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Tag der Erde: „Wir tragen globale Verantwortung“

Interview mit Klima- und Meeresforscher Professor Michael Schulz

Campusleben / Nachhaltigkeit

Am 22. April feiern über 175 Länder den Tag der Erde, der für einen ökologischen und umweltbewussten Lebensstil wirbt. Klima- und Meeresforscher Professor Michael Schulz, Co-Vorsitzender der Kommission für Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Klimaneutralität, erläutert im Gespräch mit up2date. den Beitrag der Universität.

Herr Schulz, am 22 April ist der internationale Tag der Erde. Welche globale Verantwortung trägt die akademische Gemeinschaft zur Bewältigung globaler Umwelt- und Nachhaltigkeitsherausforderungen?

Der Tag der Erde ist ein Anlass, an dem wir uns bewusstmachen sollten, dass wir alle einen ökologischen Fußabdruck haben. Unser Handeln hat Konsequenzen. Das Leitbild der Universität erkennt ausdrücklich an, dass wir eine globale Verantwortung tragen. Wir leben in einem Staat mit überdurchschnittlich hohen CO2 Emissionen in Vergangenheit und Gegenwart. Als eine international ausgerichtete Universität tragen wir auch eine Verantwortung, unseren Studierenden Wissen für die Gestaltung nachhaltigerer Prozesse und Strukturen zu vermitteln.

Welche Rolle spielen Absolventinnen und Absolventen?

Früher war der Spruch geläufig, dass in Bremen die Ingenieure für die Republik ausgebildet würden. Viele dieser gut ausgebildeten Ingenieur:innen sind nämlich aufgrund attraktiver Positionen in andere Bundesländer gezogen. Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass wir in einigen Jahren behaupten können, dass aus Bremen die Transformationsfachleute für Deutschland kommen. Wir werden sicherlich nicht die Einzigen auf diesem Feld sein, aber ich hoffe, dass dies zu einem Markenzeichen Bremens wird.

Michael Schulz vor einem Bücherregal
Klima- und Meeresforscher Prof. Dr. Michael Schulz
© Margit Wild

Die menschengemachte Klimakrise zwingt unsere Gesellschaft zu einer Neuausrichtung der meisten Lebensbereiche. Inwieweit kann die Universität Bremen den gesellschaftlichen Transformationsprozess unterstützen?

Politische und gesellschaftliche Veränderungen folgen nicht einfach aus wissenschaftlichen Erkenntnissen; unser Fokus sollte auch auf individuellem Handeln und dem Erreichen einer kritischen Masse für Veränderungen liegen. Unser Ziel an der Universität Bremen sollte es vermehrt sein, Absolvent:innen nicht nur mit Fachwissen, sondern auch mit Zukunftsvisionen auszustatten. Sie sollen über den Tellerrand hinausschauen und sowohl Nachhaltigkeitsziele verstehen als auch Problemlösungs- und Transformationskompetenz erwerben. Wie zentral diese Fachleute für eine erfolgreiche Transformation sind, wurde lange unterschätzt. Unsere Universität bildet einen Mikrokosmos der Gesellschaft. Auch wenn wir natürlich nicht in der Lage sind, die gesamte Gesellschaft zu verändern, tragen unsere Forschungsaktivitäten dazu bei, notwendige Veränderungen anzustoßen. Allerdings muss der entscheidende Mentalitätswandel innerhalb der Gesellschaft selbst stattfinden. Der Transformationsprozess ist ein fortlaufender Suchprozess. Die Suche ist natürliche legitim, aber als Klimaforscher sehe ich auch, dass uns die Zeit davonläuft. Hier liegt ein Dilemma.

