„Nicht selbstverständlich, im ersten Semester zu forschen“
Forschendes Lernen: Erstsemester legen erste Studie zum möglichen Teilumzug in die Bremer Innenstadt vor
Gleich im ersten Semester an relevanten Fragestellungen forschen und wissenschaftliche Erfahrungen sammeln, das können Geographie-Studierende im Modul „Einführungsprojekt“ von Professor Ivo Mossig. Eine Studentengruppe führte im Wintersemester eine Untersuchung zum Teilumzug der Uni in die Innenstadt durch und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Debatte.
Seit einiger Zeit steht die Idee im Raum, einen Teil der Universität in die Bremer Innenstadt zu verlagern. Zurzeit lässt die Stadt Bremen eine Machbarkeitsstudie zu den baulichen Möglichkeiten, räumlichen Voraussetzungen, Kosten u. ä. erstellen. Im Einführungsprojekt am Institut für Geographie haben sich vier Erstsemester schon mal mit der Frage befasst, inwieweit der Teilumzug zu einem geänderten Mobilitätsverhalten führen würde. Konkret gefragt haben sie nach einem Teilumzug in das ehemalige Sparkassenhauptgebäude am Brill. Es handelt sich um die erste Untersuchung dieser Art.
Lasse Frauenheim, Jakob Merkens, Paul Mörker und Anton Richter haben die Studie konzipiert und durchgeführt. Anhand einer Umfrage unter den Studierenden der Universität Bremen haben sie die Verkehrsmittelwahl, die jeweiligen Wegzeiten zur Universität, die Benotung der Verkehrsanbindung zu den jeweiligen Campus-Standorten und die Befürwortung oder Ablehnungen eines Teilumzugs durch die Studierenden erfasst. Sie kamen zu dem Ergebnis: Das Mobilitätsverhalten verändert sich entsprechend der jeweiligen Wohnorte der Studierenden. Ablehnung oder Zustimmung sind eng daran gebunden, ob sich der Weg zur Universität verlängern oder verkürzen würde.
Forschung zu aktuellem Thema
Zu Beginn des Seminars sei schnell klar gewesen, dass die vier sich mit Mobilität beschäftigen wollten. Die Frage, wie sich der vorgeschlagene zweite Campus in der City auf die Studierendenmobilität auswirken würde, hätte nahegelegen, sagen die vier Studenten. Der diskutierte Umzug sei ein aktuelles Thema, was sie selbst interessiere.
Forschendes Lernen von Anfang an ist ein Markenzeichen der Universität Bremen: Am Institut für Geographie wird es im Einführungsprojekt für Erstsemester gelebt. In kleinen Gruppen bearbeiten die Geographie-Studierenden eine selbstgewählte Fragestellung mit eigener Empirie und präsentieren die Ergebnisse auf einem Poster institutsöffentlich. „Das wesentliche Ziel eines Hochschulstudiums besteht darin, dass die Studierenden vertiefte Fachkenntnisse erwerben und selbstständig wissenschaftlich arbeiten können“, sagt Professor Ivo Mossig, der das Seminar gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Daniel Schuster im Wintersemester 21/22 angeboten hatte. „Wir Lehrenden müssen sie deshalb während des Studiums auch als angehende Forschende ansprechen und mit entsprechenden Aufgaben konfrontieren.“
Wichtig, mit selbst erhobenen Daten zu arbeiten
Im ersten Semester bereits zum Forscher werden: Das war eine tolle Erfahrung für die vier Geographen. „Es ist nicht selbstverständlich, bereits im ersten Semester zu forschen. Vom Dozenten an die Hand genommen zu werden und anhand einer Projektarbeit wissenschaftliche Methoden zu lernen. Das war echt cool“, sagt Paul Mörker.
Vor allem die Erfahrung zu machen, mit selbst erhobenen Daten zu arbeiten, sei für ihr weiteres Studium wichtig. Da sind sie sich einig. Jakob Merkens: „Speziell bei unserem Thema war es eine gute Mischung aus Arbeiten mit der Literatur und selbst erhobenen Daten. Vor allem gleich im ersten Semester direkt mit Daten zu arbeiten, fand ich super und wichtig.“ Anton Richter: „Ich fand es toll, die Daten auszuwerten und zu sehen, welche Schlüsse man aus den Daten einer Umfrage ziehen kann.
Lehrpreis für Einführungsprojekt
Für Lasse Frauenheim hat der Praxisbezug noch einen weiteren Vorteil: „Wenn man sagt, ,man studiert Geographie‘ ist die erste Frage ,und was machst du damit‘? Und da direkt gegenzusteuern und praxisbezogen zu arbeiten war echt angenehm.“
Für das Einführungsprojekt wurde Ivo Mossig vom Verband für Geographie an deutschsprachigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen (VGDH) 2020 mit dem Preis für „Innovative Hochschullehre in der Geographie“ ausgezeichnet.
Forschendes Lernen an der Universität Bremen
Gemeinsam mit den beiden Dozenten haben die vier Studenten ihre Studie „Veränderung des Mobilitätsverhaltens der Studierenden bei einem Teilumzug der Universität Bremen an den Standort ,Am Brill‘“ in den Beiträgen zur Wirtschaftsgeographie und Regionalentwicklung veröffentlicht.
Forschendes Lernen hat an der Universität Bremen seit ihrer Gründung vor mehr als 50 Jahren einen wichtigen Stellenwert. In den vergangenen Jahren wurden Konzepte des Forschenden Lernens in zahlreichen Studiengängen aller Fachbereiche integriert und damit Forschung und Lehre noch enger aufeinander bezogen.
Das Seminar „Einführungsprojekt Geographie“ ist ein Pflichtmodul im ersten Semester des Vollfach-Bachelorstudiums mit 4 SWS Präsenzlehre und 9 Credit Points (CP). In kleinen Gruppen von circa 25 Personen, unterstützt durch zwei Lehrende und eine Tutorin, durchlaufen die Studierenden innerhalb ihrer Projektgruppe von maximal sechs Personen einen Forschungszyklus.
Studie herunterladen
Die Studie „Veränderung des Mobilitätsverhaltens der Studierenden bei einem Teilumzug der Universität Bremen an den Standort ,Am Brill‘“ in deutscher Sprache kann hier heruntergeladen werden.