricht anders laufen. Rückblickend ärgert sie sich: „Ich hätte es so viel einfacher haben können, wenn ich damals schon gelernt hätte, wie man Lust darauf bekommen kann. Es geht nämlich auch anders.“
Wenn Kinder Misserfolge haben, erzeugt das Angst
Dagmar Bönig stimmt ihr zu. Die Professorin für Mathematikdidaktik an der Universität Bremen hat in ihrer Laufbahn schon viele Studierende erlebt, die sich mit dem Fach schwergetan haben. Es gibt zwei Gründe, warum Kinder Ängste vor Mathematik entwickeln, glaubt Bönig: „Das eine ist, dass Kinder früh Misserfolgserlebnisse haben, das erzeugt Angst. Außerdem hat das Fach insbesondere bei Jugendlichen mit dem eigenen Leben erst einmal nichts zu tun. Das macht es schwieriger, einen persönlichen Bezug herzustellen.“ Oft stelle sich erst später heraus, wofür man in seinem Alltag mathematische Fähigkeiten braucht: Rente, Miete, Nebenkosten, Prozent- und Bruchrechnung. Aber wer schon in der Grundschule große Schwierigkeiten mit dem Rechnen hat, wird diese wahrscheinlich auch später haben, da die Basis fehlt. „Das wächst sich leider nicht aus“, sagt Dagmar Bönig.
Üben muss sein - das ist bei Mathe nicht anders als beim Lernen eines Instruments
Und da hilft nur eines: üben, aber nicht stumpfsinnig, sondern auf sinnvolle Weise. Matheprofessorin Bönig vergleicht das mit dem Erlernen eines Musikinstruments. Eine „gewisse Frustrationstoleranz“ sei dabei sehr hilfreich, findet die Professorin. In der Musik seien die Leute daran gewöhnt, zu üben, auch wenn es mal keinen Spaß mache: „Geige lernt man eben auch nicht, indem man einmal hinguckt. Dieses Durchhaltevermögen braucht man für die Mathematik.“ Aber sie weiß auch, dass es oft die Lehrkräfte sind, die dafür sorgen, dass bei Schülerinnen und Schülern erst gar nicht der Spaß an Mathematik aufkommt. Vor allem die heute Erwachsenen haben schlechte Erfahrungen mit didaktisch fragwürdigen Methoden gemacht: „Ich kenne noch aus meiner eigenen Grundschulzeit das Eckenrechnen. Furchtbar! Wer die Aufgabe wusste, durfte sich setzen. Und diejenigen, die es nicht hinbekamen, standen dann da. Das war gruselig. Für Kinder ist das Gift. Sie müssen Aufgabenstellungen anbieten, bei denen die Kinder Erfolgserlebnisse haben.“
Kluge Strategien helfen, Zahlenreihen zu erfassen
Im Rahmen ihres Studiums hat Studentin Inka Barthel ein halbes Jahr lang Grundschulkindern Förderunterricht erteilt, die Probleme mit Mathe hatten. Das war gut für sie und gut für die Kinder: „Ein Mädchen aus der zweiten Klasse geriet schnell in Stress und hat dann immer gerufen: ‚Ich kann das nicht, das funktioniert nicht!‘ Wichtig ist, dass keine Überforderung entsteht“, erzählt Inka Barthel. „Wir sind dann immer einen kleinen Schritt weitergegangen, damit sie sicherer wurde. Denn wenn erst einmal Panik herrscht, geht gar nichts mehr.“
Es gibt wirksame Kniffe, die verhindern, dass Zahlen im Kopf durcheinanderwirbeln. Eine größere Anzahl von beispielsweise 20 Gegenständen lässt sich ohne zu zählen erfassen, wenn die Gegenstände in vier Fünfergruppen aufgeteilt werden. Auch das Einmaleins muss niemand einfach nur auswendig lernen, sondern Kinder können eine Struktur lernen, mit deren Hilfe sie Zahlen besser erfassen können. In ihrem Studium hat Inka Barthel Methoden kennengelernt, mit denen sich das Einmaleins leichter lernen lässt und die sie jetzt weitergibt. „Wenn ein Kind zum Beispiel die Aufgabe neun Mal acht nicht weiß, dann weiß es aber zehn Mal acht. Das ist dann viel leichter.“
Um Kinder zu motivieren, gebe es viele gute Wege. Die möchte Dagmar Bönig ihren Studierenden mit auf den Weg geben.