Onlinehandel: YUFE-Postdoc untersucht Verbraucherrechte
Wenn wir im Internet etwas kaufen, schließen wir oft Verträge ab, die man kaum versteht. Genau damit beschäftigt sich Nicholas Mouttotos an der Uni Bremen
Jeder kennt die Situation: Man kauft online ein Produkt und muss dabei sein Okay für Vertragsbedingungen geben, die man selten liest oder gar versteht. Einer, der sich damit in seiner Forschung beschäftigt, ist Nicholas Mouttotos. Der 33-Jährige Wissenschaftler aus Zypern arbeitet als YUFE-Postdoc an der Uni Bremen. Im Interview erzählt er von seiner Arbeit, warum er sich für Bremen entschieden hat und wieso er Wissenschaftler:innen die YUFE-Allianz (Young Universities for the Future of Europe) empfiehlt.
Herr Mouttotos, woran forschen Sie genau?
Mein Forschungsthema befasst sich mit dem Konzept der „informierten Zustimmung“ und seiner Rolle im europäischen Verbraucherrecht.
Was ist damit gemeint?
Als Verbraucher:innen schließen wir ständig Verträge ab, wenn wir zum Beispiel Produkte online kaufen. In diesen Verträgen fügen die Unternehmen ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen bei. Studien aus der Verhaltensökonomie zeigen, dass diese Bedingungen von den Verbraucher:innen selten gelesen werden, aber auch schwer zu verstehen sind. Dies ist ein großes Problem im Vertragsrecht, denn traditionell beinhaltet die Idee eines Vertrags eine Vereinbarung über seine Bedingungen zwischen den Vertragsparteien. Die Vertragsrechtslehre hat auf raffinierte Weise versucht, dieses Problem zu lösen, indem sie Unternehmer:innen verpflichtet hat, Verbraucher:innen auf eine bestimmte Klausel aufmerksam zu machen, die als missbräuchlich angesehen werden könnte. Solche spezifischen Informationen sind natürlich für Verbraucher:innen, die das Produkt oder die Dienstleistung einfach nur erhalten möchten, möglicherweise nicht relevant. Mit dieser Information über das Vorhandensein einer möglicherweise nachteiligen Klausel wird die Idee der informierten Zustimmung im Vertragsrecht deutlich. Sie ist ein Nebenprodukt der neoklassischen Wirtschaftswissenschaften und des Modells des homo oeconomicus. Nach diesem Modell sind Verbraucher:innen rationale Akteur:innen, die in der Lage sind, Informationen zu analysieren und (rationale) Entscheidungen zu treffen, die ihren Wohlstand erhöhen.
Aber dieses Modell bildet ja nicht die Realität ab.
Richtig, und es wurde auch dafür kritisiert. In meinem Projekt werde ich versuchen, die genauen Vorschriften in der Europäischen Union zu ermitteln, die dieses Modell fördern. Zum Beispiel enthält die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen eine Transparenzanforderung, wonach die Klauseln von Verkäufer:innen oder Lieferant:innen in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein müssen. Ich möchte wissen, wie diese Vorschriften auf neue Bereiche wie das internationale Privatrecht ausgedehnt werden. Mein Ziel ist es, bestimmte Mitgliedstaaten zu untersuchen und zu prüfen, ob sie ein solches Modell durch die Entscheidungen ihrer jeweiligen Gerichte fördern. Dies wird unweigerlich dazu führen, dass die Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Ansätzen, die sich aus dem Vergleich ergeben, vermerkt werden.
Wird sich durch Ihre Forschungen für die Verbraucher:innen etwas ändern?
Langfristig vielleicht schon. Die Intention ist es zu untersuchen, welcher Ansatz die Interessen der Verbraucher:innen besser fördert und ob stattdessen eine neue Lösung vorgeschlagen werden sollte, die nicht zu einer Informationsüberlastung führt.
„Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Uni Bremen hat eine lange Tradition in der Forschung zum Europäischen Privatrecht“
Warum haben Sie sich für die Universität Bremen entschieden?