Als gesellschaftlicher Mikrokosmus bietet die Universität Möglichkeiten zum „Ausprobieren“, nicht zuletzt, weil hier vielfältige Beschäftigtengruppen zusammenarbeiten und viele Formen der Mobilität im Alltag eine Rolle spielen. Als Stadtstaat haben wir zudem die Gelegenheit, wissenschaftlich fundiertes politisches Handeln zu fördern. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir als Universität in Bremen nicht allein sind. Es gibt drei weitere Hochschulen – die Hochschule Bremerhaven, die Hochschule Bremen und die Hochschule für Künste Bremen –, die sich ebenfalls intensiv mit Klima-, Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung beschäftigen. Zugleich sind diese vier Einrichtungen selbst Gegenstand der erforderlichen Transformationsprozesse. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekts BreGoS arbeiten die vier staatlichen Hochschulen eng zusammen, etwa beim Wissensaustausch und der Entwicklung von gesamtinstitutionellen Konzepten.

Wie schätzen Sie die derzeitigen Fortschritte im Hinblick auf das Klimaziel von 1,5 bis 2 Grad ein? Sind wir auf einem guten Weg?

Vor einigen Jahren zeigten die Projektionen noch die schlimmsten Entwicklungen auf. Inzwischen haben wir Fortschritte gemacht. Wir sind zwar noch weit vom 2-Grad-Ziel entfernt, aber auch nicht mehr bei katastrophalen 4,5 oder sogar 6 Grad Celsius Erwärmung. Es hat also bereits eine Veränderung stattgefunden, und in vielen Bereichen ist ein Umdenken erkennbar. Ich möchte die Situation jedoch nicht beschönigen, denn es gibt immer noch zu viele verzögernde Faktoren und der Klimaschutz kommt nicht schnell genug voran. Wir müssen viel schneller handeln.

Sind wir auf dem richtigen Weg? Theoretisch ja, praktisch sieht es in Deutschland jedoch anders aus. Es fehlt nicht an Erkenntnis, sondern am Gewinnen von Mehrheiten. Ich bin überzeugt, dass der Mehrheit bewusst ist, dass die Klimakrise ein ernsthaftes Problem darstellt und dass wir handeln müssen. Es mangelt allerdings an effektiven Umsetzungsstrategien und sozialverträglichen Lösungen. Die Bundespolitik vermittelt den Eindruck, dass wir so weiterleben könnten wie bisher und eine Umstellung auf erneuerbare Energien ausreicht. Das ist jedoch eine gefährliche Illusion. In Europa und insbesondere in Deutschland, wo wir weit über dem durchschnittlichen Energieverbrauch pro Kopf liegen, müssen wir unseren Energieverbrauch überproportional senken: auf ca. 1/3 des heutigen Pro-Kopf Verbrauchs bis zum Jahr 2050.

Transformation bedeutet an dieser Stelle die deutliche Umstellung unseres Lebensstils. Dabei ist die Verzichtsdebatte wenig hilfreich; ressourcenschonend und klimaneutral zu leben wird sicherlich mit einem Wandel unserer Werte einhergehen. Universitäten können Räume für diesen Diskurs bieten und Visionen für eine Zukunft schaffen, die nicht dystopisch sind. Zum Thema Nachhaltigkeit gehört auch die Vermittlung unterschiedlicher Perspektiven. Das wird nicht einfach, aber letztlich verdeutlicht uns der Zustand der Erde – den wir immer besser vermessen und erfassen können –, dass wir uns ändern müssen.

Professor Michael Schulz

Professor Michael Schulz ist Co-Vorsitzender der AS Kommission für Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Klimaneutralität und des Wissenschaftsschwerpunktes Meeres-, Polar- und Klimaforschung. Der Schwerpunkt seiner Forschungsarbeiten liegt in der Klimamodellierung. Seit 2012 ist er Direktor des MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen.

Nachhaltigkeit: Das Leitprinzip der Universität Bremen

Die Universität Bremen setzt sich seit Jahren für die nachhaltige Entwicklung unserer Welt ein. Dabei wird einerseits das Thema der Nachhaltigkeit in zahlreichen Projekten wissenschaftlich betrachtet. Andererseits wird das Handeln der Universität selbst immer wieder darauf geprüft, ob es im Einklang mit ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit steht. 2023 beschloss die Uni ein neues Leitbild. Es soll den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen Rechnung getragen werden. Im Fokus steht die Nachhaltigkeit und die damit verbundene gesellschaftliche Verantwortung der Universität. Wesentliche Vorarbeiten leitete die Kommission für Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Klimaneutralität (NKK).

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