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Öffentliche Gesundheit: Eine Frage der Ethik

Solveig Lena Hansen unterrichtet Public Health Ethik. Was sich dahinter verbirgt.

Forschung

Die Pandemie hat viel verändert. Selten wurde in der Öffentlichkeit und im Privaten so viel über Gesundheitsfragen geredet. Auch ethische Fragen werden heftig diskutiert. Mit solchen Fragen in unterschiedlichen Themenfeldern beschäftigt sich die Wissenschaftlerin Dr. Solveig Lena Hansen. Sie ist seit Oktober 2020 Universitätslektorin für Public Health Ethik an der Universität Bremen und unterrichtet Studierende der Gesundheitswissenschaften.

Solveig Lena Hansen hatte zu Beginn ihrer akademischen Karriere keineswegs geplant, dass sie sich einmal mit ethischen Fragen des Öffentlichen Gesundheitswesens beschäftigen würde. Wie so häufig im beruflichen Leben entwickeln sich besondere Interessen erst mit den Themen, mit denen man sich gründlicher befasst. So auch bei Solveig Lena Hansen. Sie studierte Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft und Geschlechterforschung in Göttingen und Uppsala (Schweden). Das Thema ihrer Magisterarbeit verrät allerdings schon ihr besonderes Interesse an Medizin und Gesundheitswesen. Diese trug den Titel: „Benötigtes Leben. Analysen zu literarischen Darstellungen der Organtransplantation und ihren fiktionalen Dimensionen.“

„Mich hat die Frage sehr interessiert, was Literatur zu ethischen Fragen beitragen kann“, erzählt die promovierte Wissenschaftlerin. Und was kann sie beitragen? „Eine ganze Menge: Es werden Szenarien durchgespielt. Es geht um die Relevanz und Komplexität sozialer Beziehungen im Kontext von Gesundheit und Krankheit und wir werden in fiktionalen Geschichten mit Wertungen und Handlungsoptionen konfrontiert.“
Als sie 2014 als erste Doktorandin ihre Dissertation über Reproduktionstechnologien im neu etablierten Fach Bioethik an der Philosophischen Fakultät an der Universität Göttingen einreichte, da war ihr Thema das reproduktive Klonen, auch mit dem Fokus auf Literatur und Ethik. „Wenn man sich mit Utopien und Science-Fiction beschäftigt, stößt man schnell auf das Thema: In diskursiven Räumen verhandeln wir die ethischen und soziokulturellen Aspekte solcher Technologien. Dies kann Aspekte der fachlichen Debatte illustrieren oder ganz neue Aspekte einbringen.“ Für einen Aufsatz über die Rolle von Dystopien für ethische Diskussionen wurde Solveig Lena Hansen von der Akademie für Ethik in der Medizin 2017 mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet.

Gesellschaftliche Ungleichheit zeigt sich beim Thema Körpergewicht

Im Gegensatz zum Klonen liegen die ethischen Themen bei einem anderen Bereich, mit dem sich die Wissenschaftlerin in ihrer Forschung und in Seminaren intensiv beschäftigt, weniger auf der Hand: Körpergewicht und Adipositas. Hier zeigen sich wie unter einem Brennglas fast alle Themen der Public Health: Es geht um soziale Gerechtigkeit, Ungleichheit, Gesundheitsversorgung, Ernährungsfragen, Prävention – und auch um Stigmatisierung. „Das Thema hat ganz klar eine politische Dimension“, sagt Hansen. „Die Frage lautet: Wie befähigen wir Menschen, einen guten Umgang mit ihrem Körpergewicht zu finden und gut für sich zu sorgen? Und: bei wem sollten die Verantwortlichkeiten dafür liegen?“ Mit einem Fokus auf das höhere Lebensalter und den Lebensverlauf konnte Hansen gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Merle Weßel von der Universität Oldenburg eine Impulsförderung zu diesem Thema einwerben, gefördert vom Verbund norddeutscher Universitäten.

Filme und Literatur im Seminar

In ihren Seminaren im Fachbereich Gesundheitswissenschaften vertieft sie die gesundheitsethischen Themen, indem sie mit ihren Studierenden neue und ältere Filme schaut und darüber Diskussionen initiiert. Im WS 2020/21 hat sie zum Beispiel die Pandemie-Serie „Sloborn“ behandelt und sie unter verschiedenen ethischen Fragestellungen analysiert. Auch am historischen Fall des Contergan-Skandals und dessen Verfilmung konnte sie viele ethische Fragestellungen untersuchen und erörtern lassen, wie etwa den gesellschaftlichen Umgang mit Behinderung oder forschungsethische Fragen der Arzneimittelentwicklung. Die Einbindung von Filmen für ethische Diskussion erprobte Hansen schon in Göttingen in zwei öffentlichen Filmreihen. Auch dafür bekam sie einen Preis: Sie wurde 2013 mit dem Preis des Stiftungsrats der Universität Göttingen ausgezeichnet.

Lehre heißt: Auch von den Studierenden lernen

„Durchgängig partizipativ und diskursiv“: So nennt sie ihren Ansatz in der Lehre. Das heißt, sie macht keinen Frontalunterricht, sondern kommt mit den Studierenden ins Gespräch. Davon, sagt Hansen, profitiere sie selbst ja auch. Denn viele Studierende haben bereits eine Ausbildung etwa als Pflegekraft oder Physiotherapeuten. Dadurch hatte sie schon viele Fallbeispiele mit Praxisrelevanz im Seminar. „Von meinen Studierenden lerne ich viel, mir würde so viel Wissen und Ideen verloren gehen, wenn ich auf deren Erfahrungsschatz verzichten würde.“ Die Lehre ist sowieso eine Herzensangelegenheit von Solveig Lena Hansen. „Eine gute Ethiklehre ist so wichtig“, betont sie. Denn in ihren Seminaren kann sie junge Menschen mit dem Thema Ethik erreichen, die später einmal an verschiedenen und auch entscheidenden Stellen des Gesundheitswesens arbeiten werden: Bei Krankenkassen, in Behörden und Kliniken. Und auch dort werden ethische Fragen und Konflikte Teil des Alltags sein.

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