Der Grund ist vor allem Professor Gralf Calliess und seine Arbeit zum internationalen Privatrecht und transnationalen Recht – ein Gebiet, auf dem er führend ist. Darüber hinaus hat der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Bremen eine lange Tradition in der Forschung zum Europäischen Privatrecht (Internationales Recht und Wirtschaftsrecht), sowohl am ZERP (Zentrum für Europäische Rechtspolitik) als auch in jüngerer Zeit am Institut für Wirtschaftsrecht. Die Idee der „informierten Zustimmung”, mit der sich mein Projekt befasst, sowie ihre Voraussetzungen und Grenzen sind eine theoretische Herausforderung, die nicht nur im Vertragsrecht im Allgemeinen, sondern auch in anderen Bereichen wie dem Datenschutz, der medizinischen Versorgung und ganz allgemein im Menschenrechtsrecht besteht. In Bremen forscht Professor Benedikt Buchner im Europäischen Datenschutzrecht. Darüber hinaus arbeiten das Institut und Professor Calliess mit dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften zusammen, wo das Thema der informierten Einwilligung ebenfalls auf der Forschungsagenda steht. Und schließlich gefällt mir als vergleichender Wissenschaftler die Idee, in einem deutschen akademischen Umfeld zu arbeiten, wo ich die Möglichkeit habe, die deutsche Rechtskultur so gut wie möglich kennenzulernen.
Eine Frage zur YUFE-Allianz – das Netzwerk, in dem die Universität Bremen mit neun anderen Universitäten eine Europäische Universität gestaltet. Sie sind einer von acht Forschenden, die an dem ersten YUFE-Postdoc-Programm teilnehmen. Warum haben Sie sich dafür beworben?
In der Endphase meiner Promotion an der Maastricht Universität, die auch zu YUFE gehört, dachte ich über meine nächsten Schritte nach und nahm Kontakt zu Professor Calliess an der Universität Bremen auf, um ein Forschungsprojekt zum internationalen Privat- und Verbraucherrecht zu entwickeln. Da ich Teil der Universität Maastricht war hatte ich die Möglichkeit, mich bereits 2019 für einen „YUFE-Mobility Call“ an der Universität Bremen zu bewerben. So verbrachte ich fünf Monate am Institut für Wirtschaftsrecht und erfuhr während dieser Zeit von der Ausschreibung von YUFE für Postdocs. Zudem war ich an den Diskussionen der juristischen Fakultäten der zehn YUFE-Partneruniversitäten und der Förderung der Zusammenarbeit zwischen diesen Fakultäten beteiligt. Es war für mich also eine gute Gelegenheit, mich für das Postdoc-Programm zu bewerben und die Chance zu haben, weiter mit Universitäten zusammenzuarbeiten, die meine Alma Mater waren (die YUFE-Universität Maastricht und die YUFE-Universität Zypern). Ich finde es auch reizvoll zur Verwirklichung des Ziels beizutragen, eine Europäische Universität mitzugestalten. Nun habe ich das Privileg, einer der ersten Forschenden des neu eingerichteten YUFE-Postdoc-Programms zu sein.
“Die YUFE-Allianz fördert die Mobilität und ich glaube, dass sie für Forschende sehr vorteilhaft ist”
Würden Sie YUFE anderen Forschenden empfehlen?
Auf jeden Fall.
Warum?
Aus vielen Gründen: Einer davon ist der große Ehrgeiz und das Engagement des Bündnisses und der Menschen, die es vertreten, sowie ihre Bereitschaft, das beste Umfeld für die eigene Forschung zu bieten. Mobilität ist auch etwas, das die Allianz fördert. Und ich glaube, dass sie für Forschende sehr vorteilhaft ist, weil sie durch Diskussionen mit Kolleg:innen anderer Universitäten mehr Einblicke und Perspektiven für ihre Arbeit gewinnen können. Sie ist sehr wichtig, um ein starkes akademisches Netzwerk aufzubauen. Das ist immer von Vorteil.